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05.05.12 / Balsam fürs Ego: »Selbstheirat« / Medien und Feministinnen feiern hochzeitsähnliche Gelöbnisse ans Selbst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-12 vom 05. Mai 2012

Balsam fürs Ego: »Selbstheirat«
Medien und Feministinnen feiern hochzeitsähnliche Gelöbnisse ans Selbst

Die USA sind das Land feierlicher Gelöbnisse und öffentlicher Schwüre. Nach Treueschwur und zerknirschtem Reuebekenntnis kommt nun der neueste Trend: die Selbsthochzeit.

Hochzeiten inspirieren Menschen zu Ungewöhnlichem: In Großbritannien brachte jüngst ein elfjähriger Hund nicht nur die Ringe zum Altar, „Snoopy“ wirkte auch offiziell als Trauzeuge. Das Tier sprang für einen verhinderten Menschen ein und der Pfarrer der Vereinigten Reformierten Kirche hatte nichts dagegen. Die Taiwanesin Chen Wei Yi verzichtete hingegen 2010 nicht nur auf Trauzeugen, sondern gleich noch auf einen Partner bei ihrer Hochzeit. Die damals 30-Jährige heiratete sich selbst in einer Trauzeremonie im Hotel, zu der immerhin 30 Gäste geladen waren. „Wir müssen uns selbst lieben, bevor wir andere lieben können“, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Witze, was im Falle von ernsthaftem Streit mit sich selbst passiere, ob Selbstscheidung drohe oder wohin die Selbsthochzeitsreise gehen mag, lächelte sie einfach weg. Der Brauch, eheliche Bande unkonventionell zu knüpfen, ist nicht neu, auch nicht der Trend, sie nach einigen Jahren durch eine recht frei festgelegte Zeremonie aufzufrischen. Als Ein-Mann- oder Eine-Frau-Veranstaltung taugte die Ehe indes bisher selbst in aufgeschlossensten Kreisen kaum. Das hat sich geändert.

Was vor kurzem noch als befremdliche Selbstinszenierung abgetan worden wäre, findet in der modernen Single-Gesellschaft zumindest im Internet Verständnis. „Als Versprechen an mich, mich selbst zu lieben“, wie Chen Wei Yi ihren Gang in Weiß begründete, gewinnt die schrullige Handlung an Charme. Bei einer nicht repräsentativen Abstimmung unter einigen hundert Internetnutzern befürwortete gut jeder Fünfte die Idee „Selbstheirat“. Die 36-jährige US-Amerikanerin Nadine Schweigert aus Fargo hat sich im März ebenfalls mit sich trauen lassen. Sie habe gelernt sich zu lieben und akzeptieren, sagte die geschiedene Mutter. Ein Freund gab demnach den Anstoß: „Warum musst du jemanden heiraten, um glücklich zu sein? Heirate dich selbst.“ Nach langem Überlegen habe sie gewusst, dass sie genau das tun sollte, so die Frau. „Ich, Nadine, verspreche hiermit, es zu genießen, mein eigenes Leben zu leben, und mich an einem lebenslangen Liebesverhältnis mit meinem wunderschönen Selbst zu erfreuen“, gelobte sie vor 45 Freunden. Die Amerikanerin Desiree ging sogar im Central Park den Bund mit sich fürs Leben ein, rezitierte im Freundeskreis selbstverfasste Eheschwüre. „Ich dachte, ich wollte den Tag für mich beanspruchen, etwas Positives damit anfangen, statt zu Hause rumzuhängen und mich zu wundern, warum ich nicht heirate“, sagte sie. Als „bemerkenswert“ und „revolutionär“ feierte ein US-Frauenmagazin sie dafür. „Ich will mich in guten und schlechten Tagen lieben“ und „Ich werde meinem Glück Vorrang einräumen, mich akzeptieren, wenn ich nicht perfekt bin“, schwor Desiree. Es ist vor allem dieser therapeutische Ansatz, der ankommt. Fast ausschließlich Frauen trauen sich mit sich und so an die Öffentlichkeit. Die Taiwanesin Yi protestierte im weißen Kleid auch gegen die Politik ihres Landes, vor allem gegen gesellschaftliche Zwänge zu heiraten. So deutete es damals prompt der britische Sender BBC. Erwartungshaltungen aufbrechen nach dem Motto: „Habt mich gern, ich heirate mich jetzt selbst!“, kommt international bei Alleinstehenden gut an.

Wer mit der Geste in Weiß Verwandte sprachlos macht, hat die Lacher gleichaltriger Freunde auf seiner Seite. Vor allem aber die tiefe Sehnsucht nach Bedeutung und „Respekt“, so ein in Diskussionen ums Thema häufig bemühtes Wort, veranlassen eine noch überschaubare Zahl Frauen zum einsamen Gang. Der Frust über alles, was offensichtlich fehlt, dürfte ein Grund dafür sein, dass Eheschließungen ohne Partner – Trend hin oder her – rar bleiben. Sverre Gutschmidt


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