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05.05.12 / Schmutzige rote Wäsche / In der Berliner SPD tobt ein Machtkampf mit äußerst unappetitlichen Begleiterscheinungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-12 vom 05. Mai 2012

Schmutzige rote Wäsche
In der Berliner SPD tobt ein Machtkampf mit äußerst unappetitlichen Begleiterscheinungen

Ein innerer Machtkampf in Berlins SPD zeigt Politik als schmutziges Geschäft: Die Parteilinke und die Immigrantenlobby greifen nach der Macht in der Landespartei. Ihr Ziel sind der Landesvorsitzende und Stadtentwick-lungssenator Michael Müller sowie das Ende der Koalition mit der CDU. Bürgermeister Klaus Wowereit hält sich im Hintergrund.

Wochenlang ist der Politiker Müller (47) Opfer nächtlicher Attacken auf seine Privatwohnung in Form von Dauerklingeln, Eierwürfen und Farbschmierereien. Viele Parteimitglieder gehen davon aus, dass linke Parteifreunde hinter dem Kleinkrieg stecken, denn Müller kandidiert erneut für den Posten des Landesvorsitzenden der Berliner Sozialdemokraten. Im Juni ist die einflussreiche Stelle neu zu besetzen. Müller droht als bisherigem Inhaber eine Niederlage, denn eine Gruppe um den Parteilinken Jan Stöß (38) organisiert bereits neue Mehrheiten.

Der gebürtige Niedersachse Stöß ist Sprecher des linken SPD-Flügels, organisiert in der „Berliner Linken“, und kritisiert die eigene Partei ebenso wie den Senat aus SPD und CDU: „Mich ärgert es, dass da so lange nichts passiert ist“, klagte er jüngst. Die Zeichen in der Partei stehen auf Kampf.

Parteilinke können auf reichlich Unterstützer hoffen: In der SPD-Arbeitsgruppe „Migration“ wählten die zahlreich zur jüngsten Vollversammlung erschienenen jungen Parteilinken den langjährigen Vorsitzenden Ülker Radziwill ab. Zu der allen Parteimitgliedern offen stehenden Versammlung erschienen ungewohnt viele und vor allem viele neue Teilnehmer, darunter große Gruppen aus Spandau, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Neukölln. Stöß ist Vorsitzender des Bezirksverbands Fried-richshain-Kreuzberg. Zum neuen Landeschef des einflussreichen Migranten-Gremiums machten die Anwesenden Aziz Bozkurt, Mitinitiator der „Berliner Erklärung“ gegen das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin. Bozkurt forderte kürzlich im Internetportal „Vorwärts“: „Die SPD muss die Speerspitze für das neue vielfältige Deutschland sein!“, und entdeckte neue „Verrohungstendenzen in der Mittelschicht“ bei der „Abwertung ethnischer Minderheiten“.

Verrohungstendenzen im linken Parteiflügel sind indes der vermutete Grund für die Angriffe auf Müller, die möglicherweise auch mit einem kürzlich erfolgten Einbruch in seine Wohnung in Verbindung stehen. Die Einbrecher hatten es vor allem auf die tragbaren Computer in der Hochhauswohnung abgesehen. Laut Polizei fiel jedenfalls das Fehlen von Einbruchsspuren auf, ebenso eine von den Tätern vor Ort verteilte unbekannte Flüssigkeit. Müller hatte unmittelbar vorher angekündigt, seinen Landesvorsitz nach acht Jahren erneut gegen andere Kandidaten verteidigen zu wollen.

Die Flügelkämpfe der Berliner Sozialdemokraten nehmen unterdessen noch an Schärfe zu. Müllers Rivale Raed Saleh (34) beerbte ihn als SPD-Fraktionschef und sammelt nun Unterstützer für einen deutlich senatskritischen Kurs. Mit Saleh folgt Müller ein „annähernd unbekannter Spandauer Abgeordneter“, so die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Saleh gilt als Parteilinker und zugleich als schärfster Konkurrent für Stöß bei dessen Griff nach dem Landesvorsitz.

Der Zorn auf das Scheitern rot-grüner Koalitionsträume reicht im linken Flügel indes noch weiter als jede Rivalität. Dieser Groll gärt unterschwellig weiter. Müller stecke zu tief im rot-schwarzen Senat, um das Profil der Partei schärfen zu können, argumentiert die Parteilinke hingegen öffentlich. Der Angegriffene entgegnet, ihm gehe es um „realistische, aber ambitionierte und gestaltende Politik“, kurzum eine Weiterführung der Koalition, auch habe Stöß wie manche andere Kritiker selbst hohe Posten inne.

Bürgermeister Klaus Wowereit hält sich in dem Streit zurück: „Ich unterstütze Michael Müller als Parteivorsitzenden.“ Weiter ging er nicht auf den aktuellen internen Machtkampf um die Parteiführung ein. Seine Rolle als Regierender Bürgermeister erfordere dies, so Wowereit: „Ansonsten werde ich mich nicht öffentlich in parteiinterne Angelegenheiten einmischen und auch nicht äußern.“ Das ist zumindest ungewöhnlich, zielen doch beide Streitparteien auf das Ende beziehungsweise den Fortbestand der Koalition, was Wowereit äußerlich kalt lässt.

Die Parteilinke wertet das als Zeichen der Schwäche und versucht sich nun für die Zeit nach Wowereit in Stellung zu bringen. Demütigte Wowereit Saleh beim Thema Mindestlohn kürzlich öffentlich, als er dessen 8,50-Euro-Marke beim Stundenlohn kippte, verstärkt dies doch die Kampfansage der Linken umso mehr. Ihre Botschaft heißt: Wenn Wowereit geht, ist Müller als Spitzenkandidat Geschichte.

Der Aufstand des linken Flügels der Hauptstadt-Sozialdemokraten greift nach mehr als ein paar Posten, er entfaltet den Zorn der zu kurz Gekommenen. Wowereit holte sich schließlich lieber Experten wie den parteilosen Finanzsenator Ulrich Nußbaum, statt auf Personal aus parteiinterner Anzucht zurückzugreifen. Unabhängig davon, wie der Machtkampf ausgeht, hat Berlins SPD damit immerhin bewiesen, dass ihrem Nachwuchs selbst aus den Reihen eigener erfahrener Politiker wenig zu trauen ist – ein Armutszeugnis. Sverre Gutschmidt


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