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21.04.12 / Weben begleitete ihr Leben / Ostpreußisches Landesmuseum ehrt Irene Burchert mit Dauerausstellung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-12 vom 21. April 2012

Weben begleitete ihr Leben
Ostpreußisches Landesmuseum ehrt Irene Burchert mit Dauerausstellung

Zu den in der Landsmannschaft Ostpreußen stets besonders gepflegten Traditionen gehört das textile volkskundliche Vermächtnis. Seit 40 Jahren gibt es die Seminarreihe „Erhalten und Gestalten“, in der Techniken, Muster und Geschichte aus der ostpreußischen Tradition weiter vermittelt werden. Seit gut 60 Jahren werden die Traditionen der textilen Volkskunst gepflegt, also seit zwei Generationen. Zu den vielen Menschen, die sich für diese Arbeit eingesetzt haben, gehörte auch Irene Burchert, die diese Techniken mit Händen und mit dem Geist gepflegt hat.

Als Irene Grunwald am 7. Dezember 1923 im Dorf Tolnicken im Kreis Allenstein geboren, wuchs sie auf dem elterlichen Hof auf. Von dort ging sie im Rahmen der hauswirtschaftlichen Lehre zunächst auf die Landwirtschaftsschule in Allenstein mit dem Ziel, Landwirtschaftslehrerin zu werden. Weiter führte sie ihr Weg nach Lyck an die Webschule, die 1939 gegründet wurde. Was dort unter der Leitung von Bertha Syttkus gelernt und gelebt wurde, prägte sie für ihr ganzes Leben. Doch die Zeit in der Heimat fand gegen Ende des Zweiten Weltkrieges für Irene Grunwald ein jähes und schreckliches Ende. Sie wurde im Januar 1945 nach Sibirien verschleppt und musste gut vier Jahre in Tscheljabinsk und Kopeisk in Lagern zubringen, bis sie im April 1949 entlassen wurde und in den Westen Deutschlands gelangte. Sie heiratete, gründete eine Familie und kümmerte sich viele Jahre um Familie und Haus in Kühren bei Preetz/Holstein.

Die Zeit in Lyck auf der Webschule hatte Irene Burchert nicht vergessen. Schon bald nach 1949 nahm sie wieder Verbindung zu ihrer einstigen Lehrerin Bertha Syttkus auf, die inzwischen eine Weberei in Osnabrück aufgebaut hatte. Auch sie hatte nichts mitnehmen, nichts retten können aus Ostpreußen als ihr Wissen, ihr Können und ihre Liebe zu den textilen Traditionen des heimatlichen Landes. Aus diesem Schatz teilte sie gern mit, organisierte die Trachtenarbeit in der entstehenden Landsmannschaft Ostpreußen und hielt Seminare ab. In diese Arbeit gab sich auch Irene Burchert ein, nachdem die sonstige Arbeit im Haus nicht mehr ihre ganze Zeit beanspruchte.

Anfang der 1970er Jahre übernahm sie einen Webstuhl aus der stillgelegten Weberei Syttkus und begann darauf zu arbeiten. Stoffe für Trachten, für Decken und andere dekorative Textilien entstanden. Sie arbeitete Doppelgewebe und Jostenbänder in ostpreußischer Tradition. Schließlich wurde sie auch eine wesentliche Stütze landsmannschaftlicher Kulturarbeit auf Messen und in den Seminaren. Sie setzte fort, was Bertha Syttkus altersbedingt nicht mehr allein schaffen konnte. In ihrem Haus in Kühren war nicht nur ihre eigene Werkstatt eingerichtet, hier unterrichtete sie auch Schülerinnen. „Webstube Lyck im Haus Allenstein“ nannte sie diese Einrichtung. Besonders erwähnt werden muss noch das Engagement von Irene Burchert im Ostpreußischen Landesmuseum. Fast 20 Jahre lang war sie immer wieder seit 1990 dort zu Webvorführungen, Seminaren in Bandweben für Kinder und Erwachsene sowie jeweils Anfang November auf dem Museumsmarkt dort. Ein Höhepunkt ihrer Arbeit für die ostpreußische textile Volkskunst war sicherlich die von ihr wesentlich mit gestaltete Ausstellung „Textile Volkskunst Ostpreußens“. Nicht zuletzt lebte diese Veranstaltung von ihren ausstellungsbegleitenden Aktivitäten und einer Reihe schöner Leihgaben aus der privaten Sammlung Irene Burcherts.

Bleibendes Zeugnis der intensiven Sammel- und Dokumentationsarbeit ist das 2003 veröffentlichte Buch von Irene Burchert: Textile Volkskunst Ostpreußen. Es steht in seiner Art bislang einzig da und zeugt von dem umfangreichen Wissen und der Liebe seiner Autorin zu diesem Teil der Kulturgeschichte ihrer Heimat, der sie lebenslang verbunden blieb. Ihre größte Liebe und Freude blieb dann beim Weben, zuletzt auch beim Doppelgewebe. 2007 konnte  Irene Burchert noch einen kleineren Band über ostpreußische Jostenbänder vorlegen. Er ist ganz der praktischen Arbeit gewidmet und belegt eigentlich das Feld, in dem die Verfasserin ungezählten Menschen, älteren und vor allem auch jungen, durch Anleitung und Vorbild die Liebe zu dieser Handarbeitstechnik und den Inhalten ihrer Gestaltung vermitteln konnte.

Am 18. Juni 2011 starb Irene Burchert. Ihre vielen Arbeiten in Privatbesitz erinnern an sie im In- und Ausland. Ihre Sammlung gelangte ins Ostpreußische Landesmuseum, in dem schon seit Jahren ihr großer Webstuhl in der Dauerausstellung steht und an die textile Volkskunst Ostpreußens ebenso erinnert wie an alle jene, die in Jahrzehnten daran mitgewirkt haben, dass dieses Kulturgut weiterlebt.        Jörn Barfod


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