25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.06.12 / Das rote Kuckucksei von Paris / EU-begeisterte SPD dürfte sich noch umschauen, wenn ihre französische Schwesterpartei Tacheles redet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Das rote Kuckucksei von Paris
EU-begeisterte SPD dürfte sich noch umschauen, wenn ihre französische Schwesterpartei Tacheles redet

Während die kunstvolle Zusammenstellung der neuen französischen Ministerriege nach Kriterien wie Migrationshintergrund oder Frauenquote in den Medien breit diskutiert wurde, ist eine Tatsache bisher kaum beachtet worden: Mehrere der neuen Minister haben in der Vergangenheit gegen die EU mobil gemacht und dies sogar erfolgreich.

17 Frauen, 17 Männer, jeder fünfte Minister aus einem französischen Überseegebiet: Aus dem Blickwinkel der politischen Korrektheit scheint das neue Kabinett unter Frankreichs Präsident François Hollande kaum zu beanstanden. Wären da nicht fünf Minister, die als ausgewiesene Kritiker der EU gelten. Das gilt vor allem für den neuen französischen Außenminister Laurent Fabius. Innerhalb der Parti Socialiste gilt der ehemalige  Premierminister als politisches Schwergewicht, gleichzeitig hängt ihm seit einigen Jahren der Ruf eines EU-Kritikers an. Im Jahr 2005 hatte er dabei geholfen, die Franzosen gegen eine EU-Verfassung zu mobilisieren. Mit Erfolg: Mit fast 55 Prozent wurde der maßgeblich vom Ex-Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing beeinflusste Verfassungsentwurf von den Franzosen abgelehnt. Zusammen mit der Ablehnung durch die Niederländer war das das Ende des Projekts „EU-Verfassung“. Begründet hatte Fabius seinen damaligen Einsatz gegen die Verfassung damit, dass sie zu wirtschaftsliberal sei. Damit stellte er sich nicht nur gegen den damaligen Parteichef François Hollande, sondern er eckte auch als EU-Abgeordneter bei den Fraktionskollegen im EU-Parlament an. Der ihm bis heute anhaftende Ruf eines linken EU-Kritikers dürfte der Grund gewesen sein, warum er es für nötig gehalten hat, zum Amtsantritt ein Bekenntnis zur EU abzulegen. Der vorgebrachte Wunsch nach einem „anderen Europa“ folgte auf dem Fuße.

Die Berufung Fabius’ durch Hollande ist noch aus einem anderen Grund erstaunlich. Der neue Außenminister galt lange Zeit als entschiedener Gegner von Hollande. Er hat ihn in der Vergangenheit nicht nur als „Walderdbeere“  tituliert, sondern auch gespottet, dass Hollande „im Traum nicht Präsident wird“. Nachdem sich Hollande bei den parteiinternen Vorwahlen durchgesetzt hatte, änderte Fabius schlagartig seine Strategie und unterstützte Hollande. Neben solcher „Flexibilität“ zeichnet Fabius noch eine andere Eigenschaft aus: die Fähigkeit, auch schwere politische Krisen zu überstehen. In seine Zeit als Premierminister unter seinem politischen Ziehvater François Mitterand als Präsidenten fällt der Skandal um die Sprengung des Greenpeace-Schiffes „Rainbow Warrior“ durch den französischen Geheimdienst DGSE. Ebenso wie diese Affäre hat er unbeschadet ein Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof überstanden, das wegen der Verwendung HIV-kontaminierter Blutprodukte in Frankreich gegen ihn geführt wurde.

Genauso erstaunlich wie die Ernennung von Laurent Fabius ist die Berufung eines anderen bekannten EU-Kritikers. Arnaud Montebourg wurde von Hollande zum „Minister für die Wiederbelebung der Produktion“ gemacht. Trotz des pompösen Titels wird Montebourg nichts anderem als dem althergebrachten Industrieministerium vorstehen. Beim Erhalt von Arbeitsplätzen setzt Montebourg ganz offen auf Protektionismus. Auch er hat im Jahr 2005 gegen die EU-Verfassung mobil gemacht. Montebourg, der in der Vergangenheit bereits Kanzlerin Merkel mit Bismarck gleichgesetzt hat, macht bis heute offen gegen Deutschland und die EU Front.

Nicht übersehen sollte man auch ein anderes Detail bei der Kabinettsbildung durch Hollande. Zum Premier hat er seinen Vertrauten Jean-Marc Ayrault ernannt. Der frühere Deutschlehrer gilt nicht nur als germanophil, sondern auch gut verdrahtet mit der deutschen SPD. Allerdings war Hollandes Wahl von Ayrault gleichzeitig eine Entscheidung gegen Martine Aubry. Sie ist die Tochter des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors.

Als Erklärung für die Personalpolitik Hollandes sind zwei Möglichkeiten naheliegend. Zum einen bindet Hollande linke EU-Kritiker in der Parti Socialiste von vornherein in die Regierungsarbeit ein und sichert sich damit Einfluss auf sie. Vor allem mit Blick auf die Parlamentswahlen am 17. Juni dürfte er allerdings noch etwas anderes im Blick haben: die Möglichkeit, zur gegebenen Zeit selbst die Anti-EU-Karte auszuspielen. Dass er auch diese Tonart beherrscht, hatte er bereits im Präsidentschaftswahlkampf klar gemacht. „Die Franzosen sind nicht irgendein Volk, das sich von Beamten in Brüssel herumkommandieren lässt“, ließ er da verlauten. Mit solchem Auftrumpfen zielt Holland vor allem auf die Wähler der Front Nationale (FN). In einem Interview mit „Libération“ hatte Hollande erklärt, dass er diejenigen FN-Wähler erreichen will, die politisch eher links stehen und aus „sozialer Wut“ die FN wählen. Hollandes Konfrontationskurs mit Bundeskanzlerin Merkel dürfte ihm bei diesem Vorhaben zusätzlich Pluspunkte bringen. Allerdings könnte im Zuge dieser Strategie auch die EU-fixierte deutsche SPD noch einige Überraschungen mit ihrer französischen Schwesterpartei erleben. Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren