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05.05.12 / Zwischen den Fronten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-12 vom 05. Mai 2012

Zwischen den Fronten

Eines ihrer ersten Bücher, der 1937 erschienene Roman „Mohrenlegende“, wurde von den Nationalsozialisten als „katholisches Machwerk“ verfemt – nach dem Krieg wurde das Buch dann als „rassistisch“ verurteilt. Die am 8. Mai 1912 in Pilsen geborene Gertrud Fussenegger lebte ab 1961 in Leonding bei Linz. Zuvor hatte sie in München und in Tirol gelebt.

Die Tochter eines k. u. k. Offiziers studierte in Innsbruck und München Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie. 1934 wurde sie zum Dr. phil. promoviert. Ihr schriftstellerischer Nachlass befindet sich heute im Stifterhaus in Linz, in dem das Oberösterreichische Literaturarchiv eine Heimat fand. Fussenegger schrieb mehr als 60 Bücher, darunter vor allem historische Romane, Gedichte und Feuilletons. Ihre Werke wurden in elf Sprachen übersetzt und von 25 Verlagen veröffentlicht. Zeitlebens musste die Sudetendeutsche allerdings gegen Vorurteile kämpfen. Kritiker warfen ihr vor, sich nicht allzu deutlich vom damaligen Regime distanziert zu haben. Ihre Romane mögen heute für junge Leser ein wenig schwülstig zu lesen sein. Ihr Anliegen jedoch, die Rückbesinnung auf die kulturelle Herkunft, ist wichtiger denn je.

Man sagte Gertrud Fussenegger gern nach, sie wüsste nur sogenannte Familienromane zu schreiben. Blättert man jedoch in ihren „Berliner Notizen“ von 1962, dann findet man in Fussenegger die genaue Beobachterin, die Journalistin, die mit spitzer Feder und schönen Worten all das festhält, was sie sieht und was sie fühlt: „Siehe da“, schreibt sie über ihren ersten Besuch in Ostberlin 1956, „die Universität ist neu aufgebaut, sauber und mit Geschmack restauriert; auch das Zeughaus, auch Schinkels Wache. Doch sie stehen da wie verwaist, abgestellt und vergessen, der Geist ist ausgezogen, der, der sie schuf, und hat einem anderen Platz gemacht. Sein Atem: Steppenwind. Er hat die Menschenströme versickern lassen, die sich hier bewegten. Er hat die Fahrbahnen leergeblasen. Er klirrt trostlos im kahlen Geäst der Bäume. Er hat sich auch hinter den Scheiben der wenigen Schaufenster eingenistet und zeigt sich in einem Angebot, bei dem auch der bescheidenste Anspruch auf Schönheit, Anmut, Annehmlichkeit ausgeklammert ist. Zeichen der Armut? Auch. Aber Armut hat mich nie erschreckt. Ich halte sehr wenig davon, dass Menschenwürde und -glück nur im Luxus und zwischen erlesenen Dingen gedeihen. Aber was hier ausliegt – ob Bücher und Musikalien, Kleider oder Geschirr –, ist so trostlos hässlich, so konsequent erbärmlich, dass ich es nur als Chiffre ablesen kann einer einzigen langen Lektion, die hier erteilt wird, einer endlosen Absage an das, was Europa ist und war oder wieder werden möchte: freundliches Menschenland. Das war es doch auch hier, ehe die nationale Hybris ausbrach – und dann – der Steppenwind.“

Die vielfach mit Preisen ausgezeichnete große alte Dame der erzählenden Literatur Gertrud Fussenegger starb am 19. März 2009 im Alter von 96 Jahren in Linz. Silke Osman


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