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02.06.12 / Verludertes Denken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Verludertes Denken
von Hans Heckel

Wer schon länger den Verdacht hegte, dass es mit der Meinungsfreiheit in Deutschland bergab geht, der darf sich durch die hysterischen Reaktionen auf das neue Sarrazin-Buch bestätigt sehen. Insbesondere, was der Generalsekretär der FDP, Patrick Döring, zum Besten gab, ist den Anhängern der Freiheit, jene also, die sich traditionell „Liberale“ nennen, durch Mark und Bein gegangen.

Döring nannte den Gedankengang von Sarrazin, dass ein Zusammenhang bestünde zwischen dem Holocaust und deutscher Zahlfreudigkeit, „unzulässig“. Das geht weit über die Attacken hinaus, welche der Autor von Wolfgang Schäuble, ja selbst von Renate Künast an den Kopf bekam. „Unzulässig“ bedeutet nicht bloß falsch oder abwegig. Dörings Verdikt rückt Sarrazins These in den Bereich des ethisch Verbotenen, das nicht gesagt werden dürfte.

Man darf davon ausgehen, dass Döring in seinem Ausspruch keinen Widerspruch sieht zum Liberalismus, ja, dass er sich ob seiner Härte gar besonders „liberal“ vorkommt. Somit drückt sich in der Auslassung des FDP-Generals nichts weniger aus als die Verluderung seines Denkens.

Der Verluderung des Denkens aber geht meist die Verluderung der Begriffe voraus. Für den Liberalismus ist der Begriff der Toleranz fundamental. Doch gerade er ist in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderer unter die Räder gekommen. Was Toleranz wirklich bedeutet, ist nirgends besser zusammengefasst als in dem fälschlich Voltaire zugeschriebenen Zitat: „Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.“

Toleranz bedeutet Duldsamkeit, das freie Existierenlassen von Meinungen, Haltungen, die man ablehnt, ja sogar abscheulich finden mag. Heute indes wird „Toleranz“ gesagt, wo „Akzeptanz“, deutsch: Billigung, gemeint ist.

Wortklauberei? Mitnichten, denn heutzutage loben sich Dis-kutanten für ihre „Toleranz“, die  in Wahrheit nur das tolerieren wollen, was sie ohnehin billigen. Freiheit aber ist nur echt, wenn sie die Freiheit zum Unerwünschten, sprich: die Toleranz gegenüber dem, was man ablehnt, einschließt.

Erst durch die Verluderung des Begriffs „Toleranz“ konnte es passieren, dass sich heute „liberal“ oder „tolerant“ sogar der (oder gerade der) nennen und fühlen darf, der Lichtjahre vom wahren Kern der Toleranz entfernt ist. Nur so kann es passieren, dass Meinungsfreiheit und Toleranz verdampfen, obschon das ganze Land von ihren wackeren Verteidigern zu wimmeln scheint. Und nur so konnte ein Partei-„Liberaler“ ein Quasi-Meinungsverbot aussprechen, ohne zu bemerken, in welche Sphäre er hinabgesunken ist.


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