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02.06.12 / Verschwiegene Erfolgsgeschichte / Dem krisengeplagten Island geht es wieder besser, gerade weil es sich nicht an den Rat von EZB, EU und IWF hielt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Verschwiegene Erfolgsgeschichte
Dem krisengeplagten Island geht es wieder besser, gerade weil es sich nicht an den Rat von EZB, EU und IWF hielt

Nach dem Zusammenbruch dreier Großbanken hat Island einen wirtschaftlichen Absturz erlebt wie die Euro-Krisenländer Irland und Griechenland. Während diese allerdings immer tiefer in der Krise versinken, ist Island längst wieder auf Erfolgskurs.

Von „massiven Erschütterungen“ bis zum „unkalkulierbaren Risiko“: So klingen Warnungen vor einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone üblicherweise. Etwas anders lautet die langfristige Prognose des Chefs des weltgrößten Devisenhandelsunternehmens ICAP, Michael Spencer: „Sobald ein Land austritt und davon profitiert, werden einige andere das auch für vernünftig halten. Die ganze Dürftigkeit des Euro-Experiments wäre dann so klar zu sehen, wie des Kaisers neue Kleider.“ Ein Griechenland, das nach Rückkehr zur Drachme den Weg aus der Krise schafft, könnte in der Tat Nachahmer wie Portugal und Irland finden. Auf der Strecke bleiben würden dabei Brüsseler Träume von einer noch stärkeren europäischen Integration als scheinbare Konsequenz der Krisenbekämpfung.

Dass Island, das sich nicht an die Rezepte von EU, EZB und Bankenlobby gehalten hat und dabei überaus erfolgreich war, weitgehend aus der Berichterstattung der deutschen Medien verschwunden ist, dürfte kein Zufall sein. Vergleicht man die katastrophale Ausgangslage der Insel im Jahr 2008, dann drängt sich ein Vergleich mit der aktuellen Lage von Griechenland und Irland fast auf. Dem Bankrott dreier isländischer Großbanken im Herbst 2008 folgte ein Kollaps der Wirtschaft. Islands Inflationsraten reichten im Laufe der Krise bis an 19 Prozent heran, während der Wechselkurs der isländischen Krone zu 60 Prozent einbrach. Zwar sank die Wirtschaftsleistung zunächst im zweistelligen Prozentbereich, der unvermeidbar scheinende Staatsbankrott konnte allerdings in letzter Minute noch abgewehrt werden.

Umso erstaunlicher ist die Lage Islands drei Jahre später: Die Wirtschaft wächst mit rund drei Prozent und somit dreimal schneller als in Irland, das von der EU gern als Vorbild der Krisenbewältigung dargestellt wird. Der irischen Arbeitslosenquote von 14,5 Prozent steht ein Wert von 7,5 Prozent in Island gegenüber.

Der isländische Erfolg beruht auf dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Anders als Irland hat sich Island geweigert, die horrenden Schulden des privaten Banksektors den Steuerzahlern aufzubürden. Stattdessen wurden die bankrotten Banken einfach fallengelassen. Hätte man das irische Modell übernommen, dann hätten die 320000 Isländer jahrzehntelang die 85 Milliarden Dollar an Schulden zurückgezahlt, die rund 30 größenwahnsinnige Bankmanager innerhalb weniger Jahre angehäuft hatten. Islands Regierung hat lediglich das Inlandsgeschäft der Pleitebanken übernommen, ausländische Gläubiger mussten ihre Verluste alleine tragen. Ebenso wichtig war die Handlungsfreiheit in der Währungspolitik. Durch eine Abwertung der isländischen Krone um 50 Prozent ist die isländische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig geworden.

Die Abwertung nach außen hat etwas möglich gemacht, wovon die Arbeitnehmer in den Euro-Krisenländern nur träumen können: Lohnerhöhungen, mit denen die Binnenwirtschaft angekurbelt wird. In Tarifverhandlungen wurde ein Anstieg der Löhne von 11,4 Prozent und sogar eine Verdoppelung der Mindestlöhne innerhalb von zwei Jahren vereinbart.

Nobelpreisträger Joseph Stiglitz steht mit seiner Einschätzung „Island hat das Richtige getan, während Irland alles falsch gemacht hat“ nicht allein. Danske-Bank-Analyst Lars Christensen sieht für die schnelle Erholung Islands noch einen weiteren entscheidenden Grund: „Die Staaten der Euro-Zone sind den falschen Weg gegangen, indem sie ihre Haushaltspolitik gelockert haben. Island hat dies nicht getan, auch weil seine einzige Möglichkeit die Verschärfung der Haushaltspolitik war. Zwei Jahre später haben sie sich gut aus ihren Problemen herausgearbeitet, während die Griechen tief im Schlamassel stecken.“ Angesichts der aktuellen Diskussion über mehr „Wachstumsimpulse“ in der Euro-Zone scheint die Haushaltspolitik Reykjavíks ebensowenig Nachahmung gefunden zu haben wie die dortige Aufarbeitung der Bankenkrise.

Erst vor wenigen Tagen wurde etwa der ehemalige Chef der Kaupthing Bank, Sigurður Einarsson, von einem Gericht in Reykjavik dazu verurteilt, umgerechnet 3,4 Millionen Euro an die Bank zurückzuzahlen. Derartige Prozesse sind in der EU ebenso unwahrscheinlich wie das Verfahren, mit dem sich Island eine neue Verfassung geben will. Ein gewählter Verfassungsrat aus Bürgern statt Politikern ist mit der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs beauftragt worden, um Ersatz für ein mittlerweile 68-jähriges Provisorium zu schaffen. Mit kleinen Änderungen hatten die Isländer 1944 bei ihrer Unabhängigkeit einfach die dänische Verfassung übernommen. Sollte der neue Entwurf eine parlamentarische Mehrheit und die nötige Stimmenanzahl bei einem Referendum erhalten, wäre Island auch mit diesem bürgernahen Verfahren einer Verfassungsgebung Vorreiter in Europa. Norman Hanert


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