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14.04.12 / Verantwortung klar geregelt / Verteidigungsminister baut sein Ministerium um – Position des Generalinspekteurs deutlich gestärkt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-12 vom 14. April 2012

Verantwortung klar geregelt
Verteidigungsminister baut sein Ministerium um – Position des Generalinspekteurs deutlich gestärkt

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat sein Ministerium neu organisiert. Mit dem „Dresdner Erlass“ erhält es seit 1. April eine neue Struktur, die die Verantwortungsbereiche klar und eindeutig regelt. Neu definiert und gestärkt wird vor allem die Position des Generalinspekteurs, dem erstmals in der Geschichte der Bundeswehr die Streitkräfte in jeder Hinsicht unterstellt sind.

Diese strukturelle Reform des Ministeriums geht weit über einen organisatorischen Anpassungsprozess hinaus. Für de Maizière ist sie ein „zentraler Baustein der Neuausrichtung der Bundeswehr“, die unter den gegebenen sicherheitspolitischen, finanziellen und demografischen Rahmenbedingungen unumgänglich sei. In einer „systematisch überstrapazierten Gesamtorganisation“, so der Minister bei der Vorstellung des Erlasses am 21. März im Militärhistorischen Museum in Dresden, blieben „Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwangsläufig unklar“. Das soll sich mit der Neuregelung der Aufgabenzuordnung und der Zusammenarbeit an der Spitze des Ministeriums ändern.

Freuen kann sich darüber vor allem Generalinspekteur Volker Wieker, denn keiner seiner Vorgänger hatte so weit reichende Kompetenzen wie er. Bislang war der Generalinspekteur hauptsächlich für die Bundeswehrplanung, die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte sowie die Planung, Vorbereitung und Führung von Einsätzen verantwortlich. Allerdings war diese Verantwortlichkeit nicht von deckungsgleichen Kompetenzen, Zuständigkeiten und Befugnissen flankiert, so dass es keinen für alle Bereiche der Streitkräfte verantwortlichen militärischen Vorgesetzten gab. Seit dem 1. April ist der Generalinspekteur unmittelbar unterhalb der Staatssekretärsebene angesiedelt und gehört zur Leitung des Hauses. Er ist militärischer Berater der Bundesregierung und höchster militärischer Repräsentant der Bundeswehr, vor allem aber militärischer Vorgesetzter aller Soldaten und der in den Streitkräften eingesetzten zivilen Mitarbeiter. Damit erhält der ranghöchste Soldat erstmals truppendienstliche Befugnisse – was in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit ist.

Bei Aufstellung der Bundeswehr glaubte man, wegen der historischen Erfahrungen den Einfluss der Militärs auf die deutsche Sicherheitspolitik und die Streitkräfte so gering wie möglich halten zu müssen. Deshalb wurde der Generalinspekteur aus der truppendienstlichen Befehlskette, die vom Minister als dem Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt bis zum einzelnen Soldaten reicht, herausgehalten und auf die Rolle eines militärischen Beraters des Ministers reduziert. Als ministerieller Abteilungsleiter stand er als Primus inter Pares neben den Inspekteuren. Erst Helmut Schmidt änderte 1970 als neuer Chef des Hauses mit dem „Blankeneser Erlass“ diese uneindeutige Organisation innerhalb des Ministeriums. Fortan war der Generalinspekteur dem Minister gegenüber für die Gesamtkonzeption und die Bundeswehrplanung verantwortlich. Als Hauptabteilungsleiter konnte er den Inspekteuren, deren Führungsstäbe zugleich ministerielle Abteilungen und militärische Kommandostellen waren, ministerielle Weisungen erteilen.

Es dauerte ein weiteres Vierteljahrhundert, bis Bundesverteidigungsminister Peter Struck die Umwandlung der Bundeswehr hin zu einer Einsatzarmee nutzte, um die Stellung des Generalinspekteurs als dem Verantwortlichen für streitkräftegemeinsame Aufgaben erneut zu stärken. Mit dem „Berliner Erlass“ von Anfang 2005 erhielt dieser das Recht, nicht nur konzeptionelle Entscheidungen zu treffen, sondern auch konkrete Weisungen zur Führung der Truppe im Einsatz, zur Streitkräfteplanung und zur Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu erlassen. Erst durch die Notwendigkeit einer bundeswehrgemeinsamen Auftragserfüllung und der direkten Führung im Einsatz hat der Generalinspekteur zentrale militärische Verantwortung bekommen. Zu deren Wahrnehmung unterstehen ihm jetzt drei ministerielle Abteilungen, das Einsatzführungskommando und die Inspekteure, die aus dem Ministerium herausgelöst werden und zukünftig „mehr Soldat als Abteilungsleiter“ sein sollen.

Anders als die beiden Vorgängerdokumente regelt der „Dresdner Erlass“ erstmals auch die Kompetenzen der zivilen Strukturen des Ressorts. Künftig sollen alle neun neu geschaffenen Abteilungen und die weiteren Behörden und Dienststellen im Geschäftsbereich des Ministeriums stärker gemischt mit militärischem und zivilem Personal besetzt werden.

Kritiker der Bundeswehr bemängeln an der neuen Spitzengliederung, mit der Aufwertung der Position des Generalinspekteurs habe die Bundeswehr nun praktisch einen militärischen Oberbefehlshaber, was es doch unbedingt zu vermeiden gelte. Sie wünschen sich einen Generalinspekteur, der nichts mehr als ein der politischen Leitung des Hauses nachgeordneter Frühstücksdirektor ohne Befehlsgewalt ist. Dass dieses Verständnis vom Amt des ranghöchsten Soldaten nicht zu einer Armee im Einsatz passt, hat Verteidigungsminister de Maizière erkannt und mit dem „Dresdner Erlass“ einen wichtigen Schritt zu einer Anpassung der Führungsorganisation und Unterstellungsverhältnisse unternommen. Jan Heitmann


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