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19.05.12 / Demokratische Illusionen / Ägypten: Präsidentschaftswahlen als Opium fürs Volk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Demokratische Illusionen
Ägypten: Präsidentschaftswahlen als Opium fürs Volk

Die große Skepsis der Ägypter beim Thema Wahlen hat nicht nur mit Ex-Präsident Hosni Mubarak zu tun, sondern längst auch mit dem Obersten Militärrat, der Militärjunta unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, der versprochene Wahlen schon mehrmals verschoben hat. So wurden die blutigen Zusammenstöße vor dem Verteidigungsministerium Anfang Mai prompt als inszenierter Vorwand zur Verschiebung der für den 23. und 24. Mai angesetzten Präsidentschaftswahlen gesehen: Die Demonstranten waren von Schlägertrupps angegriffen worden, hinter denen man den Geheimdienst vermutet.

Vorige Woche verkündete ein Provinzgericht gar die Aussetzung der Wahlen, weil die Oberste Wahlkommission ihre Befugnisse überschritten habe. Doch das Höchstgericht hob das Urteil zwei Tage später wieder auf. Dazu kommt das Wirrwarr um die Kandidaten. Die Muslimbrüder, die zunächst keinen aufstellen wollten, änderten dann ihre Linie – wie schon so oft in den über acht Jahrzehnten ihres Bestehens – und nominierten Kheirat Al-Shater. Die Oberste Wahlkommission schloss mit teils fragwürdigen Begründungen zehn der 23 Bewerber aus, darunter den der Salafisten sowie Mubaraks kurzzeitigen Vizepräsidenten Omar Suleiman und eben auch Al-Shater.

Reelle Chancen haben nur vier Kandidaten. Amr Moussa, der frühere Außenminister und langjährige Generalsekretär der Arabischen Liga, ist als einziger international bekannt. Mohammed Mursi, der uncharismatische Ersatzkandidat der Bruderschaft, wird als „Reservereifen“ verulkt, doch er hat Unterstützung von einem Teil der Salafisten – einer nannte ihn gar „Allahs Wahl“. Abd-el-Moneim Abu-el-Futouh kommt von der Bruderschaft, wurde aber wegen seiner eigenmächtigen Kandidatur ausgeschlossen. Bartlos und mit Krawatte wirkt er seriös in den TV-Duellen, doch könnte er ein Wolf im Schafspelz sein. Ahmed Shafik schließlich ist selber Ex-Militär und gilt als Wunschkandidat der Junta. Da ihn im Januar 2011 noch Mubarak zum Premier ernannt hatte, war er als „Repräsentant des alten Regimes“ zwar zunächst von der Wahl ausgeschlossen, nach Berufung aber zugelassen worden.

Im Wahlkampf zeigen sich jedenfalls deutlicher denn je auch die Rivalitäten und Konflikte unter den Islamisten. Es gab mehrere Parteiausschlüsse, und jüngst legten Salafisten gar einen Gesetzentwurf vor mit dem Ziel, der Al-Azhar-Universität die Rolle als oberste Autorität in Religionsfragen abzuerkennen. Trotzdem ist es Illusion, daraus auf eine Stärkung der säkularen Kräfte zu schließen, denn die sind noch weit mehr zerstritten. Es verwundert daher, dass Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei, der sich schon zur Jahreswende vom Präsidentschaftswahlkampf zurückgezogen hatte, entgegen dem Rat von Freunden nun doch eine eigene Partei gründete.

Ob die Junta ihre Macht sogar an einen nicht genehmen Wahlsieger abgeben würde, ist allerdings eine theoretische Frage, weil ja noch nicht einmal feststeht, welche Macht der Präsident und das Parlament haben werden. Denn die Verfassung, die das festlegen soll, muss erst ausgearbeitet werden – und die Verhandlungen darüber stehen vor dem Scheitern. R. G. Kerschhofer


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