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26.05.12 / Hunde als Familie / Liedermacherin findet in russischem Dorf zu sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

Hunde als Familie
Liedermacherin findet in russischem Dorf zu sich

Durch die Arbeit der Pferdeflüsterer ist bekannt, dass es im Umgang mit hoch entwickelten Tieren wie Pferden einer bestimmten Art von Körpersprache bedarf. Mit Hunden verhält es sich nicht anders, was die Tierpsychologin und Buchautorin Maike Maja Nowak durch eigene Erfahrung herausfand. Nach einer Ausbildung zur Tierpsychologin gründete sie vor einigen Jahren in Berlin ihr Dog-Institut. In ihrem neuen Buch mit dem Titel „Wanja und die wilden Hunde“ erzählt sie von ihrem Leben in einem russischen Dorf mit dem Rüden Wanja und einem Rudel von halbwilden Hunden, die noch auf ursprüngliche Art miteinander kommunizierten. Für die 1961 in Leipzig geborene und in der DDR sehr erfolgreiche Liedermacherin und Komponistin ergab sich daraus Jahre später eine völlig neue Richtung in ihrem Leben.

Maja Nowak hat ihre scharfen Beobachtungen in eine feinsinnige Schilderung eingebracht, weshalb man ihr Buch in mancherlei Hinsicht mit Gewinn liest. Mit ihrer „Entdeckung“ der russischen Dichterin Marina Zwetajewa (1892–1942) nahm alles im Jahr 1990 seinen Anfang. Damals fand die Autorin mit ihren Liedern immer weniger Anklang, und sie benötigte dringend neue künstlerische Inspirationen. In Zwetajewas hochemotionaler Poesie spiegelte sich ihre eigene Seele wider. Auf einmal verstand sie, warum die Russen damals noch großartige Gedichte als „Brot für die Seele“ bezeichneten. Umgekehrt schätzte das russische Publikum ihre Vertonungen von Zwetajewas Versen. Maja Nowak wohnte schon eine Zeitlang in Moskau, als sie widerstrebend dem Drängen ihrer Freundin Vera nachgab, die sie unbedingt in das abgelegene Dorf Lipowka mitnehmen wollte, wo Vera als Waisenkind aufgewachsen war. Mittlerweile lebten dort nur noch 86 Bauern, allesamt Babuschkas (Großmütter) und Djeduschkas (Großväter). Nach Auflösung der Kolchosen waren ihre jüngeren Verwandten fortgezogen. Um zu dem einige hundert Kilometer von Moskau entfernten Dorf zu gelangen, mussten die beiden jungen Frauen zuletzt stundenlang querfeldein zu Fuß gehen. Wenig später begann ihre Freundschaft mit dem wild lebenden, angeblich bissigen Hund Wanja, der sich ihr aus freien Stücken anschloss. Er sollte der Leithund eines Rudels werden, das sich nach und nach in und um Majas neues Heim einfand. Wie aus dem alten Russland muten ihre Geschichten vom einfachen Leben der Menschen in Lipowka an. Während die Bauern Maja mit Lebensmitteln versorgten, half sie im Gegenzug einigen alten Bäuerinnen in Haus und Garten. Als deutsches Stadtkind in einer tiefen Lebenskrise verspürte sie allmählich ein ihr eher unbekanntes Gefühl: „Es heißt Vertrauen. Die Zuneigung und Freundschaft, die mir die Dorfbewohner als Fremde zukommen lassen, die Bodenständigkeit der Menschen, die sich ihres Lebenssinnes völlig bewusst sind und die mir ein Gefühl davon vermitteln, ‚richtig zu sein‘, all das trägt dazu bei, dass ich sehr vorsichtig versuche, erneut Vertrauen zu wagen.“

Vom Tod Wanjas, den ein betrunkener Dorfbewohner erschoss, erfuhr sie 1998 in Deutschland während einer Tournee. Es war nicht ihr erster schmerzlicher Abschied von all den Wesen, die ihr ein neues Leben gaben. Sie kehrte nicht mehr nach Lipowka zurück. Mit einer kleinen Hundekunde endet diese bewegende und auch lehrreiche Lektüre. Dagmar Jestrzemski

Maike Maja Nowak: „Wanja und die wilden Hunde“, Mosaik Verlag, München 2012, geb., 332 Seiten, 17,99 Euro


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