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02.06.12 / Preußen per Pedales / Unterwegs im Oder-Spree-Gebiet – Zwei Räder, vier Tage, elf Adelssitze, 190 Kilometer, unzählbar: Kunst- und Naturgenuss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Preußen per Pedales
Unterwegs im Oder-Spree-Gebiet – Zwei Räder, vier Tage, elf Adelssitze, 190 Kilometer, unzählbar: Kunst- und Naturgenuss

Wenn uns die Spätfrühlingssonne so richtig herzhaft ins Gesicht lacht, ist es Zeit, den Drahtesel loszubinden: mit einem feuchten Lappen gestriegelt, Proviant eingepackt, einen Klaps aufs Hinterteil und los ins Grüne! Ein Glücks­fall für unternehmungslustige Preußen-Fans und Kultur-Genießer ist da die „Märkische Schlössertour“: Wer jemals glaubte, dass Preußens Glanz und Gloria in der Provinz nur noch matt schimmern, ist nach 188 Kilometern durch die Felder und Wälder des Oderlandes eines Besseren belehrt.

Elf Sitze des preußischen Landadels säumen die Schlössertour, die sich wie eine Acht um Alt Madlitz legt, rund 80 Kilometer östlich von Berlin. Mit Müncheberg und Beeskow liegen dazu noch zwei historische Städtchen am Weg, die mit ihrer alten Stadtmauer, ihren Toren und Türmen sogar bis ins Mittelalter verweisen.

Das Gelände ist flach und die Route führt überwiegend über ausgebaute Radwege und nur zu einem geringen Teil über unbefestigte Wege und kleine Ortsverbindungsstraßen. Es bietet sich eine kulturelle Fülle, an der selbst der sportlichste Radler auf den vier Etappen der Tour nur schnuppern kann. Laden viele Orte doch zum Dableiben ein. Gleich das Gut Klostermühle Alt Madlitz, Ausgangs- und Endpunkt sowie Zwischenstopp, ist eine Überraschung: Mitten im Wald erstreckt sich am Ende des Madlitzer Sees eine Vier-Sterne-Hotelanlage, die in ihrer traumhaften Lage und ihrem exklusiven Landhausstil ihresgleichen sucht. Zu DDR-Zeiten gingen hier Stasi-Offiziere auf die Jagd. Das Terrain war Sperrgebiet. Heute ist jeder eingeladen, sich durch gute Küche und Wellness-Angebote verwöhnen zu lassen.

Preußens Innenpolitik setzte auf einen starken Landadel, der nicht nur Mustergüter schuf, sondern seine Herrenhäuser oft auch in architektonische Kostbarkeiten verwandelte und mit großartigen Parkanlagen umgab. Zahlreiche Häuser sind inzwischen saniert und haben eine neue Nutzung gefunden. Steinhöfel, Neuhardenberg und Gusow sind heute Schlosshotels. Auch Schloss Wulkow, das für den Radwanderer auf den Spuren des preußischen Adels den passenden Rahmen für die Übernachtung auf der Nordroute bietet.

Auf Gusow begann Preußens Gloria mit Generalfeldmarschall Georg Freiherr von Derfflinger, der nach Ende des Dreißigjährigen Krieges die Tochter des Hauses heiratete und das Schloss kaufte. An den Hausherrn, der mit seinem Sieg in Fehrbellin Preußens Herrscher zum Großen Kurfürsten machte, erinnert mancher Hinweis im Inneren des Hauses genauso wie das üppige Epitaph in der kleinen Dorfkirche. Äußerlich hat Schloss Gusow Derfflingers Zeit allerdings weit hinter sich gelassen. Seit seinem letzten Umbau um 1870 besticht es als malerische Dreiflügelanlage im englischen Burgen- und Landhausstil.

In einer wohl einmaligen Mixtur führt das historische Museum im Erdgeschoss von der Urzeit bis zur „Wende“. Dazwischen, im wahrsten Sinne des Wortes, verfolgen Zinnfiguren-Dioramen Preußens Geschichte bis zu Albrecht dem Bären, ab 1157 erster Markgraf von Brandenburg, zurück.

In eleganter Schlichtheit und reinem Weiß erstrahlt geordnet das Andenken an Karl August Fürst von Hardenberg. Zum Dank für seine Verdienste um den Staat hatte Friedrich Wilhelm III. dem Staatskanzler 1814 das Amt Quilitz geschenkt, das zu seinen Ehren ein Jahr darauf in Neu-Hardenberg umbenannt wurde und seit 1991 wieder Neuhardenberg heißt.

Dank Karl Friedrich Schinkel ist das ehemalige Anwesen des Re-gierungschefs ein Meisterwerk des Klassizismus samt der Kirche am Schlossplatz. Es war Hardenbergs Wille, in ihr seine letzte Ruhe zu finden. Sein Leichnam wurde im Mausoleum beigesetzt. Das Herz aber ruht bis heute im Altar des Gotteshauses. Der Fürst hatte es so verfügt. Eine sehenswerte Ausstellung im Kavaliershaus erinnert an das politische Engagement der Familie, neben dem Reformkanzler auch an Carl-Hans Graf von Hardenberg, Standesherr im Schloss seit 1921 und Beteiligter am Stauffenberg-Attentat vom 22. Juli 1944.

Fast eine Tagestour südlich von Neuhardenberg spiegelt sich mit berauschender Schönheit Schloss Steinhöfel in dem langgezogenen Fontänenbecken. Das mit der Zeit zum Märchenschloss ausgebaute Herrenhaus und sein gepflegter englischer Landschaftsgarten gehören zu den schönsten Adels-sitzen der Mark. Jede Pause ist zu kurz, um diese Luxusvariante des Landlebens auf sich wirken zu lassen – und zu genießen. Der Eisbecher auf der Schlossterrasse kommt dazu gerade recht.

Die Schlossbauten der Südroute sind weniger spektakulär. Tagesziel ist Beeskow, das zum illustren Kreis von Brandenburgs 31 Städten mit historischem Stadtkern gehört. Unübersehbar prägt die Marienkirche den kleinen Ort am Westufer der Spree. Vom Markplatz, vorbei an den Resten der jahrhunderte- alten Burg, führen die letzten Meter der dritten Etappe zum Märkischen Gutshaus. Mit seinem großzügigen Garten ist das ruhige Drei-Sterne-Hotel für diesen Tag genau die richtige Adresse.

Die vierte Etappe ist mit rund 80 Kilometern der sportliche Abschluss der Tour. Der lange waldreiche Rückweg nach Alt Madlitz lässt die Eindrücke Revue passieren. Schon Theodor Fontane bemerkte: „Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte.“        Helga Schnehagen


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