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09.06.12 / Den Verschwörern auf der Spur / Geht es um den Papststuhl oder um die Vatikanbank? Motive und Hintermänner sind noch unbekannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Den Verschwörern auf der Spur
Geht es um den Papststuhl oder um die Vatikanbank? Motive und Hintermänner sind noch unbekannt

Der Präsident der Vatikanbank wurde abgesetzt; der persönliche Butler des Papstes wegen Geheimnisverrats verhaftet. Weltweit ergehen sich Medien in Spekulationen über die Hintergründe des Geschehens im Vatikan. Gibt es gar eine Verschwörung gegen Papst Benedikt XVI.?

Unbeeindruckt von weiter auftauchenden Dokumenten im „Vatileaks-Skandal“ feierte Papst Benedikt mit rund einer Million Gläubigen am letzten Wochenende das VII. Weltfamilientreffen in Mailand. Laute „Benedetto“-Sprechchöre hießen den Papst in der norditalienischen Stadt willkommen. Ungewöhnlich langer Applaus der Gläubigen begleitete den Pontifex, der sich über den Vertrauensbruch in seiner nächsten Nähe „betrübt“ gezeigt hatte. Begleitet wurde Benedikt auch vom zweiten Mann des Vatikans, Tarcisio Bertone, der als oberster Aufseher der Vatikanbank im Mittelpunkt vieler Spekulationen steht. Der gastgebende Mailänder Erzbischof Angelo Scola, den italienische und deutsche Medien in den letzten Tagen unter den Mitverschwörern sahen, begrüßte den Pontifex in großer Herzlichkeit.

Fast zeitgleich mit dem Familientreffen bestätigte das zuständige Gremium der Kardinäle die Absetzung von Ettore Gotti Tedeschi als Chef des „Istituto per le Opere di Religione“ (IOR). Eine Woche zuvor hatte bereits der Aufsichtsrat der IOR dem Ban-kenchef das Misstrauen ausgesprochen, weil er trotz wiederholter Mahnungen „bestimmte Aufgaben von vordringlicher Wichtigkeit“ nicht erfüllt hatte. Bereits seit 2010 liefen gegen den Manager, der erst seit 2009 das Amt bekleidete und als Experte für Finanzethik gilt, Ermittlungen wegen intransparenter Geldgeschäfte. Wiederholt musste sich die Bank gegen den Vorwurf der Geldwäsche gegenüber der italienischen Justiz verteidigen. Stets hatte der Vatikan jede Verwicklung der Bankenleitung in dunkle Machenschaften bestritten.

Schon in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts waren beim Zusammenbruch der Mailänder „Banco Ambrosiano“ Spekulationen und Vorwürfe wegen undurchsichtiger Finanzgeschäfte der Vatikanbank aufgetaucht und Entschädigungsleistungen von zusammen 290 Millionen Dollar geleistet worden. Nun soll der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank Hans Tietmeyer (80) nach Informationen der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ aussichtsreichster Kandidat für den Chefposten bei der Vatikanbank sein. Der Volkswirt genieße das besondere Vertrauen des Papstes, hieß es, und sei zudem Mitglied der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften.

In dieser Gemengelage, wo es um ungeklärte Geldgeschäfte und vermeintliche Intrigen im Vatikan geht, haben Verschwörungstheoretiker Hochkonjunktur. Sie erinnern derzeit wieder an den liberalen Papst Johannes Paul I., der 1978 nach 33 Tagen unerwartet starb. David Yallop hatte seinerzeit in seinem Buch „Im Namen Gottes?“ eine angebliche Vergiftung des Pontifex ins Spiel gebracht. Sie konnte aber nie bewiesen werden und ein Herzinfarkt gilt bis heute als wahrscheinlichste Todesursache des „lächelnden“ Pontifex.

Bei dem 46-jährigen verhafteten Butler und Hausmeister des Papstes, Paolo Gabriele, scheint die Beweislage klarer zu sein. Laut italienischen Medienberichten wurden in seiner Privatwohnung bereits brisante Beweise gefunden. Die Zeitung „La Republica“ berichtete von adressierten Umschlägen mit Geheimakten an die drei Kardinäle Dionigi Tettamanzi, Maura Piacenza, Angelo Bagnasco sowie den Mailänder Erzbischof Angelo Scola, die damit in den Kreis der Verdächtigen rückten.

Handelt es sich hier also um einen Machtkampf italienischer Kardinäle und Bischöfe, die sich eventuell auch gegen den „deutschen Papst“ richten? Zielscheibe der Intrigen, vermuteten Kommentatoren, soll sein enger Vertrauter, der Kardinalstaatssekretär Bertone sein. Über seinen bevorstehenden Rücktritt wurde in letzter Zeit immer wieder spekuliert. Ob der vatikanische Maulwurf tatsächlich mächtige Hintermänner hatte oder als Einzelperson handelte, ist derzeit aber offen.

Fest steht nur, dass der inhaftierte Butler, dem der Privatsekretär des Papstes, Monsignore Georg Gänswein, auf die Schliche kam, eine Fülle von Dokumenten vom Schreibtisch Benedikts dem Enthüllungsjournalisten Gianlugi Nuzzi zukommen ließ. In dessen gerade erschienenem Bestseller („Seine Heiligkeit – die geheimen Briefe Benedikt XVI.“) tauchen unter anderem 30 handgeschriebene Briefe des Pontifex im Faksimile auf. Nuzzi, der kürzlich sein Werk als „aufklärerischen Akt“ dargestellt hat, stehen nun polizeiliche Vernehmungen und eventuell auch Strafverfahren bevor. Aus den 315 Seiten seines Buches, die „zusammen einmal mehr das Fresko chaotischer Zustände in der Römischen Kurie malen“, wie Paul Badde als Rom-Korrespondent der „Welt“ schrieb, ergeben sich wenig konkrete Hinweise. Die planlose Präsentation des vorgelegten Materials wirft Rätsel auf: Geht es um den kirchenpolitischen Kurs des Papstes oder stehen die finanziellen Machenschaften der Vatikanbank, die der Papst in deutscher Gründlichkeit aufgeklärt sehen will, im Mittelpunkt des Skandals? H. E. Bues


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