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19.05.12 / Generation Maybe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Gastbeitrag
Generation Maybe
von Hinrich E. Bues

Sie ist unentschlossen, verwöhnt, bequem und orientierungslos, die „Generation Maybe“. Das behaupten einige Medien über die Gruppe der 18- bis 30-Jährigen. Aber gibt es diese Generation wirklich oder beklagen sich hier nur (wieder einmal) die Alten über die Jungen?

Das Wort „may be“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „kann sein“ oder „vielleicht“. In der Tat gibt es heute eine auffällig große Gruppe von jungen Leuten, die nach der Schulzeit nicht so recht etwas mit ihrem Leben anzufangen wissen. Umfragen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Schüler am Ende ihrer Schulzeit keine Vorstellungen über Beruf und Lebensziele hat. Speziell bei Abiturienten ist dies besonders ausgeprägt.

Doch war das nicht auch schon früher ein Problem? Die 68er galten als Protestler oder Blumenkinder, dann folgten die „Null-Bock-Generation“ oder die „Generation Praktikum“. Ganz davon abgesehen, dass viele der jungen Leute gar nicht diesen Etiketten zuzuordnen waren, haben die alten Protestler inzwischen Karriere gemacht und die Null-Bock-Leute die Lust zum Arbeiten entdeckt. Auch die meisten, die sich mit unbezahlten Praktika durchhangeln mussten, sitzen inzwischen auf gut bezahlten Arbeitsstellen.

Alles also nur eine Mediengeschichte mit der heutigen „Maybe-Generation“? Was wird mit der nicht kleinen Zahl von jungen Leuten passieren, die sich angesichts der Fülle der sich bietenden Möglichkeiten überfordert sieht? Eben noch von sozialpädagogisch orientierten Lehrern im Kuschelraum der Schule umhegt und gepflegt, spüren sie nun den rauen Wind des Lebens und der notwendigen Entscheidungen. Die Schulabgänger stehen heute vor einem unüberschaubaren Angebot von über 15000 Bachelor-Studiengängen mit blumigsten Titeln. Niemand kann heute vorhersagen, ob man mit diesen Ausbildungen später tatsächlich einmal Geld verdienen kann. Zudem verspüren viele Schüler, die sich ohne großen Fleiß durch das Schulsystem bewegt haben, kaum Lust auf ein arbeitsintensives und hartes Studium. „Warum soll ich mir das antun?“, fragte kürzlich eine 23-Jährige, die ein Bachelor-Studium viel zu anstrengend fand. Eine Weltreise und ein unbezahltes Praktikum auf der anderen Seite der Erdkugel erschienen der jungen Dame dann als vermeintlich bessere Alternative.

Aber sind dies alles nicht eher Einzelfälle? Anscheinend nicht. Die Zahl von 19 Neffen und Nichten (sowie deren Freunde) erlaubt dem Verfasser auch eigene Beobachtungen. Nach einer vorsichtigen Schätzung gehören tatsächlich etwa ein Drittel zur „Generation Maybe“, die sich nach der Schule ausgesprochen schwer tun, Tritt zu fassen. Die anderen zwei Drittel zeigten sich schon in der Schulzeit entscheidungsstark, fleißig und zielbewusst. Sie treiben Leistungssport oder engagieren sich sozial oder kirchlich. Sie wissen relativ früh, „was sie werden wollen“. Einige von ihnen haben direkt nach der Schule eine duale Berufsausbildung (Lehre plus Kurzstudium), andere ein Studium an einer Fachhochschule oder Universität begonnen. Zwei von ihnen verdienen bereits ganz ansehnliche Gehälter, einer erreicht sogar schon mit seinen 24 Jahren den höchsten Grenzsteuersatz. Sie gehören zu den Beneideten, von denen allerdings selten in den Medien die Rede ist.

Die Verdienstsituation bei den „Maybes“ sieht ganz anders aus. Sie hangeln sich von einem „Projekt“ zum nächsten. Als Studentenjob mögen 7,50 Euro pro Stunde noch ganz akzeptabel sein. Muss man davon allerdings Krankenversicherung und andere Nebenkosten zahlen, bleibt nicht viel zum Leben übrig. Und nun rückt die Schallgrenze des 30. Lebensjahres näher. Eine Faustregel besagt: Wer bis dahin noch keine feste Stelle ergattert hat, bewegt sich unaufhaltsam abwärts und wird irgendwann zum Hartz-IV-Fall. Eine gewisse Mitschuld an dieser Entwicklung trifft, bei genauerem Hinsehen, auch die Eltern. Allzu bereitwillig finanzierten sie ihren wenig wissbegierigen und fleißigen Kindern nahezu alles, was das jugendliche Herz so begehrt: die Designerkleidung und den Führerschein, den Fernseher im Kinderzimmer und den Alkohol zur Geburtstagsparty, den Computer zum Spielen und natürlich das Mobiltelefon der neuesten Generation mit Flat-Rate. Doch die immer wieder verkündete Hoffnung der Eltern, dass die Kinder „ihren Weg schon machen werden“, verflüchtigt sich. Wer durch das Abitur fällt und wessen Durchschnittsnote zu schlecht ist, dem stehen nicht mehr viele Türen offen. Hochschulen haben Eingangsprüfungen eingeführt; oft genug kommen die eingereichten Bewerbungen um einen Studienplatz abgelehnt zurück.

Was also tun? Zwei Jahre nach dem Schulabschluss – das Kindergeld wird schon längst nicht mehr gezahlt – heißt es endlich handeln. Eltern und Kinder sehen ein, dass nun teurere Möglichkeiten der Berufsausbildung ins Auge zu fassen sind. Fachschulen mit schönen Namen, unbekannte Akademien oder private Hochschulen bieten ihre teuren Dienste an. Monatliche Ausbildungs- oder Studiengebühren von 400 oder 650 Euro schrecken dann nicht mehr ab. Hauptsache, es beginnt endlich eine Ausbildung.

Schließen wir die Schilderung. Bei genauerer Betrachtung geraten eher Eltern und Lehrer mit ihrem fortgesetzten Verwöhnprogramm ins Fadenkreuz der Problematik. Wo Selbstständigkeit, Fleiß und Eigenverantwortlichkeit nicht gelehrt und gelernt werden, ist der Weg ins Leben meist nicht sehr verheißungsvoll. Eltern und Lehrer, die in vermeintlich guter Absicht ihre Kinder zu sehr verwöhnen und ihnen gleichsam einen roten Teppich ins Leben ausrollen wollen, erreichen damit das genaue Gegenteil des Gewollten.

Umfasste diese Gruppe, die ihr Leben nicht aus eigener Kraft gemeistert bekommt, nur eine kleine Minderheit von vielleicht fünf oder zehn Prozent einer Altersgruppe, wer würde darüber reden? Offensichtlich sind aber wesentlich mehr junge Leute betroffen. Das wird langsam zu einem Problem in einem Land, das auf den Fleiß, den Ideenreichtum und die Innovationskraft seiner jungen Leute angewiesen ist. Spätestens wenn die Beneideten, Fleißigen und Zielstrebigen wieder einmal in das Fadenkreuz linker Politiker kommen, die schon jetzt Spitzensteuersätze von 75 Prozent fordern, wird das zum Problem werden. Wer soll noch Leistung in einem Land bringen, ein mühsames Studium unter armseligen Lebensverhältnissen absolvieren, wenn ihm dann nur wenig von seinem hohen Verdienst bleibt? Ein Land, das seinen Reichtum der Ingenieurkunst, dem Erfindungsreichtum seiner Unternehmer, dem Fleiß seiner Arbeiter und der Erziehungsarbeit von Müttern und Vätern verdankt, muss die Leistungslust der jungen Leute fördern. Leistungsunlust muss umgekehrt sanktioniert werden. Die große Mehrheit der Leistungswilligen darf nicht von einer Minderheit an Leistungsunwilligen bestraft werden, will Deutschland seinen Wohlstand bewahren. Die amerikanische Ökonomin Deirdre McCloskey hat in einer Studie herausgefunden, dass junge Menschen in erster Linie durch „Ehre und Lob“ zu Leistungen zu motivieren sind. An dieser Kultur fehlt es oftmals hierzulande. Allzu verständnisvoll werden die Schlaffis umsorgt und umhegt, anstatt die Fleißigen und Zielstrebigen zu loben und zu ehren. Und manchen Eltern muss man ganz direkt raten: Tut weniger für eure Kinder und fordert sie früher zu Selbstständigkeit, Fleiß, Zielstrebigkeit und Eigeninitiative auf. Denn nur wer seine eigenen Muskeln, sein eigenes Hirn nutzt, kann stärker werden. Auch das ist eine Lehre aus der „Generation Maybe“.


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