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28.04.12 / Dicht am Menschen / Moral und Menschenwürde spielen in Arno Surminskis neuem Roman eine tragende Rolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-12 vom 28. April 2012

Dicht am Menschen
Moral und Menschenwürde spielen in Arno Surminskis neuem Roman eine tragende Rolle

In den 80er Jahren begeisterte die Verfilmung seines in Ostpreußen spielenden Debütromans Millionen deutsche Fernsehzuschauer. Bis heute prägt das Land seiner Geburt Arno Surminskis Werke. Und auch in seinem neuen Roman spielt Ostpreußen eine, wenn auch nur kleine Rolle.

„Gegen Mittag setzten die Wehen ein. Da Steputat eines der drei Telefone besaß, die es im Dorf Jokehnen gab, konnte er selber die Hebamme in Drengfurt anrufen, die einzige, die in der kleinen Stadt und den umliegenden Dörfern die Kinder ans Licht der Welt brachte, sofern die Klapperstörche sie nicht aus den zahlreichen Poggenteichen der Umgebung fischten.“ Und: „Im dunkelsten aller Monate geriet der 13. zum düstersten aller Tage. Die Sonne verschlief das Aufgehen, um drei Uhr nachmittags versank sie hinter den Wolken … Am Abend radelte Hanna in guter Stimmung vom Rechthaus der Universität in die östliche Vorstadt, die einst preußisch gewesen war …“ Fast vier Jahrzehnte liegen zwischen den beiden Romananfängen von Arno Surminski. „Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland?“ wurde 1974 veröffentlicht, „Tod eines Richters. Roman über ein ungewolltes Kind“ vor wenigen Wochen. So verschieden die beiden Werke auf den ersten Blick sind, so beruhen sie doch beide auf persönlichen Erfahrungen des 1934 im ostpreußischen Jäglack geborenen Autors. In dem einen Werk verarbeitete er seine Kindheit in Ostpreußen und in dem anderen seine Tätigkeit als Angestellter in der Rechtsabteilung einer Hamburger Versicherungsgesellschaft.

Zu Surminskis Stärken gehört, dass er immer dicht an den normalen Menschen und ihrem Leben ist. Leider ist das wohl auch ein Grund, dass er in der deutschen Literaturszene in der zweiten Reihe steht. Selbst wenn Surminski einen Preis erhält, so hat sein ostpreußischer Landsmann Siegfried Lenz diesen meist Jahre vor ihm bereits erhalten. Dabei sind Lenz’ Werke meist schwer zugänglich und sprachlich sperriger als Surmin-skis. Und auch die ebenfalls in Ostpreußen geborene, bereits verstorbene Marion Gräfin Döhnhoff und der aus Danzig stammende Literaturnobelpreisträger Günter Grass spielen vermutlich gerade wegen ihrer Egozentrik und Abgehobenheit laut offizieller Literaturkritik eine Liga über Surminski.

Was aber nicht heißt, dass Surminski seinen Lesern keine anspruchsvolle Literatur böte. Gerade in seinem neuesten Werk „Tod eines Richters“ dreht sich alles um Moral und Menschenwürde. Hauptfigur Hanna Bohra bekommt am 13. Dezember 1999 einen merkwürdigen Anruf. „Ihr Vater ist soeben gestorben … Er liegt auf dem Teppich und atmet nicht mehr“, teilt ihr jemand ohne seinen Namen zu sagen mit. Nach einigen Irritationen muss Hanna dann feststellen, dass der Mann am Telefon Recht hatte. Allerdings schließt die Polizei einen Mord aus und weigert sich Ermittlungen wegen des Anrufers und zwei verschwundenen Gegenständen aus dem Haus des Vaters aufzunehmen. Hanna und ihr Bruder schalten einen Detektiv ein und der hat gleich mehrere Richtungen, in die er ermittelt.

Surminski gelingt es, spannend weit über den Handlungsverlauf hinaus, sich der Frage anzunehmen, welche Rolle Richter in der Gesellschaft eigentlich spielen und welche Funktion sie wahrnehmen. Jedes Kapitel beginnt mit dem Zitat einer berühmten Persönlichkeit. „Es ist sehr gefährlich, in Dingen Recht zu haben, in denen große Leute sich irrten“ wird Johann Wolfgang von Goethe zitiert. Oder Albert Camus: „Wir beginnen mit der Gerechtigkeit und gründen schließlich einen Polizeistaat.“ Aber auch Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Und so führt der „Tod eines Richters“ den Leser nicht nur zur Todesursache des Richters Bohra, sondern auch durch ein Stück Rechtsgeschichte. Da Bohra seinen Beruf in der DDR erlernt hatte, bevor er gen Westen flüchtete, gibt es für den Detektiv interessante Fährten, die gen Osten führen. Aber auch seine Urteile in Haftpflichtfällen haben potenzielle Täter mit Motiven geschaffen. Allerdings liefert Surminski bereits im Titel eine Spur: „Roman über ein ungewolltes Kind“. Doch was hat die Schwangerschaft einer in den 70er Jahren sterilisierten Ostpreußin mit dem Tod des Richters zu tun?

Und während der Autor wichtige Themen anspricht und indirekt die aus den USA stammende Sitte, extreme Entschädigungssummen vor Gericht zu erstreiten, kritisiert, webt er eine zarte Liebesgeschichte in seinen Roman mit ein, so dass dieser schwere Themen leichtfüßig daherkommen lässt. Einzig das Ende der Liebesgeschichte weckt Widerspruch, wobei Surminski auf PAZ-Anfrage das Ende mit der Anmerkung verteidigt hat, dass Liebe schließlich viele Hürden überwinden könne. Rebecca Bellano


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