25.04.2024

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19.05.12 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

nun ist es aber Zeit, auf einige der Zuschriften, die auf die verschiedensten Veröffentlichungen in unserer Kolumne erfolgt sind, einzugehen – die zu dem „letzten Zug“ ausgeklammert. Der ist noch lange nicht auf das Abstellgleis geschoben, braucht aber mal Pause. Also da war in Folge 12 die Ankündigung eines „Gedächtnis-Flugtages“ in unserm ehemaligen deutschen Segelflugparadies Rossitten auf der Kurischen Nehrung, der zwischen dem 10. und 12. August unter deutsch-russischer Ägide stattfinden soll, wie uns die Segelfluglehrerin Rosmarie Zantow aus Fassberg mitgeteilt hatte. Da hat sich ein Zeitzeuge gemeldet, Herr Alfred Losch aus Bochum, der unseren Bericht „Nun fliegen sie wieder am Predin“ noch mit interessanten Ausführungen ergänzt. Er geht vor allem auf den „vorletzten“ Start von Willy Poschmann am 18. Januar 1945 ein. Alfred Losch schreibt: „Ich war seit Anfang September 1944 auf der Reichssegelflugschule Rossitten. Die Segelflugausbildung war noch ganz normal. Als Mitte Oktober die Ostfront immer näher rückte, wurde es immer kritischer zu fliegen. Quer über den Flugplatz wurde von der Luftwaffe ein Stacheldrahtverhau gelegt, in allen Gebäuden wurden Sandkisten mit Bomben zur Sprengung aufgestellt. Durch die verkürzte Landebahn ist es zu einer Bruchlandung gekommen. Als der Russe Ende Oktober auf der gegenüberliegenden Haffseite angekommen war, wurde der Flugbetrieb eingestellt. Wir Flugschüler wurden eine Volkssturmeinheit, erhielten Gewehre, Maschinenpistolen, Eierhandgranaten und wurden an Panzerfaust und Panzerschreck ausgebildet. Auf der Düne mussten wir Baumstämme schleppen und einen Maschinengewehr–Unterstand bauen und besetzen. An der Haffseite machten wir tags und nachts Doppelpostengänge. Die Flugzeuge und Schleppwinden waren inzwischen abtransportiert worden. Meines Erachtens war Herr Poschmann nicht mehr in Rossitten. Ich erinnere mich an Herrn Schulze als Schulleiter. Anfang Dezember 1944 wurden wir Flugschüler zum Fliegerhorst Brüsterort gebracht. Dort starteten wir mit Schwerpunktfesselung, nicht wie in Rossitten mit Bugfesselung. In Brüsterort war ich bis kurz vor Weihnachten 1944. Dort wurde auch noch im Januar 1945 geschult! Es interessiert mich, wie ist Herr Poschmann noch am 18. Januar 1945 gestartet? Ist dort wirklich noch ein Grunau Baby übrig geblieben?“ Wir haben seine Zuschrift an die Informantin weitergeleitet.

Über den Volksschullehrer Ferdinand Schulz, der auf der Kurischen Nehrung den ersten Weltrekord im Dauersegelflug erzielte, konnten wir in Folge 12 nur kurz berichten. Zu dem berühmten Ostpreußen, der leider viel zu früh verstarb, schreibt Frau Eve-Maria Ludwig aus Hamburg: „Ferdinand Schulz wurde auf dem Heilsberger Friedhof bestattet, nachdem er am 16. Juni 1929 in Stuhm tödlich verunglückt war. Als er auf Wunsch seiner Mutter nach Heilsberg überführt wurde, soll es eine sehr große Anteilnahme der Bevölkerung gegeben haben, die ein Spalier für den Zug mit seinem Sarg bildete. So berichtete man uns, als meine Eltern mit mir 1934 nach Heilsberg kamen und ich an seinem Grab mit dem großen Gedenkstein stehen konnte, der ein Segelflugzeug im Gleitflug zeigt. In dieser Form ist er heute noch erhalten und wird gepflegt. Ganz in der Nähe steht dort seit kurzer Zeit auch der Gedenkstein für die ehemaligen Bewohner von Heilsberg, die in fremder Erde ihre letzte Ruhe finden mussten. Eine stadtauswärts führende Straße, die zu den heute von den Polen genutzten Kasernen führt, trug damals den Namen Ferdinand Schulz-Straße.“

Manchmal genügt nur ein Name, und schon ist eine Erinnerung da – so erging es auch unserem Landsmann Heinz Schlagenhauf aus Lensahn. Ich hatte unser „Ännchen von Tharau“ nur kurz in einer Danksagung für die kürzlich verstorbene Pianistin Eleonor Reck erwähnt, die unsere LO-Seminare musikalisch bereichert hatte, und sofort dachte Herr Schlagenhauf an seinen Heimatort Trempen und an die Ännchen-Linde, die sozusagen das „Aushängeschild“ des im damaligen Amtsbezirk Insterburg gelegenen Kirchdorfes gewesen war. Die im natangischen Tharau geborene Pfarrers­tochter Anna Neander, zu deren Hochzeit mit dem jungen Pfarrer Johann Portatius der Königsberger Poet Simon Dach sein „Anke van Tharau“ als plattdeutsche Carmina schrieb – sozusagen die Urform des Liedes –, zog nach der Eheschließung nach Trempen, der ersten Pfarrstelle ihrs Mannes. Hier verlebte das junge Paar seine glücklichsten Jahre, die durch den frühen Tod des Mannes in seiner nächsten Pfarrstelle Laukischken beendet wurden. In Trempen pflanzte man ihr zu Ehren die Linde, an die sich Herr Schlagenhauf noch gut erinnert. Als er 1943 eingezogen wurde, war der Baum schon so altersschwach, dass er mit Eisenringen und Beton zusammengehalten werden musste. 1944 soll die Linde durch einen Blitzschlag zerstört worden sein. Genau ein halbes Jahrhundert später wurde von Herrn Hohmeister vom Vorstand der Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen, der aus einem Nachbarort stammte, und der russischen Bürgermeisterin von Trempen eine neue Linde neben dem Pfarrhaus gepflanzt. Als Herr Schlagenhauf im Jahr 1995 Trempen besuchte, stand dieses junge Bäumchen noch, allerdings leicht beschädigt. Die Kirche, in der er getauft und konfirmiert wurde, ist nicht mehr vorhanden. Und die Linde? Wer kann unserem Landsmann etwas über die neue Ännchen-Linde berichten, er würde sich freuen. (Heinz Schlagenhauf, Langer Acker 32 in 23738 Lensahn/Holstein, Telefon 04363/3310, Telefax 04363/3320.)

Wie gesagt: Manchmal genügt ein Name – und für Frau Roswitha Kulikowski aus Hemmingen war es der Familienname „Rüdiger“, der vor einiger Zeit auf unserer Familienseite auftauchte. Da schrillten bei ihr sofort die Alarmglocken, denn er ist auch in ihrer Familiengeschichte vorhanden, wenn auch oft verschwiegen worden. In jeder Sippe gibt es Geschichten, über die nicht gerne – oder auch überhaupt nicht – gesprochen wird. Es handelt sich dann um das sprichwörtliche „schwarze Schaf“ der Familie, das – wenn weiblichen Geschlechts – zumeist ein „gefallenes Mädchen“ war. Jedenfalls vor über 120 Jahren, denn diese Geschichte spielte sich etwa um die vorletzte Jahrhundertwende ab. „Meine Großmutter Gertrud Saßnick geborene Rüdiger, erzählte einmal meiner Schwester im Vertrauen, dass sie eigentlich eine Schwester habe“, so berichtet Frau Kulikowski. „Und diese Schwester sei mit einem Schauspieler durchgebrannt. Großmutter war der Meinung, dass es sich bei diesem Schauspieler um Paul Hartmann handeln müsste, sie hatte ihn einmal in einem Film gesehen und glaubte fest, dass er der Freund ihrer Schwester sei. Über die Abtrünnige wurde nie gesprochen, auch im Stammbaum unserer Familie ist sie nicht aufgeführt.“ Was ist dran an dieser Familien-Fama? Frau Kulikowskis Bruder hat nun bei den Mormonen nachgefragt, ob Gertrud Ruediger, *12. Juli 1877 in Danzig als Tochter von Heinrich Ruediger und seiner Ehefrau Marie geborene Scharmacher, außer ihrem Bruder Georg noch eine Schwester hatte. Die Antwort: Ja, Elise Eleonore Ruediger, *5. Oktober 1878 in Danzig! Sie hat also tatsächlich existiert, diese mysteriöse Schwester von Frau Kulikowskis Großmutter, deren Vater wohl sehr streng gewesen ist. Denn ihr Bruder Georg wurde nur 20 Jahre alt – er hatte Spielschulden und wagte nicht, diese seinem Vater zu beichten.

Was nun? Dass der Schauspieler Paul Hartmann der Liebhaber von Elise Eleonore Rüdiger war, ist höchst unwahrscheinlich. Alles spricht dagegen: Nicht nur, dass er erheblich jünger als die angeblich „Entführte“ ist, seine Vita weist auch keine Skandale auf. Ein Danzig Aufenthalt ist nirgends vermerkt. Paul Hartmann heiratete bereits als Mittzwanziger eine Ballettmeisterin und drei Jahre nach deren Tod 1952 seine zweite Frau, die Malerin Elfriede Lieberun. Er galt als einer der am meisten beschäftigten deutschen Schauspieler, seine Filmografie listet fast 50 Titel auf – darunter auch den 1955 gedrehten Film „Die Barrings“ –, wurde als Staatsschaupieler geehrt und 1964 mit dem Filmband in Gold ausgezeichnet. Nein, diesen seriösen Schauspieler können wir getrost abhaken. Der mit der Rüdigertochter durchgebrannte Schauspieler könnte vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem jungen Hartmann aus seiner Zeit als jugendlicher Liebhaber gehabt haben, ehe er in das Charakterfach wechselte. Was bleibt, ist die Frage von Roswitha Kulikowski: Ist die in unserer Zeitung genannte Leserin namens Ruediger vielleicht eine Nachfahrin ihrer verschwiegenen Großtante, oder ist jemandem aus unserm Leserkreis einmal dieser Elise Eleonore Ruediger aus Danzig begegnet und könnte ihr unbekanntes Schicksal aufhellen? (Roswitha Kulikowski, Arnumer Straße 28 in 30966 Hemmingen, O.T. Harkenbleck, Telefon 05101/2530.)

Bedanken muss ich mich bei einem „nachgeborenen“ Ostpreußen und eifrigen Leser unserer Zeitung, Herrn Jörn Pekrul aus Frankfurt. Er hat mir eine große Freude mit einem ganzen Stapel Fotos gemacht, die er im letzten Jahr auf seinen „Königsberger Wanderungen“ aufgenommen hat, wobei er bewusst auf Spurensuche nach der deutschen Vergangenheit ging. Es entstand ein facettenreiches Bild des heutigen Lebens in Königsberg mit sichtbaren Zeugnissen deutscher Geschichte. Besonderes Augenmerk hat er auf weniger bekannte Gebäude gerichtet wie das Landwirtschaftliche Institut in der Tragheimer Kirchenstraße oder alte Häuser in Amalienau, wo ihn eine Figur an dem Haus Stägemannstraße 41/Ecke Boysenstraße verzauberte. „Sie hat so vieles schon erlebt, trotzdem bewahrt sie Haltung“, meint er zu dieser Aufnahme. Vielleicht erinnern sich alte Amalienauer an diese Figur, die inmitten rissiger Mauern Standhaftigkeit bewahrt hat. Ich werde mit Sicherheit dieses oder jenes Bild auf unserer Seite bringen, wenn es zum Thema passt. Für Herrn Pekrul brachten seine „Königsberger Wanderungen“ noch eine besondere Begegnung. Ein junger Russe hatte bemerkt, dass er mit einem deutschen Stadtplan von 1931 alleine durch die Straßen ging. Sie kamen ins Gespräch und der etwa 30-Jährige ließ sich von Herrn Pekrul die Herkunft der erhaltenen Gebäude erklären, welche Bedeutung sie für die Stadt gehabt und wie die Menschen hier gelebt hatten. „Zwei Männer, beides Kinder der Erlebnisgeneration mit entsprechender Prägung durch die Eltern. Beide am gleichen Ort, aber beide zur gleichen Zeit in zwei verschiedenen Städten, er in Kaliningrad, ich in Königsberg. Es wurde eine intensive Begegnung, und wir beschlossen, Kontakt zu halten.“

Eure Ruth Geede


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