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02.06.12 / Reingewaschen für EU / Neuer serbischer Präsident passt sich an – Zugleich Flirt mit Moskau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Reingewaschen für EU
Neuer serbischer Präsident passt sich an – Zugleich Flirt mit Moskau

Was wäre der Balkan ohne Verschwörungstheorien? Sie erklären Unerklärliches wie das Resultat der serbischen Präsidentenwahlen vom 20. Mai, die der als proeuropäisch eingestufte Boris Tadic mit 47,3 Prozent gegen den als nationalistisch verschrienen Tomislav Nikolic (49,6 Prozent) verlor und dies bei gerade 45 Prozent Wahlbeteiligung. So wollte es die EU, die keine serbischen „Proeuropäer“ mag, raunte Belgrad, denn nur so könne die überlastete EU den Beitritt Serbiens noch verhindern. Der Umstand, dass die EU-Spitzen Herman van Rompuy und José Manuel Barroso dem Sieger drei Stunden vor Schließung der Wahllokale gratulierten, war Öl im Feuer der Verschwörungstheorie. Tatsächlich war es eine Panne, die Brüssel schnell korrigierte, und erleichtert vernahm die EU, was ihr Abgesandter, der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak, von Nikolic berichtete. Dieser „bestehe auf der Fortsetzung des europäischen Wegs Serbiens, auf einem nationalen Konsens zur Lösung des Kosovo-Problems und auf dem Kampf gegen Korruption und Kriminalität“. Nun war Brüssel zufrieden, denn vom „grobar“ (Totengräber), als der Nikolic als Ex-Friedhofsverwalter der Stadt Kragujevac verhöhnt wurde, und vom Ex-Stellvertreter des Radikalen Voijslav Seselj hatte man Schlimmeres erwartet. Und Nikolic bemühte sich weiter um guten Eindruck: Er trat aus der von ihm 2008 als Konkurrenz zu den Radikalen gegründet Serbischen Fortschrittspartei (SNS) aus,  die ihn gerade in der Koalition „Bewegen wir Serbien“ an die Staatsspitze katapultiert hatte. Jetzt will Nikolic mit Überparteilichkeit seinen „europäischen“ Wandel demonstrieren. 

Ein serbischer Präsident ist im Grunde so machtlos wie ein deutscher, so dass Nikolic alles und jedes zusagen konnte. Zumal er sich immer auf die Verfassung berief, die in Artikel 1 Serbien auf „europäische Prinzipien und Werte“ verpflichtet und in Artikel 182 das Kosovo explizit als Teil Serbiens nennt. Also wird in der „Kohabitation“ mit dem neuen Präsidenten weiterhin gelten, dass Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennt, nicht einmal um den Preis seines EU-Beitritts. Hinter Nikolic steht Russland, das ein unabhängiges Kosovo als völkerrechtswidrig ansieht und es im UN-Sicherheitsrat blockiert. So wird es weitergehen, versicherte nach der Wahl Moskaus Botschafter Aleksandr Konuzin, während Nikolic am 25. Mai nach Moskau flog, um am Kongress der Putin-Partei „Einiges Russland“ teilzunehmen und mit ihr ein „Kooperationsabkommen“ zu schließen. Falls Brüssel sich ärgert, sollte es sich erinnern, wie oft es Tadics Serbien Kooperation verweigerte.

Westliche Kommentare zu Nikolic betreiben Ursachenforschung zu dessen Sieg: Der abgewählte Tadic sei zu „arrogant“ gewesen, die Wirtschaft läge danieder, die Arbeitslosigkeit sei „katastrophal“ hoch. Solche Urteile sind, milde gesagt, übertrieben. Serbien galt lange als „Primus unter den Transitionsländern“ und kann sich auch nach den Krisenjahren ab 2008 noch sehen lassen. Sein Wirtschaftswachstum wird 2013 etwa 2,6 Prozent erreichen, seine Inflation wird laut Nationalbankgouverneur Dejan Soskic weiter fallen und 2012 bei (erwarteten) vier Prozent liegen. Zwar gingen ab 2008 200000 Arbeitsplätze verloren, doch sind bis zu einer Million Schwarzarbeiter tätig, die 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften.

Tadic will nun für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren.          W.O.


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