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05.05.12 / Fiskalpakt wird unterhöhlt / EU-Regierungschefs entwickeln zahlreiche Strategien, um strenges Sparen zu vermeiden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-12 vom 05. Mai 2012

Fiskalpakt wird unterhöhlt
EU-Regierungschefs entwickeln zahlreiche Strategien, um strenges Sparen zu vermeiden

Im deutschen Bundestag ist der Rettungsschirm ESM noch nicht einmal ratifiziert, da beginnen hinter den Kulissen bereits Verhandlungen über gravierende Veränderungen. Entgegen den bisherigen deutschen Vorstellungen soll der ESM nun nicht nur Kredite an Staaten geben dürfen, sondern auch direkt marode Banken stützen.

Der Unterschied ist gravierend. Bisher lautet die Voraussetzung für eine deutsche Zustimmung zum ESM, dass Geld aus dem Rettungsfonds nur gezahlt wird, wenn im Gegenzug ein Spar- und Reformprogramm aufgelegt wird. Fließt das Geld direkt an die Banken, dann entfällt dieser Druck auf die betroffenen Regierungen. Die bisherige Regelung, die Zweifel am ESM bei den deutschen Steuerzahlern und den Abgeordneten im Bundestag ausräumen sollte, wäre damit durch die Hintertür ausgehebelt. Deutschland hätte wieder einmal eine Position geräumt.

Damit nicht genug. Risiken des Banksektors werden aus der nationalen Verantwortung genommen und den europäischen Steuerzahlern aufgebürdet. Für die so entlasteten Regierungen ergibt sich noch ein Nebeneffekt. Da die nationalen Haushalte nicht mit der Bankenrettung belastet werden, sind die Ausgabespielräume größer. Der Druck, zu sparen und Reformen voranzubringen, wird damit nochmals vermindert. So ist es kein Wunder, dass sich insbesondere Spanien und Irland für die Aufgabenerweiterung des ESM stark machen.

Wie prekär die Lage der spanischen Banken ist, wird an den Ausleihungen der EZB deutlich. Von insgesamt 361,7 Milliarden Euro, die im März von der EZB verliehen wurden, gingen allein 227,6 Milliarden Euro an spanische Banken. Fast parallel zu den neuen Begehrlichkeiten in Bezug auf den ESM wird der Europäische Fiskalpakt, die Vereinbarung über die Einhaltung von Haushaltsdisziplin, immer mehr zur Makulatur.

Vieles spricht dafür, dass der Fis-kalpakt im Vorfeld der Ratifizierung des künftigen Rettungsfonds ESM den gleichen Zweck wie die sogenannten „Maastricht-Kriterien“ vor Einführung des Euro erfüllen soll. Die deutschen Steuerzahler sollen im Hinblick auf Risiken ruhig gehalten werden. Im Gegensatz zum Maastrichtvertrag wird der Täuschungsversuch allerdings schon relativ schnell erkennbar. Der spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy hat bereits unmittelbar nach Unterzeichnung des Fiskalpaketes deutlich gemacht, dass Spanien sich nicht an die Vereinbarung halten wird. In Frankreich hat Präsident Nicolas Sarkozys Herausforderer François Hollande neben großzügigen Wahlversprechen auch bereits Nachverhandlungen zum Fiskalpakt angekündigt. In Griechenland ging der ehemalige Finanzminister Evangelos Venizelos als neuer Chef der Pasok-Partei damit auf Stimmenfang, dass er sich für eine Aufschiebung der Reformen aussprach, die mit der EU eigentlich vereinbart sind. Ob sich die Niederlande und Tschechien nach Überwindung der aktuellen Regierungskrisen oder Irland und Estland nach angekündigten Verfassungsklagen noch an den Fiskalpakt gebunden fühlen, steht ebenso in den Sternen. Als nahezu sicher gelten kann lediglich, dass im Mai die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sich mit breiter Mehrheit für den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM aussprechen werden.

Dass die Abgeordneten die vorhandenen Risiken des ESM tatsächlich einschätzen können, darf bezweifelt werden. Die eingegangen Verpflichtungen beim ESM könnten indes schon bald fällig werden. Eskalieren könnte die Lage an den Finanzmärkten bereits nach dem europäischen „Super-Wahltag“ am 6. Mai. Nicht nur die Griechen gehen für die Parlamentswahlen an die Wahlurne, sondern in Frankreich findet die Stichwahl zum Präsidentenamt statt. Sollte Herausforderer Hollande (Sozialisten) gegen Amtsinhaber Sarkozy gewinnen, dann könnte sich leicht wiederholen, was sich bereits nach der Wahl von François Mitterand im Jahr 1981 ereignet hatte. Nach dem Wahlsieg des Sozialisten fiel die Pariser Börse erdrutschartig um 18 Prozent. Eine ähnliche Reaktion heutzutage würde auf hochnervöse Märkte treffen.

Wie nahe das Weltfinanzsystem zum Ende des letzten Jahres erneut vor dem Kollaps stand, wird erst jetzt anhand von Zahlen deutlich, die nun von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der „Zentralbank der Zentralbanken“, veröffentlicht wurde. Demzufolge scheinen Gerüchte, die von August bis November 2011 kursierten, dass eine französische Großbank kurz vor dem Zusammenbruch stehe, einen realen Hintergrund gehabt zu haben. Aus den Zahlen der BIZ geht hervor, dass französische und belgische Banken im letzten Jahr tatsächlich innerhalb kurzer Zeit Liquidität im Volumen von 100 Milliarden Euro verloren hatten. Gerettet wurden die Banken und auch die Staatsfinanzierung Frankreichs, Italiens und Spaniens durch Kredite der EZB über eine Billion Euro für Europas Banken im Zuge zweier Langzeitausleihungen (LTRO) – de facto also durch das Anwerfen der Notenpresse. Norman Hanert


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