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28.04.12 / Dem Tod ausgeliefert / Niederländer sucht nach verschollener Geliebter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-12 vom 28. April 2012

Dem Tod ausgeliefert
Niederländer sucht nach verschollener Geliebter

Es endete mit einer schmerzhaften Bitte: „Versprich mir, dass du noch heute abreist, du bringst mich in Gefahr, wenn du bleibst.“ Wie könnte man jemandem, den man liebt, diesen auf so spezielle Weise formulierten Wunsch abschlagen?

Der Roman „Julia“ des niederländischen Schriftstellers Otto De Kat handelt von der Liebe. Es handelt sich jedoch um eine schmerzhafte Liebe, weil sie zwar beidseitig war, aber dennoch unerfüllt bleiben sollte. Im Jahr 1938 arbeitet Christaan Dudok, Sohn eines holländischen Unternehmers, vorübergehend in einer Lübecker Firma und lernt dort die Ingenieurin Julia kennen. Kaum, dass der verliebte Chris sich seine Liebe zu der unkonventionellen Julia eingestanden hat, schickt sie ihn auch schon fort. Ihr Bruder, der sich durch regimefeindliche Schauspielerei bei den Nationalsozialisten in Verruf gebracht hat, gefährdet nun auch das Leben seiner Schwester. Nach der Reichspogromnacht nimmt Julia dem verwirrt verliebten Chris ein folgenschweres Versprechen ab. „,Versprich mir, dass du noch heute abreist, du bringst mich in Gefahr, wenn du bleibst.‘ Ihr letzter Trumpf: Du bringst mich in Gefahr, wenn du bleibst. Pathos des Augenblicks oder wirklich Bedrohung? Warum hatte er gehorcht, warum war er nach Hause gefahren? Diese Frage war ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen, nie mehr. Die Antworten, die er sich zurechtlegte, wechselten ständig, aber keine stellte ihn zufrieden.“

Einige Jahre nachdem der Krieg vorbei ist, reist Chris zur Messe nach Frankfurt. Seine Firma daheim läuft gut und viele Geschäftstermine erwarten ihn. Auf der Messe trifft er seinen ehemaligen Chef von den Lubecawerken aus Lübeck wieder und trifft sich mit ihm. Was der unglückliche Geschäftsmann an diesem Abend erfährt, soll dafür sorgen, dass sein ohnehin ruheloser Geist auch noch von Schuld belastet wird. Doch jede Reue kommt zu spät.

„,Sie waren ihr Geliebter Herr Dudok?‘ Er fragte es, als kenne er die Antwort bereits. Chris nickte, blieb stumm. Eine sehr direkte Frage, eine schwierige Frage. War er ihr Geliebter gewesen, durfte er sich so nennen? Ein paar Stunden, einen Sommer lang, Monate der Vorbereitung. Geliebter, ein Glanz umgab dieses Wort, er hätte es nicht auszusprechen gewagt, Knollenberg tat es. ,Haben Sie ihr denn nicht geschrieben, haben Sie sie nicht gesucht oder sie nicht erreicht, hatten Sie nichts abgesprochen?‘ Die Rollen schienen vertauscht zu sein, Knollenberg stellte Fragen, beinah vorwurfsvoll, und Chris musste antworten. Er konnte nicht.“

Otto De Kat ist es gelungen, dem Leser in der Kürze dieses Romans einen Mann vorzustellen, der durch Tatenlosigkeit und einem Mangel an Entschlusskraft dazu verdammt ist, nie wieder glücklich zu sein. Durch die geringe Anzahl an weiteren Personen in dem Roman steht das Schicksal von Christaan Dudok klar im Fokus der Geschichte. Lediglich eine verpasste Möglichkeit oder ein verpasstes Leben? Wie ein roter Faden zieht sich diese Frage durch den Roman.

Mit „Julia“ ist Otto De Kat ein wirklich schöner, eindringlicher Roman voller Schwermut über unwiderrufliche Versäumnisse gelungen. Vanessa Ney

Otto De Kat: „Julia“, Insel Verlag, Berlin 2011, broschiert, 169 Seiten, 7,99 Euro


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