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19.05.12 / Eingelullt und passiv geworden / Schuldenkrise als Folge des Wohlfahrtsstaates und schwacher Persönlichkeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Eingelullt und passiv geworden
Schuldenkrise als Folge des Wohlfahrtsstaates und schwacher Persönlichkeiten

Der Titel beinhaltet den Tenor des Buches „Die Pleite-Republik. Wie der Schuldenstaat uns entmündigt und wie wir uns befreien können“: Die gegenwärtige Euro-Krise bringt zum Vorschein, dass der westliche Wohlfahrtsstaat schon lange über seine Verhältnisse lebt, dass er dabei gleichzeitig unsere individuelle Freiheit immer mehr eingeschränkt hat, weshalb ein Umdenken notwendig ist, um nicht die Fähigkeit zum Streben nach Glück, diese Überzeugung der europäischen Aufklärung, zu verlieren. Denn „das Pathos dieses Rationalismus lässt sich nicht so leicht entmachten und entmündigen“. Der Autor verschweigt nicht, dass solches Pathos eine einheitliche Persönlichkeitsstruktur voraussetzt, an der es nach den Erkenntnissen moderner Dichter, Denker und Wissenschaftler aber mittlerweile mangelt. Da liegt ein unaufgelöster Widerspruch. Vielleicht kann uns der Wohlfahrtsstaat auch deswegen so leicht entmündigen, weil unsere moderne Persönlichkeit in sich zerfallen ist.

Der erwähnte Tenor wird nun in den einzelnen Kapiteln näher untermauert. Die Einführung des Euro ist zwar nicht kausal für den hier und da in seiner Zone drohenden Staatsbankrott verantwortlich, hat ihn aber begünstigt, sofern die Wohlfahrtsstaaten seiner Zone mit erleichterten Kreditmöglichkeiten ihre „Partys feiern“ konnten, wie der Autor sich ausdrückt. Dies und dass die Maastrichter Kriterien Makulatur sind, nachdem gerade Deutschland und Frankreich zu Beginn der 2000er Jahre mit deren Missachtung angefangen hatten, kann man, wie manche andere zwar skandalöse, aber unbestreitbare Einzelheit (etwa die rechtswidrige Übergehung der „no-bail-out“-Klausel) und begründete Bankenschelte, auch anderswo schon länger lesen.

Auffallender ist schon die Auffassung, dass die Mehrheitsdemokratie schon ganz prinzipiell zur Aufblähung des Wohlfahrtsstaates und damit zur Pervertierung der ursprünglichen sozialstaatlichen Aufgabe der Absicherung gegen Risiken neige, mit den Ergebnissen, die uns die gegenwärtige Krise beschert. Denn die Politiker, die nach kurzer Zeit wiedergewählt werden wollen, dienen sich ihren Wählern durch finanzielle Wohltaten an, die sie unter dem Deck-mantel (der Autor ist ein leidenschaftlicher Liberaler, ohne deshalb FDP-Propaganda zu verbreiten) der sozialen Gerechtigkeit und Gleichheit auf den Weg bringen. Zu diesem Zweck muss der Staat sich als finanzieller Umverteiler in großem Ausmaß engagieren, aber auch umfangreiche Schulden machen, die herzlo-serweise auf die nachfolgenden Generationen abgewälzt werden. Welchen konkreten Sinn diese Wohltaten haben, bleibt oft genug dahingestellt, da sie stets mit den Phrasen von Gerechtigkeit und Gleichheit begründet werden. Ein gutes Beispiel ist das Betreuungsgeld, dessen familienfreundliche Etikettierung nicht darüber hinwegtäuscht, dass die Geburtenraten deswegen so gut wie gar nicht steigen, weil das In-die-Welt-Setzen von Kindern nun einmal nicht „ökonomisiert“ werden kann.

Angesichts dessen kann man unsere Form der Mehrheitsdemokratie als die zwar historisch siegreiche Staatsform, aber nicht unbedingt als die bewährteste betrachten. Denn sie hat zu dem vernichtenden Befund beigetragen (zitiert nach dem Nobelpreisträger 1995 für Ökonomie, Robert E. Lucas): „Der europäische Wohlfahrtsstaat ist inzwischen so teuer, dass die Brücke zwischen Arbeitserfolg und dem, was man davon haben will, dem Lebensstandard, nachhaltig zerstört ist.“

Jedenfalls liest sich das Buch sehr glatt, gibt sich frech, mitunter bis zur Plattheit, ist vorbildlich in der Klarheit seiner jeweiligen Problemdarstellung, gibt besonders dem Nicht-Ökonomen vielerlei Anregungen zum Nachdenken und ist auch bekömmlich gemixt: Zentrale Aussagen werden mehrfach gebracht, und zwischendurch wird dezent aufgelockert mit Oliver Twist, Friedrich Nietzsche und Shakespeares „Kaufmann von Venedig“. Bernd Rill

Rainer Hank: „Die Pleite-Republik. Wie der Schuldenstaat uns entmündigt und wie wir uns befreien können“, Blessing, München 2012, 445 Seiten, 19,95 Euro


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