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14.04.12 / Deutsches Wesen für China / Umsichtiger Handel und kultursensibles Vorgehen schon damals: Tsingtau war deutsche »Musterkolonie« in Fernost

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-12 vom 14. April 2012

Deutsches Wesen für China
Umsichtiger Handel und kultursensibles Vorgehen schon damals: Tsingtau war deutsche »Musterkolonie« in Fernost

Die Erinnerungen an deutsche Kolonien und Schutzgebiete sind kaum noch präsent, zu lange ist es her, dass sie aufgegeben werden mussten, und zu kurz war der Zeitraum im Gegensatz zu den jahrhundertelangen Kolonialzeiten anderer europäischer Staaten.

Mit seiner Suche nach dem „Deutschen Erbe in China“ legt Hans Georg Prager ein spannendes und informatives Buch vor, das einen relativ unbekannten Teil der deutschen Vergangenheit in den Mittelpunkt rückt.

Nach einem kurzen Abriss der chinesischen Geschichte und Kultur folgt die Beschreibung des Herantastens der Deutschen an China. So bauten ab 1845 mehrere deutsche Handelshäuser Beziehungen nach China auf. Einen Fuß in der Tür hatte Preußen durch den 1863 geschlossenen „Freundschafts-, Handels- und Schifffahrts-Vertrag“, England und Frankreich waren jedoch weitaus aggressiver bei ihrer weltweiten Einflussnahme –  und das nicht nur in China. Generell waren die Deutschen Spätaufsteher in Bezug auf den Kolonialismus, was dazu führte, dass weltweit deutsche Marineschiffe zum Schutz der Handelsbeziehungen auf hoher See fuhren, ohne jedoch über eigene überseeische Stützpunkte zu verfügen.

1897 nutze man dann die Gelegenheit, als deutsche Missionare durch Mitglieder eines chinesischen Geheimbundes getötet wurden, und setzte die Flotte in Bewegung in Richtung Kiautschou-Bucht als „militärisch-maritime Machtdemonstration“. Nach zähen Verhandlungen wurde dann ein Pachtvertrag geschlossen, bei dem auch China sein Gesicht wahren konnte. Die Deutschen pachteten das Kiautschou-Gebiet für 99 Jahre, es blieb jedoch offiziell dem chinesischen Kaiserthron unterstellt, und die Chinesen behielten ihre Staatsbürgerschaft. Damit hatten die Deutschen ein Eingangstor für den Handel und einen Versorgungsstützpunkt für die Schiffe. Die Stadt Kiautschou selbst lag übrigens nicht in dem Pachtgebiet, sondern in der neutralen Zone am Übergang zu China. Das Kiautschou-Gebiet war also keine Kolonie, sondern unterstand als Sonderentwicklungsgebiet dem Reichsmarineamt.

Durch den Ausbau der Infrastruktur, die Erschließung des Hinterlandes sowie den Ausbau zweier Häfen für die Küsten- und Überseeschifffahrt wurde das Gebiet für den weltweiten Handel nutzbar und wuchs rasant. Dabei wurde durch eine Land- und Steuerordnung dafür gesorgt, dass der Ankauf zu maßvollen Preisen stattfand und Spekulationen unterbunden wurden. Tsingtau bestand 1897 noch aus 300 Hütten mit ausschließlich chinesischer Bevölkerung. 1905 war Tsingtau eine rasch wachsende Stadt mit 29000 Einwohnern. 1914 war die Einwohnerzahl schon auf 70000 angestiegen.

Das Kiautschou-Gebiet erblühte in vielfältigen Bereichen; dadurch, dass die Dörfer ihre Dorfältesten behalten durften und es zudem eine eigene Polizei gab, war auch die Akzeptanz unter der chinesischen Bevölkerung hoch. Durch die Einführung einer Wasserversorgung nebst Kanalisation kam es zum Rückgang von Typhus und Ruhr; es gab ein chinesisches Krankenhaus und eine deutsch-chinesische Hochschule.

1914 genossen viele Europäer das Badeleben dort, Tsingtau war das „Ostende des fernen Ostens“. Bei der Mobilmachung gab es erst noch Hoffnung, dass die Schutzgebiete nicht in kriegerische Handlungen einbezogen würden, allerdings forderten die Japaner bereits am 15. August 1914 die Übergabe. Nach erbitterten Kämpfen wurde am 7. November 1914 die Kapitulation eingeleitet. Daraufhin wurde Tsingtau japanisch. Auch die Japaner hatten wie die Deutschen den Ehrgeiz, eine „Musterkolonie“ aufzubauen.

Der Autor schildert eindrucksvoll, wie trotz wechselnder Herren und politischer Systeme aus der Stadt mit 70000 Einwohnern im Jahre 1914 das heutige Qingdao wurde, ein Ballungsgebiet mit acht Millionen Einwohnern.

Ein ausführliches Kapitel widmet Prager den „Schiffen mit dem grünen Rumpf“ der Reederei Rick­­mers sowie der Reederei F. Laeisz, die anfangs noch mit Segelschiffen den Handel nach China aufrechterhielten, auf der Ausreise mit deutschen Manufakturwaren und bei der Heimkehr dann mit einer Ladung aus Tee, Seide und Porzellan an Bord. Die differenzierte Betrachtung der deutschen Herrschaft, die Hans Georg Prager durch in- und ausländische, auch durch chinesische Wissenschaftler belegt, zeigt, dass die Geschichte Tsingtaus bis 1914 im Spannungsfeld der „imperialistischen Aggression“, aber auch als „Musterkolonie“ durchaus positiv angesehen wird. Britta Heitmann

Hans Georg Prager: „Tsingtau/Qingdao. Deutsches Erbe in China“, Ares Verlag, Graz 2012, gebunden, 252 Seiten, 29,90 Euro


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