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26.05.12 / Beneschs kaltblütiger Coup / Vor 70 Jahren fiel Reinhard Heydrich in Prag einem tödlichen Attentat zum Opfer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

Beneschs kaltblütiger Coup
Vor 70 Jahren fiel Reinhard Heydrich in Prag einem tödlichen Attentat zum Opfer

„Nicht die Deutschen, sondern die Tschechen selber, konkret Masaryk und Benesch in London, sind für die schrecklichen Gräueltaten verantwortlich, die im Verlauf der Heydrichiade an unserem Volk begangen wurden.“ (Jana Hanus­kova, tschechische Journalistin)

Die Vorgeschichte des gewaltsamen Endes des Reinhard Heyd­rich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) und maßgeblich verantwortlich für die Durchführung der Judenvernichtung, begann auf deutscher Seite mit dessen Ernennung zum stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren. Offiziell war Heyd­rich zwar nur Stellvertreter, aber da der Reichsprotektor, Konstantin von Neurath, ab dem September 1941 beurlaubt war, führte er die Geschäfte. In sein neues Amt führte er sich mit drakonischen Maßnahmen gegen die „lachenden Bestien“, wie er die Tschechen nannte, ein, bekundete in seiner Antrittsrede vom 2. Oktober 1941 auch, „Tschechen haben in diesem Raum eigentlich nichts zu suchen“. Später wollte er sie „eindeutschen“ oder einer „Sonderbehandlung“ unterziehen, aber vorerst galt das Prinzip: „Weniger dulden und weniger reizen.“ Dessen konkrete Bedeutung erläuterte der Prager Militärhistoriker Eduard Stehlík: „Es ging ihm auch darum, dass das Protektorat als Vorratskammer des Reichs arbeitete. Er führte eine ganze Reihe sozialer Verbesserungen für tschechische Arbeiter ein. Die Arbeiterschaft wurde ruhig gestellt, die Londoner Exilregierung musste glauben, dass alle Tschechen mehr oder minder zufrieden sind.“

Wenn die Westalliierten auch so angefangen hätten zu denken, wäre die Londoner Exilregierung unter Edward Benesch erledigt gewesen. Diesem drohenden Gesichtsverlust wollte sie mit der „Aktion Anthropoid“ zuvorkommen, dem Anschlag auf Heydrich. Michal Burian vom Prager Armeemuseum verweist auf ein weiteres Motiv der Exilregierung: „Bis zum Attentat auf Heydrich galt das Münchner Abkommen noch. Franzosen und Engländer sahen es als gültigen Staatsvertrag aus der Vorkriegszeit an. Zeitgleich zur Vorbereitung des Attentats liefen Versuche, das Abkommen für ungültig zu erklären. Dazu musste Präsident Benesch den Westalliierten beweisen, wie bedeutsam der Widerstand im Protektorat war. Dieser Beweis war das Attentat, das dann dazu führte, dass das Münchner Abkommen für null und nichtig erklärt wurde.“ Ver­geb­lich hatte der Widerstand daheim aus Angst vor verheerenden Folgen davor gewarnt.

Mit größtem Aufwand wurde die Aktion vorbereitet, die sich dann als unglaubliche Stümperei erwies: Die über dem Protektorat per Fallschirm abgesetzten tschechischen Agenten verirrten sich, als sie Heydrich endlich im Visier hatten, versagten ihre Waffen, im letzten Moment warfen sie eine Handgranate in den Wagen des SS-Obergruppenführers, die diesen so verletzte, dass er am 4. Juni verschied. Selbst bei Deutschen war die Trauer gering, denn Heydrich hatte sich bei Partei, SA und Bevölkerung rasch unbeliebt gemacht.

Dennoch setzten die Protektoratsbehörden eine Belohnung von zehn Millionen Kronen (600000 US-Dollar) für die Ergreifung der Täter aus, die tschechische Protektoratsregierung legte dieselbe Summe dazu, um deutsche Repressalien zu mildern. Die Attentäter wurden binnen kurzem vollständig liquidiert, verraten von Karel Curda, einem von ihnen. Hinzu kam der Terror der „Heyd­richiade“ – bis 1. September wurden 3188 Personen verhaftet, 1357 hingerichtet und die Dörfer Lezáky und Lidice wurden mit allen Häusern und der gesamten männlichen Bevölkerung niedergemacht.

Nach dem Anschlag, der Tötung der Täter und den Vergeltungsaktionen kehrte im Protektorat der Alltag zurück. Hiervon zeugen großartige Publikationen, wie Jan Drabeks Roman „Ohrenzeuge im Protektorat“ aus dem Jahre 2001 oder die Forschungen des 1978 geborenen Historikers Petr Koura, einem Mitarbeiter am Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der ohne Pathos oder Selbstmitleid formuliert: „Obwohl das Protektorat eine ziemlich blutige und schwere Periode war, ging das Leben weiter. Die Leute genossen Kultur, trieben Sport, es gab sportliche Wettbewerbe, Theatervorstellungen fanden statt, Filme wurden gedreht. Erinnern wir uns doch, dass manche Filme aus dem goldenen Fundus der tschechischen Kinomatografie im Protektorat gedreht worden waren.“ Selbst der Volkswitz lebte: Aus Protektorat wurde „Protentokrat“ (für diesmal noch), Böhmen und Mähren sprach man „berem a vemem“ (ich nehme und stehle) aus.

Die Tschechen des Protektorats unterlagen keiner Wehrpflicht, ihr Land befand sich außerhalb der Reichweite alliierter Bomber – es gab kaum direkte Kriegsschäden. Vor deutschen Drangsalen wie der Verschickung zur Arbeit im Reich schützten Tschechen sich, indem sie früher heirateten und Kinder bekamen. Dadurch stieg die Bevölkerungszahl bis Kriegs­ende deutlich an. Man überlebte eben, sagt Petr Koura: „Wenn jemand fragt, wie das Leben im Protektorat war, dann fällt mir natürlich zuerst das Zuteilungssystem per Lebensmittelkarten ein, an das sich wohl alle Zeitgenossen erinnern. Die Nazis wollten die Wirtschaft regulieren, damit sie möglichst nahtlos ins Kriegssystem passte. Leute mit Verwandten auf dem Land fuhren oft zu ihnen, um ihre Nahrungsmittelvorräte aufzubessern.“

Was blieb? An der orthodoxen Kirche in der Prager Reslova-Gasse kündet eine Tafel in würdevoller Schlichtheit, dass am 18. Juni 1942 die letzten sieben Attentäter in der Krypta zu Tode kamen. Seit Mai 2009 steht am Ort des Anschlags ein Denkmal von erschlagender Scheußlichkeit: Auf einem zehn Meter hohen Block tanzen drei Soldatenfiguren Ringelreihe, darunter die Inschrift, dass dies der Ort „der größten Tat des europäischen Widerstands“ sei, eben der „nationalen Rache“ an Heydrich, denn „Patrioten vergessen nicht, im Unterschied zu tschechischen Politikern“. Wolf Oschlies


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