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26.05.12 / Kriegsopfer / Leben unter litauischer Herrschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

Kriegsopfer
Leben unter litauischer Herrschaft

Der 1938 geborene Spätheimkehrer Günter Perkams wuchs in seinem Heimatort Eglienen im Memelland auf, das nach dem Krieg der Litauischen Sowjetrepublik zugeschlagen worden war. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland 1958 lernte er wieder die deutsche Sprache, legte das Abitur ab und nahm ein Jurastudium auf. Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Justitiar und freiberuflicher Anwalt begann er, Gedichte zu schreiben, und gründete einen eigenen Verlag. Sein erster Erzählband trägt den Titel „Auf dem Berg. Geschichten aus dem Leben“. Ungewöhnlich ist die Zusammenstellung der sechs Erzählungen, mit denen sich der Autor und Ich-Erzähler inhaltlich und zeitlich zwischen der jüngeren Gegenwart und der Nachkriegszeit hin und her bewegt. In „Mast- und Schotbruch“ beschreibt er den Versuch der Reparatur eines in Seenot geratenen Katamarans, der nachts manövrierunfähig auf der Ostsee treibt. Der Erzähler und Beobachter verzichtet hier wie auch in der Titelgeschichte leider darauf, sich selbst und seine Segel- und Wandergesellen vorzustellen. „Liebe auf den Kolchosfeldern“ handelt von der 1948 erfolgten Zwangskollektivierung und der gemeinschaftlichen Arbeit der deutschen und litauischen Landbevölkerung auf den Kolchosen.

In den beiden zentralen Erzählungen – eigentlich sind es eher Berichte – schildert der Autor den Überlebenskampf seiner eigenen, vaterlosen Familie in den Nachkriegsjahren. Wie ihre Vorfahren gehörten seine Eltern zur einfachen Landbevölkerung. Zu spät ging die zehnköpfige Familie im Herbst 1944 auf die Flucht. Sie wurden von der Roten Armee überrollt und mussten umkehren. Haus und Scheune waren unterdessen ausgeplündert und verwüstet worden. Für sie und die gesamte deutsche Restbevölkerung gab es Deutschland nicht mehr. Litauer wurden in das Memelgebiet umgesiedelt, und Russisch wurde Landessprache neben Litauisch. „Wir (Deutschen) waren die Verlierer und Opfer des Krieges … Die litauischen Neusiedler nutzten jede Gelegenheit, um ihre Vormachtstellung zu betonen und die Deutschen als Faschisten und Hitleristen zu diffamieren. Eine neue Art der Kriminalität der Plünderung und des Diebstahls durchzog unser Land. Die Litauer konnten sich viel erlauben und sich dabei sicher fühlen, denn hinter ihnen stand die mächtige sowjetische Administration.“ So wurden nicht wenige Deutsche aus ihren Häusern vertrieben. Für die protestantischen Deutschen war die lutherische Kirche wichtig für den Zusammenhalt, denn nur in der Kirche war man unter sich.

Die letzte Erzählung steuert auf ein verstörendes Ereignis hin, die Ermordung des eigenen Vaters bei einem nächtlichen Überfall durch marodierende russische Soldaten in der Nacht vom 27. auf den 28. Mai 1945. Der Todesschütze feuerte im Dunkeln auf eine über die Wiesen flüchtende Person. Es war Günter Perkams Vater, der Hilfe holen wollte. Das Ereignis hat den damals Siebenjährigen vermutlich schwer traumatisiert. Heute aber meint er, dass der Tod seines Vaters die restliche Familie womöglich gerettet hat. Ob der Mord aufgeklärt wurde, weiß er nicht, doch die sowjetischen Behörden verschafften ihnen anschließend Zuwendungen, wodurch sie sich Pferd und Kuh anschaffen konnten. Auch von den später erfolgten Deportationen der „Sowjetfeinde“ in den asiatischen Teil der Sowjetunion, von denen nicht wenige Memelländer und Litauendeutsche betroffen waren, blieben sie verschont.

Man sollte die Mängel der Texte, etwa bezüglich Aufbau und Ausdruck, nicht überbewerten. Schriftliche Lebenserinnerungen und Dichtungen von Laienschriftstellern sind mit professioneller Literatur nicht zu vergleichen. Als Dokumentationen und Lebensäußerungen sind sie grundsätzlich wertvoll. Dagmar Jestrzemski

Günter Perkams: „Auf dem Berg. Geschichten aus dem Leben“, Verlag Günter Perkams 2011, broschiert, 183 Seiten, 9,80 Euro.


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