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26.05.12 / Jugend ohne Gott / Nirgends auf der Welt wird so wenig an Gott geglaubt wie in Mitteldeutschland – Gründe in der Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

Jugend ohne Gott
Nirgends auf der Welt wird so wenig an Gott geglaubt wie in Mitteldeutschland – Gründe in der Geschichte

In der Tschechischen Republik und in den östlichen Bundesländern ist der Atheismus weit verbreitet. Genauer gesagt, glauben nirgends auf der Welt so wenige Menschen an Gott wie in Mitteldeutschland. Das hat eine neue US-Langzeitstudie herausgefunden hat. Berlin ist demnach ein Epizentrum der Gottlosigkeit, was für das allgemeine Wertegefüge hierzulande nicht ohne Konsequenzen bleibt.

Erstaunlicherweise ist in den fünf neuen Ländern und dem Ostteil Berlins der Atheismus auch in der Altersgruppe von jungen Menschen unter 28 Jahren, die nach der „Wende“ 1989/90 bereits in der vereinten Bundesrepublik groß geworden sind, weit verbreitet. 71,6 Prozent von ihnen geben an, dass sie noch nie an die Existenz Gottes geglaubt haben. Damit ist der Unglaube fast genauso hoch wie in der Altersgruppe der 38- bis 47-Jährigen (72,6 Prozent).

In puncto Gottesferne bewegen sich also Jugendliche und Eltern, die noch die atheistische DDR-Erziehung genossen haben, etwa auf gleichem Niveau wie die jungen Leute. Offenbar waren also die Bemühungen der evangelischen und katholischen Kirche in den letzten 20 Jahren relativ erfolglos. Nur in der Altersgruppe zwischen 28 und 37 Jahren ist tatsächlich etwas weniger Atheismus festzustellen. Hier haben 63,8 Prozent noch nie an Gott geglaubt. Als Erfolg können die christlichen Kirchen oder andere Religionsgemeinschaften diese etwas günstigere Zahl aber wohl auch nicht verbuchen. Denn wahrscheinlich ist der Rückgang durch diejenigen bedingt, die aus beruflichen Gründen vom Westen in den Osten gewechselt sind, ihren Glauben sozusagen mitgebracht haben.

Die vorgenannten Zahlen stammen aus dem internationalen Forschungsprojekt „Beliefs about God across Time and Countries“ (Glaube an Gott über Zeiträume und Länder) von der Universität Chicago. Die an der Langzeitstudie beteiligten Soziologen wollten herausfinden, wie sich der Gottesglaube in verschiedenen Ländern im Laufe größerer Zeiträume verändert. Daher erfragten sie in den Jahren 1991, 1998 und 2008 das Ausmaß an Religiosität in christlich geprägten Ländern auf der ganzen Welt.

Für Deutschland wurden die Ergebnisse nach Ost und West aufgeschlüsselt. „Ich glaube nicht an Gott“, sagten in Mitteldeutschland 52,1 Prozent aller Befragten, während in Westdeutschland dies nur 10,3 Prozent, in Russland 6,8, in den USA drei und auf den Philippinen 0,7 Prozent erklärten. Der niedrige Wert in Russland erstaunt vor allem deswegen, weil hier über mehr als 70 Jahre eine kommunistische Diktatur herrschte. Ähnlich wie die nationalsozialistische und sozialistische Herrschaft auf dem Gebiet Mitteldeutschlands versuchte sie den Menschen den Glauben an Gott auszutreiben. Doch nach der Wende 1990/91 ließen sich in Russland die Menschen wieder in Massen taufen. Während der Atheismus im Gebiet der ehemaligen DDR seitdem um 3,4 Prozent stieg, sank er in Russland in den letzten 20 Jahren um 11,7 Punkte. Wie selbstverständlich besuchen auch der Präsident und Ministerpräsident Russlands regelmäßig die Gottesdienste in den orthodoxen Kirchen des Landes, was man von Politikern in den neuen Bundesländern nur in Ausnahmefällen hört.

Was sind die Ursachen und Konsequenzen dieser relativ eindeutigen Ergebnisse? Lebt es sich ohne Gott tatsächlich leichter? Bleibt Gottlosigkeit ohne Konsequenzen für ein Land? Gerne wird die große Distanz zu Gott auf die allgemeine Modernisierung geschoben, so auch die Autoren der Studie. Das scheint nur auf den ersten Blick einleuchtend, weil jüngere Leute in der Regel etwas weniger als ältere an Gott glauben. Ein Gegenbeispiel bildet Israel, wo deutlich mehr jüngere als ältere Menschen an Gott glauben. Israel ist eines der modernsten Länder der Welt mit der höchsten Zahl von patentierten Erfindungen pro Kopf. Nach Meinung der Studienautoren liegt das auch daran, dass Juden und Moslems in starker Konkurrenz zueinander leben, was bekanntlich „das Geschäft“ belebe. Eine solche Konkurrenz gibt es in mitteldeutschen Gebieten nicht. Dort leben kaum Moslems und auch die evangelische und katholische Konfession haben sich schiedlich, friedlich „ökumenisch“ arrangiert.

Ein wesentlicher Grund für den größeren Atheismus scheint jedoch in der Geschichte begründet zu sein. Slawische Gebiete östlich der Elbe galten bereits im Hochmittelalter als eher kirchenfern. Seit der Einführung der Reformation und dem Aufblühen der Aufklärung verstärkte sich dieser Trend, so auch in den vom Königreich Preußen beherrschten Gebieten. Im Gegensatz zu den katholisch oder orthodox geprägten Ländern konnten sich Säkularisierung und Kommunismus hier besonders ausbreiten.

Dramatisch zeigen sich die Auswirkungen besonders in den Kerngebieten der Reformation in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der evangelischen „Landeskirche Mitteldeutschland“ mit der Lutherstadt Wittenberg gehören nur noch 19,5 Prozent der Bevölkerung an. Warum immer weniger Menschen mit dem von den christlichen Kirchen verkündeten persönlichen Gott etwas anfangen können, begründet der Erfurter Theologieprofessor Eberhard Tiefensee mit der „Areligiösität“. Gemeint ist damit die Einstellung, dass es den Menschen völlig egal zu sein scheint, ob es Gott nun gibt oder nicht. Sie lassen den Höchsten links liegen und hoffen sozusagen ungestraft davonzukommen.

Ob das tatsächlich der Fall zu sein scheint, ist schon im irdischen Leben zweifelhaft. Galten früher bekennende Katholiken oder Protestanten zuweilen als eher rückständig, so scheint das heute anders zu sein. Die Religion gilt unter Kulturwissenschaftlern als der zentralste Motor für die Wertebildung, für Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit, Ordnung, Fairness und ehrenamtliches Engagement. Allerdings komme es dabei wesentlich darauf an, zu welcher Religion man gehört, an welchen Gott der Mensch glaubt.

Dass man mit Gott erfolgreicher auch im Alltag sein kann als ohne Gott, das zeigen Initiativen, die es auch auf dem Gebiet der Ex-DDR gibt. So entstanden in den letzten 15 Jahren bei der evangelischen „Berliner Stadtmission“ neue Gemeinden für junge Menschen. Bei der „Jungen Kirche Berlin“ treffen sich vor allen Dingen Gymnasiasten, Studenten und junge Akademiker, die Freude am Glauben haben. Auch die in Erfurt angesiedelten katholischen Angebote der „Feier zur Lebenswende für Ungetaufte“, das „Nächtliche Weihnachtslob“ auf dem Domplatz oder der „Gottesdienst für Verliebte“ erfreuen sich immer größeren Zulaufs. Hinrich E. Bues


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