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19.05.12 / Stadion als Kriegsschauplatz / Der Sport hat immer auch eine politische, ökonomische und kulturelle Dimension

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Stadion als Kriegsschauplatz
Der Sport hat immer auch eine politische, ökonomische und kulturelle Dimension

Weltweit Milliarden Zuschauer am Bildschirm – ein solches Potenzial lockt nicht nur die werbetreibende Wirtschaft, es weckt zudem die Begehrlichkeiten der Politik, fördert Industrieumsätze sowie Fremdenverkehr und schafft Arbeitsplätze. Sport ist längst eine prägende Erscheinung westlicher Kultur und hat durch mediale wie ökonomische Auswertung einen globalen Siegeszug angetreten.

Diktatoren und autoritäre Systeme missbrauchen sportliche Großereignisse gern für ihre oft pompöse Selbstdarstellung, wie Adolf Hitler bei den Olympischen Spielen 1936. Sport kann allerdings durch Boykotte auch zum Knüppel der Politik gegen unliebsame Despoten und Demokraten werden. Er trägt zur Verständigung zwischen Rassen, Ideologien und Religionen bei oder rückt Missstände ins Licht der Weltöffentlichkeit.

Allerdings kann der Sport auch einem gesteigerten Nationalismus Vorschub leisten, was besonders für den Fußball gilt. In Jugoslawien kündigte sich der kommende Bürgerkrieg als erstes in den Fangruppen der Vereinsmannschaften in Form von Bekenntnissen zur albanischen, serbischen oder kroatischen Nation an. Auch der Kalte Krieg zwischen dem Westen und dem Ostblock spielte sich auf Sportplätzen ab. Der Sieg einer jeweiligen Mannschaft wurde als Beweis für die Überlegenheit des einen oder des anderen Systems propagandistisch ausgeschlachtet. Das galt besonders für das zweigeteilte Deutschland.

Jüngstes Beispiel für die Verquickung von sportlichen Höhepunkten und politischem Druck ist das Gerangel um die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. Es spaltet die europäische Sportgemeinde in zwei Lager. Fordert etwa die Sportlegende Günter Netzer, Sport durchaus als politische Dimension zu begreifen, so wehrt sich UEFA-Präsident Michel Platini gegen einen solchen Anspruch und verteidigt die Wahl der Ukraine als Austragungsort für die Europameisterschaft. Schon zu Beginn der Olympischen Spiele 2008 in Peking hatte Chinas Staatsoberhaupt Hu Jintao den Satz geprägt, der den Funktionären des Sports alsbald als Leitlinie diente: „Don’t mix politics with games“ (Vermischt nicht Politik und Spiele).

Gerade aber das geschieht gegenwärtig in den Beziehungen zur Ukraine. Die EU will mit allen Ratsmitgliedern das Ereignis ebenso boykottieren wie Bundespräsident Joachim Gauck, während Amnesty International von einem solchen Verdikt abrät. Das Argument der Menschenrechtler: Solche Sporthöhepunkte würden sich eignen, den Fokus der Welt auf Systemwillkür und Menschenrechtsverletzungen zu richten. Gern wird in diesem Zusammenhang zitiert, wie die globale Anti-Apartheid-Bewegung den Sport als Plattform nutzen konnte, um zur Isolierung des Systems in Südafrika beizutragen. Dann war es wieder der Sport, der nach dem Zusammenbruch des Regimes zur Schaffung einer neuen nationalen Identität der südafrikanischen Gesellschaft beitrug. Heute sind die Töne nicht minder scharf. Die Regierung der Ukraine drohte als Antwort auf Boykotte bereits mit Sanktionen, etwa für die deutsche Wirtschaft.

In Verruf kam der Sport, seit Mitte der 1980er Jahre die Weltrechte der Spiele an Großkonzerne wie Coca-Cola verkauft wurden. Das führte zwar zu Millioneneinnahmen, degradierte den Sport aber letztendlich zur Ware und öffnete der Korruption neue Wege. Düstere Zeiten begannen, als der Terrorismus Sportveranstaltungen ins Visier nahm, wie bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München. Die Sicherheitsvorkehrungen für die nächste Olympiade in London gleichen denn auch eher den Vorbereitungen auf einen Krieg. Joachim Feyerabend


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