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28.04.12 / Erste Anlaufstelle im Vogtland / Hof widmet dem Thema »Flucht und Vertreibung« in einem eigens geschaffenen Museumsanbau eine Ausstellung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-12 vom 28. April 2012

Erste Anlaufstelle im Vogtland
Hof widmet dem Thema »Flucht und Vertreibung« in einem eigens geschaffenen Museumsanbau eine Ausstellung

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Hof zur ersten Anlaufstation für unzählige Menschen, die im Zuge von Flucht, Vertreibung oder Zwangsumsiedlung ihre Heimat in den deutschen Ostgebieten verloren hatten. Die Hofer Bevölkerung wuchs durch den dauerhaften Zuzug von etwa 15000 Heimatvertriebenen um nahezu ein Viertel. Durch ihre mitgebrachten heimatlichen Traditionen wie auch ihre individuellen Fähigkeiten prägten diese die Entwick-lung der Stadt in der Nachkriegszeit entscheidend mit.

Im öffentlichen Bewusstsein war dieser für Hof so bedeutende Aspekt der Zeitgeschichte inzwischen jedoch nur noch wenig präsent. Das städtische Museum Bayerisches Vogtland widmet sich deshalb dem Thema „Flüchtlinge und Vertriebene in Hof“ im Rahmen einer wissenschaftlich fundierten und zeitgemäß gestalteten neuen Abteilung seiner Dauerausstellung. Auf drei Ebenen eines in den letzten zwei Jahren aufwendig sanierten Museumsanbaus werden mehr als 400 für das Thema einschlägige Exponate von einmaligem historischen Wert präsentiert. Im Zuge der baulichen Maßnahmen erhielt das Museum außerdem einen neuen, modern ausgestatteten Eingangsbereich mit Café und Museumsshop.

Kuratorin Stefanie Menke konzipierte in Hof eine besondere Ausstellung: Sie zeigt anhand persönlicher Gegenstände das Schicksal der Menschen, die in Hof gelandet sind, und stellt damit exemplarisch die Geschichte von insgesamt 14 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen sowie ihre Integration in Westdeutschland dar. Die Museumserweiterung kostete gut 2,5 Millionen Euro. Sie wurde vom Freistaat sowie aus EU-Mitteln kofinanziert. Förderer sind zudem die Hermann und Bertl Müller-Stiftung, die Oberfrankenstiftung, der Kulturfonds Bayern und die Landesstelle für nichtstaatliche Museen.

Die Ausstellung stellt exemplarisch am Beispiel der Hofer Region die Geschichte der Ankunft und Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen in Westdeutschland dar. Sie informiert allgemein verständlich über die Ursachen und Abläufe von Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung. Der Stellenwert der Ereignisse innerhalb des kulturellen Gedächtnisses der Bundesrepublik wird gezeigt. Die bayernweit einzigartige und weit über die Region hinaus bedeutende Ausstellung zeichnet sich durch eine Herangehensweise aus, die verschiedene Blickwinkel bietet. Auf eine gründliche Ausleuchtung des noch immer kontroversen Themas in seinen unterschiedlichen Facetten wird besonderer Wert gelegt. An zahlreichen Multimedia-Stationen mit Bild- und Tondokumenten werden die Besucherinnen und Besucher selbst tätig und können sich aktiv mit den Inhalten der Ausstellung auseinandersetzen.

Von Flucht und Vertreibung infolge des Zweiten Weltkrieges sind bis zu 14 Millionen Deutsche betroffen. Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung der Deutschen aus dem östlichen Europa gehen mit Willkür und Gewalt einher. Ab Herbst 1945 folgten bis etwa 1950 von staatlicher Seite „geregelte“ Vertreibungen, oft mit vorheriger Internierung in einem Lager.

Die Ausstellung zeigt Gegenstände, die bei der Flucht oder Vertreibung benutzt wurden, seien es Fahrzeuge wie Hand- oder Kinderwagen sowie die hölzernen Transportkisten für die wenigen persönlichen Habseligkeiten, die mitgenommen werden durften.

Dazu wird beschrieben, wie Kirchen und Behörden die Flüchtlinge nach der Aufnahme im Lager weiter betreuten, die weitere Verteilung auf umliegende Städte und Landkreise organisierten und das Lager menschenwürdig herrichteten. Beispielhaft wird hier das Lager Hof-Moschendorf, das größte der sechs bayerischen Grenzdurchgangslager, beschrieben. In dem Barackenlager auf dem Gelände der Porzellanfabrik Moschendorf waren während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiter untergebracht, ab 1944 war es Außenstelle des Konzentrationslagers Flossenbürg. Nach Kriegsende für die Weiterleitung von Flüchtlingen verwendet, trafen dort ab Ende 1945 ständig Aussiedler und Flüchtlinge aus der Sowjetzone ein. Ein Schulbesuch war im Lager ab 1947 möglich, ebenso wurde eine Lagerkirche gebaut, in der 1948 die ersten Kinder zur Erstkommunion gingen. Ab dieser Zeit erfolgte der dorfähnliche Ausbau. Bis 1950 wurden rund 600000 Menschen durch das Lager geschleust. Erst 1953 begann die allmähliche Auflösung des Lagers, die 1960 beendet wurde.

Im Museum ist eine 20 Quadratmeter große beispielhafte Einraumwohnung für Flüchtlinge aufgebaut. Dazu wird neben der beginnenden Wohnbebauung die wirtschaftliche Aufbauleistung der Neubürger anhand von Firmenporträts dargestellt. Hier seien beispielhaft die Spirituosenfabrik Richter, verschiedene Porzellan- und Handschuhmanufakturen sowie auch der bekannte Landkartenverlag Fritsch genannt, die sich mit fleißiger Arbeit einen guten Ruf erwerben konnten. „Die Flüchtlinge, die zuerst ein unüberwindliches Hindernis auf dem Weg der Bundesrepublik zu sein schienen, waren zugleich eine große Belastung und eine wunderbare Entwicklungskraft für die deutsche Wirtschaft“, schrieb Alfred Grosser, der deutsch-französische Publizist und Politikwissenschaftler rückblickend im Jahre 1970.

Weitere Themen sind der Lastenausgleich, die Währungsreform, die Patenschaften für die zugezogenen Volksgruppen. Heimatblätter der Volksgruppen, Trachten, auch Gläser mit Heimaterde, historische Druckwerke und Bücher der Neuzeit über die Heimat, Erinnerungsbriefmarken, historische Plakate über geschichtliche interessante Filme wie „Nacht fiel über Gotenhafen“ oder „Ännchen von Tharau“ sowie einzelne Erinnerungsstücke wie ein Kleiderbügel aus Mohrungen, Kinokarten aus Marienburg und eine Bierflasche der Brauerei Bütow runden die Ausstellung ab. M. E. Fritsche

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Museum Bayerisches Vogtland, Sigmundsgraben 6, 95028 Hof, Telefon (09281) 815 2700. Eintritt 2,50 Euro.


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