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21.04.12 / Der Kampf um den Südweststaat / Vor 60 Jahren entstand Baden-Württemberg – Vertriebene unterstützten die Staatsgründung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-12 vom 21. April 2012

Der Kampf um den Südweststaat
Vor 60 Jahren entstand Baden-Württemberg – Vertriebene unterstützten die Staatsgründung

Das sogenannte Musterländle Baden-Württemberg ist weniger das Ergebnis einer Vereinigung von Baden und Württemberg, denn vielmehr die Zusammenlegung dessen, was die Sieger- und Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg aus Südwestdeutschland gemacht hatten.

Denn, als das Bundesland Baden-Württemberg vor 60 Jahren gegründet wurde, waren Baden und Württemberg in der Fortsetzung des badischen Großherzogtums und des württembergischen Königreiches schon gar nicht mehr existent, vielmehr durch die Besatzungsmächte USA und Frankreich jeweils gespalten. Es spricht einiges dafür, dass diese Zerschlagung der Vorgängerstaaten überhaupt erst den Südweststaat möglich gemacht hat.

Zwar hatte es bereits in der Weimarer Zeit Bestrebungen zu einem Südweststaat gegeben, doch waren diese nie über das Stadium von Gedankenspielen herausgekommen. Auch die US-Amerikaner, die sich schon lange vor Ende des Zweiten Weltkrieges auf die Verwaltung Südwestdeutschlands vorbereitet hatten, wollten ursprünglich Baden und Württemberg als deutsche Länder und Verwaltungseinheiten unangetastet lassen. Doch dann kamen die Franzosen mit ihrem Wunsche, als Grande Nation an ihrer Grenze auch eine Besatzungszone zu haben. Gerne hätten die Franzosen Baden genommen, doch das wollten die US-Amerikaner nicht. Sie bestanden auf ihrem Hauptquartier in Heidelberg und aus logistischen Gründen auf der Autobahn von dort über Karlsruhe und Ulm nach Bayern, das ebenfalls zu ihrer Zone gehörte. So musste sich Frankreich mit dem südlich des Autobahnabschnitts Karlsruhe–Ulm liegenden Teil Südwestdeutschlands begnügen, der die Hauptstadt weder Badens noch Württembergs erhielt.

Die US-Amerikaner, eher pragmatisch als sensibel und geschichtsbewusst, schmolzen ihren Teil Südwestdeutschlands zu einem Land zusammen. Da sein württembergischer Landesbezirk bedeutender als sein badischer war, erhielt es den Namen Württemberg-Baden und die alte württembergische Metropole Stuttgart zur Hauptstadt.

Die Franzosen hingegen, geschichtsbewusst und traditionell an der Spaltung Deutschlands interessiert, beließen es bei der Teilung in Baden und Württemberg. So machten sie ihren Teil Badens zum Land Baden mit der Hauptstadt Freiburg. Nur vereinigten sie das preußische Sigmaringen, das durch die Auflösung des preußischen Staates herrenlos wurde, mit ihrem Teil Württembergs zum Land Württemberg-Hohenzollern mit der Hauptstadt Tübingen.

Die Württemberger waren sich einig, dass sie die Teilung in den US-amerikanisch besetzten Norden und den französisch beherrschten Süden möglichst schnell überwinden wollten. Ob dieses nun unter Einschluss von Badensern erfolgen würde oder nicht, war für sie zweitrangig.

Hinsichtlich Baden war die Interessenlage etwas komplizierter. Die Regierung des französisch besetzten Südbaden in Freiburg erstrebte die Wiedervereinigung mit dem US-amerikanisch beherrschten Nordbaden und lehnte den Zusammenschluss mit dem großen östlichen Bruder Württemberg aus traditioneller Sorge vor einem Verlust der eigenen Identität ab. Dieses war auch ganz im Interesse der französischen Besatzungsmacht, die an württembergischem Territorium kein Interesse hatte.

Nordbaden war in gewisser Hinsicht am spannendsten, denn dort war die Stimmung unentschieden. Im Norden Badens war die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung Badens und die Ablehnung einer staatlichen Einheit mit Württemberg geringer. Das hatte eine Reihe von Gründen. Zum ersten waren viele Teile Nordbadens erst vergleichsweise spät zu Baden gekommen, so dass der badische Lokalpatriotismus mit seiner antiwürttembergischen Spitze dort nicht so verankert war wie im Süden. Zum zweiten lebten in Nordbaden viele Protestanten, die sich ihren württembergischen Glaubensbrüdern mehr verbunden fühlten als ihren katholischen Landsleuten. Und zum dritten war vielen in Nordbaden das Hemd näher als der Rock. Ein gemeinsamer Staat mit dem reichen Nordwürttemberg wie es das Land Württemberg-Baden war, war materiell lukrativer als eine Wiedervereinigung mit dem traditionell armen und durch die französisch Besatzung noch ärmer gewordenen Südbaden.

Letztgenannter Gesichtspunkt war vor allem für die Flüchtlinge und Vertriebenen bedeutungsvoll. Ihnen war es ziemlich egal, wie das Land hieß, in dem sie mehr schlecht als recht untergekommen waren, und wo dessen Hauptstadt lag. Sie wollten, dass es materiell wieder bergauf ging. Sie hatten ihre Heimat verlassen müssen und in der Regel wenig Verständnis dafür, wenn heimatverbliebene Badenser auf hohem Niveau wehklagten, dass sie an der Seite Württembergs ihre Heimat verlieren würden. Diese Flüchtlinge und Vertriebenen spielten zahlenmäßig eine wichtige Rolle für die Meinungsbildung in Nordbaden, da viele von ihnen aufgrund der restriktiven Vertriebenenpolitik der Franzosen im US-amerikanisch verwalteten Nordteil Südwestdeutschlands gelandet waren.

Von ähnlich großer Bedeutung wie die Vertriebenen war für die Gründung Baden-Württembergs die Angst vor Frankreich. Es war diese Angst, die den starken Mann Nordbadens, den Präsidenten des Landesbezirks Baden Heinrich Köhler, vom Gegner zum Kämpfer für den Südweststaat werden ließ. Sein Trauma war ein Gesamtbaden, das Frankreich zu seinem Protektorat macht und genauso ausbeutet, wie es dieses seinerzeit mit Südbaden tat. Schutz schien ihm nur ein Zusammengehen mit Württemberg zu bieten oder wie er es formulierte: „Rettung nur durch Anschluss an größeren Verband, der widerstandsfähiger als kleinste und kleine Länder“. „Ist das Verrat?“, lautet seine rhetorische Frage, und er schickt die Antwort gleich hinterher: „Nein, Rettung des Volkes.«“

Nun war nur noch Südbaden gegen den Südweststaat. Da bei einer zwischenstaatlichen Einigung jedoch alle zustimmen müssen, spielten die Südweststaatsanhänger nun über Bande. So, wie heutzutage deutsche Politiker, wenn sie in Berlin für etwas keine Mehrheit bekommen, versuchen, über Brüssel eine entsprechende Vorgabe der EU zu erreichen, versuchten nun die Anhänger des Südweststaates ihr Ziel über Bonn zu erreichen. Sie erreichten ein Bundesgesetz, demzufolge die drei südwestdeutschen Staaten zu einem Bundesland zusammenzulegen waren, sofern sich denn bei einer Volksabstimmung sowohl im gesamten Abstimmungsgebiet als auch in mindestens drei der insgesamt vier Abstimmungsbezirke eine Mehrheit für die Vereinigung fand. Dabei bildeten die französisch besetzten Länder (Süd-)Baden und Württemberg-Hohenzollern sowie die Landesbezirke Baden und Württemberg je einen der vier Abstimmungsbezirke.

Die am 9. Dezember 1951 durchgeführte Abstimmung ergab eine Mehrheit für den Südweststaat im gesamten Abstimmungsgebiet und in allen Abstimmungsbezirken mit Ausnahme Südbadens. Damit waren die Bedingungen für die Gründung des Südweststaates erfüllt.

Vor 60 Jahren verkündete Reinhold Maier als der erste Regierungschef des neuen Südweststaates, den wir heute als Baden-Württemberg kennen: „Meine sehr verehrten Abgeordneten! Gemäß Paragraf 14 Absatz 4 wird hiermit der Zeitpunkt der Bildung der vorläufigen Regierung auf den gegenwärtigen Augenblick, nämlich auf Freitag, 25. April 1952, 12.30 Uhr festgestellt. Mit dieser Erklärung sind … die Länder Baden, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern zu einem Bundesland vereinigt. Meine Frauen und Männer! Gott schütze das neue Bundesland …“          Manuel Ruoff


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