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19.05.12 / Politische Säulen des Sports

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Politische Säulen des Sports

Die Leibesertüchtigung, die Leibesübung, wie der Sport in Deutschland lange Jahre tituliert wurde, hatte neben der gesundheitsfördernden Wirkung schon immer auch eine politische Komponente: Der Körper sollte für den Kriegseinsatz und die Verteidigung gestählt werden. Selbst das gesundheitsfördernde Training gehörte in den archaischen Gesellschaften zu diesem Überlebensprogramm. In dem Maß, wie Wettkämpfe und sportliche Übung in der moderneren Gesellschaft ihre archaische Funktion zur Überlebenssicherung einbüßten, wurden sie zur Basis für die Entwicklung des heutigen Sports. Nun traten Leistungsprinzip, Konkurrenzdenken und Gleichheitsgedanke in den Vordergrund. Die industrielle Leistungsgesellschaft verlangt nach dem Tüchtigsten. Die Chance, im Sport jedem eine Chance zu eröffnen, schuf gesellschaftlichen Ausgleich. „Auf dem Rasen und unter dem Rasen sind alle Menschen gleich“, dieses geflügelte Wort des Sportwissenschaftlers Gustav Adolf Erich Bogeng verdeutlicht die Überwindung von Ständeschranken, und die Befreiung farbiger Völker von der arroganten Dominanz weißer Eroberer ist zugleich Ventil für die Bildung eines neuen Selbstbewusstseins.

Doch schon werden kritische Stimmen laut und fordern einen Verzicht auf die Rekordjagd, so wie nach dieser Ansicht die Wirtschaft vom Prinzip der Gewinnmaximierung zugunsten sozialer Fairness und des Umweltschutzes zurückgeführt werden soll. Unbestritten bleibt die Wirkung des Sports auf Identifikation und Identität des aktiven oder als Zuschauer passiven Sportenthusiasten und die Erzeugung eines Gemeinschaftsgefühls. Sport wurde so auch zu einem Hoffnungsträger für die Ärmsten dieser Welt. Er gibt auch ihnen eine Chance. J.F.

 

Zeitzeugen

Michel Platini – Der 1955 geborene französische Fußballprofi und heutige Präsident der Vereinigung europäischer Fußballverbände (Uefa) vertritt die Auffassung, dass Sport nicht zum Knüppel der Politik degenerieren dürfe. Er verteidigt die Vergabe der EM an die Ukraine und wird dabei von zahlreichen anderen Funktionären unterstützt.

Günter Netzer – Der frühere deutsche Fußballstar, langjährige ARD-Sportkommentator und jetzige Verwaltungsrat des weltweit größten Fußballrechte-Vermarkters „Infront“ macht sich dafür stark, dass der Sport auch politische Funktionen zu erfüllen habe, und fordert mehr Bewusstsein der Verantwortlichen. „Politik und Sport sind keine zwei Paar Schuhe“, so sein aktueller Kommentar zur bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine.

Jesse Owens – Der ehemalige Liftboy absolvierte eine beispiellose Sportlerkarriere und kann als erster schwarzer Athlet gelten, der durch den Sport die Rassen-schranken seiner Zeit infrage stellte. Owens (1913–1980) stellte diverse Weltrekorde vor allem als Sprinter auf und errang bei den Olympischen Spielen 1936 gleich vier Goldmedaillen. Doch US-Zeitungen taten ihn zum Teil als „Ohio State Negro“ ab und US-Präsident Franklin D. Roosevelt weigerte sich sogar, den Sieger zu empfangen.

Sepp Herberger – Der 1977 im Alter von 80 Jahren verstorbene erste Fußballbundestrainer trug mit der 1954 errungenen Weltmeisterschaft, in Deutschland überschwänglich als „Wunder von Bern“ gefeiert, wesentlich dazu bei, das deutsche Selbstwertgefühl nach dem verlorenen Krieg wieder erwachen zu lassen. Die „Bild“ titelte damals: „Wir sind wieder wer.“

Thomas Bernhard – „Dem Sport ist zu aller Zeit und vor allem von den Regierungen aus gutem Grund immer die größte Bedeutung beigemessen worden: Er unterhält und benebelt und verdummt die Massen; und vor allem die Diktatoren wissen, warum sie immer und in jedem Fall für den Sport sind.“ Mit diesem Ausspruch des österreichischen Schriftstellers (1931–1989) schmücken sich heute Kritiker von Sportveranstaltungen in diktatorisch geführten Ländern.


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