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05.05.12 / Er brachte Preußen voran / Biografie über Wilhelm von Humboldt, der mit Bildungsreform überzeugte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-12 vom 05. Mai 2012

Er brachte Preußen voran
Biografie über Wilhelm von Humboldt, der mit Bildungsreform überzeugte

Im Sog des Friedrichjahres gerät generell die Geschichte Preußens wieder stärker in den Blick und somit auch wieder andere große Persönlichkeiten. Leben und Werk der Gebrüder Humboldt meint man inzwischen gut zu kennen, und doch hat nun der Frankfurter Historiker Lothar Gall zu Wilhelm von Humboldt eine umfangreiche Studie vorgelegt, die das Leben dieses faszinierenden Mannes weit tiefer auslotet, als es bislang geschah.

Gall, 1936 im ostpreußischen Lötzen geboren, gehört heute neben Heinrich August Winkler und Hans-Ulrich Wehler zu den auch international angesehensten Historikern Deutschlands. Er hat sowohl Arbeiten zu Bürgertum und Liberalismus im Deutschland des 19. Jahrhunderts vorgelegt als auch mehrere große Biografien (Bismarck, Krupp, Abs und Rathenau), die ihn als Meister moderner Geschichtsschreibung ausweisen. Sein Humboldt-Buch reiht sich in diese Reihe würdig ein.

Wilhelm von Humboldt (1767–1835) und sein Bruder Alexander (1769–1859) gehören bis heute zu den vielbewunderten Geistesgrößen Preußens. Während Alexander als Naturwissenschaftler berühmt wurde, wurde es Wilhelm von Humboldt als Reformer des preußischen Bildungswesens, als scharfsinniger Staatsmann besonders am Wiener Kongress und als bis heute nachwirkender Sprachwissenschaftler. Beide galten als Repräsentanten des damaligen geistigen Europas; zum Renommee Preußens trugen sie in einem hohen Maße bei.

Gall unterteilt den Lebensweg Humboldts in vier Phasen: Nach Jahren als Privatgelehrter aufgrund günstiger Vermögensverhältnisse folgte die kurze, aber so folgenreiche Phase als Bildungsreformer, die in der Gründung der Berliner Universität gipfelte, tatsächlich aber durch die Reformen bei den Elementar- und höheren Schulen genauso folgenreich war; dann seine Tätigkeit als preußischer Gesandter in Wien, wo er an der Seite des ihm zeitlebens misstrauenden Hardenberg die Interessen Preußens beim Wiener Kongress vertrat – eine Phase, die 1819 als Minister in Berlin abrupt endete, weil er sich gegen Hof und konservative Kamarilla deutlich gegen die berüchtigten Karlsbader Beschlüsse wandte; schließlich die letzten 15 Lebensjahre, in denen sich Humboldt als Privatgelehrter dem Studium der Sprachen zuwandte und dabei seine Forschungen von Europa bis nach Südostasien (Java) ausweitete.

Humboldts Ziel, so Gall, ging von dem Grundsatz „Bilde dich selbst“ aus, den er exzessiv für sich in Anspruch nahm, aber letztlich für jeden einzelnen Menschen verlangte. Ein gebildeter, seine Individualität verwirklichender Mensch werde zu einem innerlich freien Menschen, und solche freien Menschen benötige der Staat. Nicht mehr der absolutistisch-fürsorgliche Staat sollte es sein, sondern ein Staat freier Bürger, die von sich aus den Staat bejahen und stützen. Das war zunächst auf das Wiedererstarken Preußens in der napoleonischen Fremdherrschaft gerichtet, ging aber in dem Verlangen nach ständiger Entwicklung und Fortbildung der eigenen Persönlichkeit – darin den Freunden in Weimar, Goethe und Schiller, folgend – ins Grundsätzliche. Sein großes Interesse an den Sprachen wurzelte in der Ansicht, dass Sprache Ausdruck des menschlichen Denkens sei.

Der Autor bringt diesen geistesgeschichtlichen Aspekten ein genauso großes Interesse entgegen wie den historischen Abläufen. Seine Bewunderung für diesen ungewöhnlichen Mann zügelt er (mitunter, möchte man sagen, fast zu sehr), lässt dagegen Humboldt selbst immer wieder zu Wort kommen –, was den Leser wiederholt staunen lässt, wie modern, wie zeitgemäß vieles ist. Mancher Leser hätte sich vielleicht eine gelegentliche Einbeziehung des Bruders, eine Spiegelung beider Lebensläufe gewünscht, aber das hätte wohl den vorgegebenen Rahmen gesprengt. So bleibt als winzige Kritik allenfalls, dass ein tabellarischer Lebenslauf dem Leser die Orientierung durch dieses ungewöhnliche Leben erleichtert hätte. Aber viel mehr bleibt Bewunderung für Autor und „Helden“ und einmal mehr die Einsicht, dass Preußen große Denker hervorgebracht hat. Dirk Klose

Lothar Gall: „Wilhelm von Humboldt. Ein Preuße von Welt“, Propyläen/Ullstein Buchverlag, Berlin 2011, 443 Seiten, 24,99 Euro


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