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26.05.12 / Vorzüglich erhaltene Versteinerung begeistert Fachwelt / Bürgermeister-Müller-Museum in Solnhofen zeigt einzigartige Funde − Stellung der Sammlung in der Paläontologie weiter gestärkt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

Vorzüglich erhaltene Versteinerung begeistert Fachwelt
Bürgermeister-Müller-Museum in Solnhofen zeigt einzigartige Funde − Stellung der Sammlung in der Paläontologie weiter gestärkt

Solnhofen im reizvoll gelegenen Altmühltal ist nun die Heimat des mit Spitznamen genannten „Paintener Eichhörnchens“. Die 150 Millionen Jahre alte Versteinerung begeistert wegen seiner vorzüglichen Erhaltung die Fachwelt.

„Die Erhaltung des Fundes ist atemberaubend. Vor allem im Makrobereich ist die Weichteilerhaltung sensationell gut. Dieser Neufund schmälert die Bedeutung des in Eichstätt ausgestellten Juravenator in keiner Weise, sondern ermöglicht weitere, sehr wichtige neue Erkenntnisse“, so die Aussage von Helmut Tischlinger, der zusammen mit anderen Dinosaurierforschern an der Dokumentation des bisher besterhaltenen in Deutschland gefundenen Dinosauriers beteiligt war. Tischlinger hat ein Verfahren entwickelt, mit dem mit Hilfe von ultraviolettem Licht phosphatisch erhaltene ehemalige Weichteile wie Beschuppung und Haare sichtbar gemacht werden können.

„Dieser Raubsaurier ist zu etwa 98 Prozent vollständig und repräsentiert somit sicherlich den vollständigsten je in Europa gefundenen Dinosaurier und einen der vollständigsten Theropoden weltweit“, erklärte Dr. Oliver Rauhut, Konservator an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie. Unter seiner Leitung erstellte ein internationales Team eine erste Dokumentation über den Sensationsfund. Der noch namenlose Raubdinosaurier setzt sich damit an die europäische Spitze und reiht sich neben so legendäre „Ur-Europäer“ wie die Jura-Dinosaurier Compsognathus und Juravenator.

Theropoden, also Raubsaurier, gehören weltweit zu den seltensten Dinosaurierfunden. Ein großer Teil der bekannten Arten ist nur in unvollständigen oder in fragmentarischen Resten bekannt. Bei dem Neufund ist auch die Tatsache, dass es sich um ein etwa 70 Zentimeter großes Jungtier handelt, wissenschaftlich hoch interessant. Am erstaunlichsten ist die Erhaltung einer starken Behaarung in verschiedenen Bereichen des Tieres. Haar- bzw. Filamentstrukturen bei Dinosauriern stehen schon seit Jahren im Fokus vieler Untersuchungen, da sich aus ihnen wohl die beim Archaeopteryx überlieferten Federn entwickelt haben.

Das Tier wurde in einem Steinbruch bei Kelheim in Bayern von einem Team professioneller Fossilienausgräber entdeckt. Das Gebiet zählt geologisch zum östlichen Solnhofener Archipel. Dort befand sich vor rund 150 Millionen Jahren eine lagunenartige Insellandschaft, wobei die Versteinerungen in Meeresbereichen entstanden, wo die Körper der Tiere mit Sedimenten überdeckt wurden.

Nach aufwändiger Bergung durch die Spezialisten und nachfolgender, viele Hundert Stunden langer, mehrstufiger Präparation im Labor gelang es, das freiliegende und schon der Witterung ausgesetzte Stück fast vollständig zu erhalten. Die Besitzer erkannten seinen hohen wissenschaftlichen und kulturellen Wert und meldeten den Fund als deutsches Kulturgut an. Damit darf der Dinosaurier das Land nicht mehr verlassen und wird der Wissenschaft in Deutschland und der Öffentlichkeit dauerhaft erhalten bleiben.

Im Bürgermeister-Müller-Museum ergänzt das Exponat die dort vorhandene Ausstellung mit den beiden Exemplaren des Archaeopteryx. Damit wird die weltweit führende Stellung des Solnhofener Museums in der Paläontologie weiter gestärkt. Museumsleiter Martin Röper freute sich: „Aus meiner Sicht wurde bei dem Fund alles richtig gemacht. Der Besitzer hat sich selbst darum bemüht, dass das Fundstück den Status des nationalen Kulturgutes erhält.“

Seit Anfang April bis November wird das „Eichhörnchen“ im Rahmen der neuen Ausstellung „Fossillagerstätte Brunn – Geburt des Solnhofen-Archipels“ in Solnhofen gezeigt. Der damalige Bürgermeister Friedrich Müller entdeckte 1987 das sechste Exemplar des Urvogels. Im Museum sind zwei originale Versteinerungen des Archaeopteryx –des Urvogels – vorhanden. Der erste von ihnen wurde 1861 gefunden. Ein Jahr zuvor ging der Fund einer einzelnen Feder voraus. Diese „alte Feder“ gab dem Urvogel auch den wissenschaftlichen Namen. Durch den Archaeopteryx konnte die Existenz vogelartiger Dinosaurier zur Jurazeit belegt werden.

Das nach modernsten Gesichtspunkten gestaltete und als regionales Schwerpunktmuseum anerkannte Museum zeigt in reicher Auswahl versteinerte Tiere und Pflanzen aus der Jurazeit. In den Vitrinen findet der Besucher ausschließlich Originale aus der Gruppe der Saurier beziehungsweise Reptilien (Homoeosaurus, Pleurosaurus und Flugsaurier), eine Vielzahl von Krebsen, Kopffüßlern (Tintenfische, Ammoniten und Belemniten) und Stachelhäutern. Besonders reichhaltig vertreten ist die Welt der Fische. Gezeigt werden Kugelzahnfische, Seekatzen, Haifische, Schnabelfische und Knochenfische. Im Eingangsbereich der Ausstellung werden den Besuchern die Erdformationen erklärt; mit Grafiken werden sie zur Jurazeit hingeführt.

Im oberen Stockwerk ist ein Modellsteinbruch mit den auch heute noch gebräuchlichen Arbeitsgeräten der Steinbrecher nachgebildet.

Die Erfindung der Lithografie (Steindruck) durch Alois Senefelder um das Jahr 1798 brachte Solnhofen einen gewaltigen Aufschwung. Denn nur der feinkörnige Solnhofener Stein kann für Druckzwecke verwendet werden. Eine Ausstellung von Lithografien sowie eine zeitgenössische Druckmaschine zeugen von den großartigen Möglichkeiten des Steindrucks im künstlerischen Bereich und ergänzen den Museumsbereich. Zudem finden jeden Mittwoch Betriebs- und Steinbruchführungen mit Fossiliensuche statt. Manfred E. Fritsche

Museum in Solnhofen, Bahnhofstraße 8, 91807 Solnhofen, Telefon (09145) 8320-20, Telefax (09145) 8320-50, E-Mail: info@solnhofen.de und über die Internetseite der Gemeinde http://www.solnhofen.de


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