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19.05.12 / Länger, breiter, luxuriöser / Im friedlichen deutsch-britischen Vorkriegs-Wettkampf der Reedereien setzte der »Imperator« neue Maßstäbe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Länger, breiter, luxuriöser
Im friedlichen deutsch-britischen Vorkriegs-Wettkampf der Reedereien setzte der »Imperator« neue Maßstäbe

Zahlreiche Gäste versammelten sich vor 100 Jahren, um den Stapellauf des damals größten Passagierschiffs der Welt zu verfolgen: Der „Imperator“, das neue Flaggschiff der Hamburger Reederei Hapag, glitt von der Helling der Vulcan-Werft in die Elbe, persönlich getauft von Kaiser Wilhelm II.

Anfang des 20. Jahrhunderts war ein wilder Wettstreit nicht nur um die militärische Seeherrschaft, sondern auch im Linienverkehr der großen Reedereien der Welt im Gange. Der Norddeutsche Lloyd hatte seine beliebten schnellen Vier-Schornstein-Dampfer auf der Nordamerikaroute in Fahrt, zur englischen Cunard-Line gehörte mit der „Mauretania“ als Trägerin des „Blauen Bandes“ seit 1907 das schnellste Schiff überhaupt, und die White Star Line setzte mit der Planung für ihre riesigen luxuriösen 45000-Tonner „Titanic“ und „Olympic“ neue Maßstäbe. Nur die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) fuhr mit einer bunt gemischten Flotte aus unterschiedlichen mittelgroßen Dampfern der Konkurrenz immer mehr hinterher. Deren Reederei-Chef Albert Ballin vergab dann 1909 den Auftrag für den Bau des ersten von drei gigantischen Schiffen mit mehr als 50000 Tonnen an die Hamburger Vulcan-Werft – für den Riesendampfer „Imperator“, so benannt zu Ehren des Deutschen Kaisers.

Es war Neuland für deutsche Werften, da es Berechnungen für Schiffe dieser Größe hier noch nicht gab. Mit einer Länge von 280,30 Meter einschließlich der Galionsfigur in Form eines bronzenen Adlers, einer Breite von fast 30 Metern und einer Tonnage von 52117 Bruttoregistertonnen (BRT) wurden die Abmessungen aller bisher gebauten Schiffe übertroffen. Ein Riesendampfer, geschaffen für 4175 Passagiere und 1100 Besatzungsmitglieder, der schon in der Bauphase für großes Aufsehen sorgte. Nach dem Untergang der Titanic im April 1912 wurde die Anzahl der Rettungsboote noch kurz vor dem Stapellauf erhöht, es gab insgesamt 83 Boote, darunter zwei Motorboote, stationiert auf dem Bootsdeck, dem Promenadendeck und dem Vordeck.

Zum Stapellauf am 23. Mai 1912 war ganz Hamburg in gespannter Erwartung. Der Kaiser selbst sollte die Taufe vornehmen, der Schulunterricht fiel an diesem Donnerstag aus. Es gab verschiedene Tribünen für geladene Gäste, aber auch die Möglichkeit, das Spektakel vom Köhlbrand-Deich aus zu beobachten. Der Hamburger Bürgermeister Johann Heinrich Burchard hielt die Taufrede, und der Kaiser ließ von einer hoch errichteten Tauftribüne mit den Worten „Ich taufe Dich ,Imperator‘“ die traditionelle Sektflasche am Bug zerschellen.

Das riesige Schiff stand im In- und Ausland im Mittelpunkt des Interesses, denn es war der Hapag gelungen, mit der Innenausstattung alles bislang dagewesene zu übertreffen. Das Ritz-Carlton-Restaurant, in dem man unabhängig von der gebuchten Bordverpflegung à la carte essen konnte, war außerordentlich beliebt, ging es hier doch auch darum, sich bewusst abzugrenzen. Dafür konnten die Gäste mit großem Auftritt – sehen und gesehen werden – die Treppe emporschreiten, zwischen Palmen und Hortensien im Wintergarten andere Reisende begrüßen und je nach Stimmung im Restaurant in großer Runde oder diskret in einer Nische dinieren. Aufgrund der bühnenartigen Verbindung mit dem Wintergarten mit massiven, schmiedeeisernen Geländern entstand eine Komposition in Mahagoni und Gold.

Der Wintergarten war riesig, und durch die landschaftliche Illusionsmalerei erinnerte nichts mehr an den Bordaufenthalt auf einem Schiff, zumal die großen Fenster zehn Decks über dem Wasserniveau nur noch den Ausblick auf den unendlichen Horizont boten. Außerdem gab es ein Schwimmbad im pompejischen Stil und einen Rauchsalon, der an eine bayrische Jagdhütte erinnerte. Auch wenn die Hapag oft für die pompöse Ausstaffierung kritisiert wurde, entsprach diese doch dem Zeitgeist und so dem damaligen Geschmack der Passagiere.

Allerdings hatten die aufwendigen Innenausbauten auch Auswirkungen auf die Stabilität des Schiffes, und am Ende der ersten Saison kam der „Imperator“ zur Überholung in die Vulcan-Werft. Die Schornsteine wurden gekürzt; der Grillraum auf dem Promenadendeck wurde in ein offenes Verandacafé umgewandelt, außerdem wurde die schwere Wandverkleidung im Ritz-Carlton-Restaurant durch eine leichte feuerfeste Verschalung ersetzt. Auf der ersten Reise nach dem Umbau stellte der „Imperator“ gleich seine Seefestigkeit unter Beweis, als in einem schweren Sturm der Adler am Bug zerstört und vier Rettungsboote losgerissen wurden, das Schiff selbst jedoch problemlos seine Reise fortsetzte.

Im Juli 1914 fuhr der Riesendampfer das letzte Mal unter deutscher Flagge über den Nordatlantik. Der Erste Weltkrieg brachte für die deutschen Reedereien das Ende einer prunkvollen Ära auf hoher See. Der „Imperator“ wurde in Hamburg aufgelegt und lediglich zu Ausbildungszwecken genutzt.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mussten fast alle deutschen Schiffe gemäß den Bedingungen des Versailler Vertrages an die Siegermächte übergeben werden. Der „Imperator“ wurde der US Navy als Truppentransporter zugesprochen und später an Großbritannien abgegeben. Bei der Cunard-Reederei wurde das Schiff in „Berengaria“ umbenannt und nach ausgiebigen Umbauarbeiten wieder im Nordatlantikdienst eingesetzt, darunter viele Jahre unter dem Kommando von Kapitän Arthur Ronstron, der 1912 mit seinem kleinen Dampfer „Carpathia“ die Überlebenden der „Titanic“-Ka­ta­stro­phe gerettet hatte. Die Passagierzahlen auf der Transatlantikroute gingen in den 30er Jahren generell stark zurück, zuletzt wurde das Schiff auch für Kreuzfahrten zu den Bermudas und in das Karibische Meer eingesetzt. 1938 wurde die „Berengaria“ bei einem Brand im New Yorker Hafen stark beschädigt. Das Schiff war inzwischen in die Jahre gekommen, die notwendigen Sanierungs- und Umbauarbeiten lohnten sich für die Reederei nicht mehr, und so wurde es an eine englische Abwrackwerft verkauft. Kriegsbedingt zogen sich die letzten Abwrackarbeiten bis nach dem Zweiten Weltkrieg hin. Der „Imperator“, einst der Stolz der deutschen Passagierschifffahrt, hatte endgültig aufgehört zu existieren. Britta Heitmann


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