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26.05.12 / Hoffnungslos verrannt / Wunderbares Gleichnis über das Nicht-Aufhören-Können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

Hoffnungslos verrannt
Wunderbares Gleichnis über das Nicht-Aufhören-Können

Bei dem dritten Roman von Stefan aus dem Siepen verfällt der Leser sofort der darin beschriebenen negativen menschlichen Eigenschaft des Nicht-Aufhören-Könnens. Haushalt, Einkauf, ja sogar der eigene Hunger geraten in Vergessenheit, denn man will erst das Buch zu Ende lesen, obwohl man ahnt, dass „Das Seil“, so der Titel, nicht ein Ende liefert, das einen zufriedenstellt.

Dabei beginnt doch alles so beschaulich. Kurz vor der Ernte macht der Bauer Bernhardt einen Spaziergang entlang seiner Felder und freut sich über den zu erwartenden Ertrag. Stolz geht er heim, in sein Haus, das in einem vom Wald umschlossenen Dorf liegt, und betrachtet glücklich seine in der Wiege liegende Tochter Elisabeth. Doch trotz allem

Glück treibt ihn etwas am nächsten Tag zusammen mit zwei anderen Männern aus dem Dorf: ein Seil.

Dieses hatte er bei seinem Abendspaziergang entdeckt und gesehen, dass es in den Wald führte. Doch da der erste Versuch, das andere Ende des Seils zu finden, von einem Angriff eines Keilers unterbrochen wird, wird der verletzte Nachbar heimgebracht und am nächsten Tag machen sich fast alle männlichen Dorfbewohner auf den Weg, um das Ende des Seiles zu finden. Von Neugier besessen ziehen sie immer weiter und lassen Frau, Kinder, Vieh und Felder allein zurück.

Das Gleichnis des Autors auf das Nicht-Aufhören-Können wird hier am Beispiel eines Dorfes gezeichnet. Wann die Geschichte spielt, ist unklar, aber darum geht es auch nicht. Stefan aus dem Siepen, der nach seinem Jura-Studium im Diplomatischen Dienst der Bundesrepublik auch im Ausland tätig war und der nun im Planungsstab des Auswärtigen Amtes arbeitet und mit Frau und seinen vier Kindern in Potsdam lebt, hätte auch zahlreiche andere Szenerien entwerfen können, um im Grunde dieselbe Geschichte zu erzählen. Obwohl sich abzeichnet, dass das Ende des Seils nicht so schnell zu finden sein wird, treibt das Unbegreifliche die meisten Männer ihrem neuen Anführer hinterher, der in dem Seil seine Chance gesehen hat, die „Macht“ zu ergreifen. Die Vernunft, hier in Person von Bauer Bernhardt, wird missachtet und endet tragisch. Das Einsehen, dass man sich „verrannt“ hat, erfolgt erst, nachdem im Grunde alles verloren und viel Blut geflossen ist.

Wenn dann das Ende des Buches erreicht ist, legt man dieses nachdenklich zur Seite. Erstens, weil man als Leser der gleichen Obsession wie die Männer anheimfiel und zweitens, weil einem lauter Beispiele aus der Realität einfallen, bei dem das Nicht-Aufhören-Können ins Unheil fühlt. So dachte die Verfasserin dieser Zeilen beim Lesen an das immer weitere Auflegen immer größerer Euro-Rettungsschirme … R. Bellano

Stefan aus dem Siepen: „Das Seil“, dtv premium, München 2012, kartoniert, 176 Seiten, 14,90 Euro


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