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02.06.12 / Erst ein Krieg machte ihn möglich / Vor 125 Jahren legte Kaiser Wilhelm I. den Grundstein des heutigen Nord-Ostsee-Kanals

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Erst ein Krieg machte ihn möglich
Vor 125 Jahren legte Kaiser Wilhelm I. den Grundstein des heutigen Nord-Ostsee-Kanals

Die Idee ist alt. Schon die Wikinger hatten nach Möglichkeiten gesucht, mit ihren Booten zwischen Nord- und Ostsee zu pendeln, ohne das stürmische Kap Skagen an der Nordspitze Dänemarks umrunden zu müssen. Es bedurfte jedoch erst des ersten Einigungskrieges zwischen Deutschen und Dänen von 1864, bevor vor 125 Jahren mit der großzügigen Umsetzung der Idee begonnen werden konnte.

Zwar gab es schon zu Zeiten der Hanse einen Kanal, der die Häfen von Hamburg und Lübeck verband und die Handelsschifffahrt nutzte den Eiderkanal zwischen Kiel und Rendsburg, der dann über die Eider in die Nordsee führte. Aber erst zu Beginn des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 gab der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck den Auftrag, nach Möglichkeiten eines Wasserweges zu suchen, den „Kriegs-, Handels- und Dampfschiffe gut passieren können“. Nicht umsonst standen die Kriegsschiffe an erster Stelle, es ging darum, der deutschen Flotte die Möglichkeit zu geben, „jederzeit von der Ostsee in die Nordsee zu gelangen, ohne unter dänischen Kanonen passieren zu müssen“.

Nach dem Friedensschluss mit den nördlichen Nachbarn schien diese Dringlichkeit nicht mehr so sehr geboten, sogar Militärs sprachen sich gegen das Kanalprojekt des Regierungschefs aus. Es fand aber Unterstützung in der Wirtschaft. Dabei engagierte sich der Hamburger Reeder Hermann Dahlström so sehr für den Wasserweg, dass er in der Hansestadt nur noch „Kanalström“ genannt wurde.

Auch der Reichskanzler hatte die Idee nicht vergessen und schaffte es, Kaiser Wilhelm I. dafür zu begeistern. Der gab 1883 den Auftrag, Beratungen über einen Bau des Kanals anzustellen und zwar ausdrücklich „mit den für die Flotte notwendigen Ausmaßen“. Die im Wasserbau erfahrenen Brüder Franzius sollten klären, ob der Kanal besser in die Kieler Förde oder in die Eckernförder Bucht münden sollte. Sie sprachen sich trotz erheblicher Mehrkosten für die Kieler Lösung aus. Am 16. März 1886 wurde der Kanalbau mit einem von Wilhelm I. und Bismarck unterzeichneten Reichsgesetz angeordnet.

Im Herbst 1887 begann die Kanalkommission den Baugrund zu erwerben, sie zahlte durchschnittlich 3265 Mark pro Hektar. Wer nicht verkaufen wollte, wurde enteignet und erhielt im Schnitt lediglich 2208 Mark pro Hektar.

Die Baukosten wurden auf 156 Millionen Mark veranschlagt. In heutigen Zeiten ist unvorstellbar, dass die nicht überschritten und auch der Eröffnungstermin eingehalten wurde. Am 3. Juni 1887 legte Wilhelm I. in Kiel-Holtenau den Grundstein.

An technischen Hilfsmitteln standen 60 Bagger, 94 Lokomotiven, zehn Dampframmen, 20 Kräne, fünf Betonmischmaschinen, 270 Dampfschlepper und 55 weitere Maschinen wie beispielsweise Dampfpumpen zur Verfügung. In Gegenden mit guten Tonböden errichteten Unternehmen zwei Ziegeleien, eine bei Brunsbüttel und eine am Flemhuder See. Die Zahl der Arbeiter erreichte ihren Höchststand im Juni und Juli 1862 mit 8900 Mann. Über zweieinhalbtausend waren es immer.

Sie kamen überwiegend aus den östlichen Provinzen Preußens, aber nicht alle konnten aus dem Deutschen Reich rekrutiert werden. So wurden auch Polen und Italiener angeworben. Bei der Rekrutierung wurden strenge Maßstäbe angelegt. Die Bewerber mussten über 17 Jahre alt sein, durften keiner anarchistischen oder sozialdemokratischen Partei angehören und sollten körperlich gesund sein. Über die Einhaltung der gesundheitlichen Vorschriften wachte ein Marinestabsarzt.

Untergebracht waren die Kanalarbeiter in staatlich verwalteten Lagern entlang der Kanaltrasse. Dort wurde darauf geachtet, dass nicht „gewissenlose Cantinenwirte sie ausbeuten und sie nicht verwildern“. Der Lohn für Erdarbeiter lag bei 3,30 Mark für eine Tagesschicht von zehn Stunden. Zimmerleute, Steinmetze und Maurer erhielten zwischen sechs und acht Mark pro Tag. Ein Bier kostete zu jener Zeit neun Pfennig.

Für die Unterkunft in Schlafsälen mit 100 Mann, einen halben Liter Morgenkaffee, gesüßt und mit Milch vermischt sowie ein Mittag­essen wurden 65 Pfennig pro Tag vom Lohn abgezogen. Die Fleisch- und Speckrationen waren bemessen wie für die Armee im Felde.

Für weitere Verpflegung standen Kantinen zur Verfügung, von denen eine geradezu legendär wurde. Bei der Wirtin Kempny an der Grünenthaler Hochbrücke fühlten sich nicht nur Arbeiter und einfache Beamte wohl, auch Minister, Staatssekretäre, Botschafter und andere Würdenträger schwärmten von ihrer Gastfreundschaft und ihrer Küche.

Hochgestellte Persönlichkeiten waren immer wieder zu Gast an der Großbaustelle. Kaiser Wilhelm II., der Nachfolger von Wilhelm I., nutzte jede Gelegenheit, sie zu besichtigen, aber auch der russische Zar Alexander III. bewunderte die Ingenieurkunst der Deutschen.

Als am 20. Juni 1895 die Yacht „Hohenzollern“ mit dem deutschen Kaiser an Bord mit ihrem Bug in Brunsbüttel eine schwarz-weiß-rote Kordel durchtrennte und damit den Kanal eröffnete, wurde den deutschen Steuerzahlern die Schlussrechnung präsentiert. Zwar war die veranschlagte Bausumme nicht überschritten worden, aber um von vornherein mögliche Diskussionen über die Kosten von 156 Millionen Mark gar nicht erst aufkommen zu lassen, rechnete man der Öffentlichkeit vor, wie „vergleichsweise gering“ sie seien. Während der Suezkanal, der keine Schleusen benötigte, 2,28 Millionen Mark pro Kilometer gekostet hatte, war man beim Kaiser-Wilhelm-Kanal, wie er bis 1948 genannt wurde, trotz seiner aufwändigen technischen Vorrichtungen mit 1,58 Millionen Mark pro Kilometer ausgekommen.

Heute ist der Nord-Ostsee-Kanal die nach Anzahl der Schiffe meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Vergangenes Jahr nutzten 33522 Schiffe mit einer Gesamt-Bruttoraumzahl von 154,5 Millionen den Kanal. Die gesamte transportierte Gütermenge stieg im Vergleich zum Vorjahr um 16,9 Prozent und betrug 98036571 Tonnen. Wegen der zunehmenden Schiffsgrößen steigt die Menge der Ladung überproportional zur Anzahl der Schiffe. Den größten Teil machen Containerzubringerdienste aus, die aus dem Ostseeraum kommen und in Häfen in der südlichen Nordsee fahren, wo ihre Ladungen zu Transozean-Passagen zusammengestellt werden.             Eigel Wiese


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