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09.06.12 / Zurück zum alten Schlendrian / Griechenland: Verhandlungen über Rücknahme der Lohnsenkungen – Privatisierung vor Start gestoppt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Zurück zum alten Schlendrian
Griechenland: Verhandlungen über Rücknahme der Lohnsenkungen – Privatisierung vor Start gestoppt

Helft euch selbst und zahlt Steuern“, so in etwa lässt sich ein Interview auf den Punkt bringen, mit dem Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), unlängst für Schlagzeilen gesorgt hat. Macht man sich auf die Suche nach einem Auslöser für den etwas undiplomatischen Rundumschlag von „Madame Lagaffe“ (Madam Fettnapf), wie Lagarde gelegentlich beim IWF genannt wird, dann wird man schnell bei der Umsetzung vereinbarter Reformen in Griechenland fündig. Zum Teil herrscht Stillstand, zum Teil wird das Rad aber auch schon wieder zurückgedreht.

In den Wochen vor den Neuwahlen am 17. Juni hat sich im Land ein politisches Machtvakuum ausgebreitet: Die amtierende Übergangsregierung von Panagiotis Pikrammenos hat lediglich die Kompetenz, die Wahlen vorzubereiten. Der vorübergehende Freiraum wird einerseits durch die ohnehin kaum zu bändigenden griechische Verwaltung und andererseits durch im Wahlkampf befindliche Parteien ausgenutzt. Die Folge: Schon jetzt stehen die Zeichen auf Wiederherstellung alter Zustände statt auf Reformen, die EU und Weltwährungsfonds im Gegenzug für Rettungsmilliarden zugesagt worden sind. Der Marsch zurück wird nicht nur durch Linksradikale wie die Syriza unter Alexis Tsirpas propagiert, sondern auch durch Kräfte, die aus Brüsseler Sicht bisher als zuverlässig galten: So hat Dimitris Avramopoulos, Vizepräsident der Nea Dimokratia, die bisher noch im Ruf stand, gegebene Zusagen einhalten zu wollen, vorgeschlagen, alle Beschlüsse auszusetzen, die zu einer Senkung des Lohnniveaus führen. Der Vorschlag zielt auf den Kern des Sanierungskonzepts von EU und IWF für Griechenland: Lohnsenkungen – eine „innere Abwertung“ statt der durch die Euro-Mitgliedschaft nicht möglichen Währungsabwertung – sollten die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen. Der „Neuen Züricher Zeitung“ zufolge haben Industrieverband und Gewerkschaften bereits Verhandlungen aufgenommen, um bisherige Bestimmungen zu Lohnsenkungen wieder aufzuheben. Zum Stillstand gekommen sind aber inzwischen ebenso Vorhaben zur Sanierung öffentlicher Unternehmen und der Öffnung von Berufen, die gesetzlich abgeschottet waren. In noch weitere Ferne scheint die Privatisierung von Staatsbetrieben zu rücken. Die bisher ohnehin recht erfolglose Privatisierungsbehörde hat nun mitgeteilt, dass bis zu den Wahlen das Privatisierungsprogramm zunächst einmal auf Eis gelegt wird. Da nach mehrjähriger Vorbereitung erst im Februar dieses Jahres erste konkrete Schritte für Unternehmensverkäufe aufgenommen worden sind, sind ausbleibende Einnahmen kaum verwunderlich. Die ursprünglich angepeilten 50 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen sind inzwischen ohnehin auf 19 Milliarden Euro zusammengeschrumpft. Selbst mit diesem abgespeckten Ziel könnte es noch eng werden: Die anhaltende Wirtschaftskrise hat den Marktwert der meisten griechischen Unternehmen dahinschmelzen lassen. Wie das im Extremfall auszieht, lässt sich bei der TT Helenic Postbank beobachten: Sie galt einst als „Kronjuwel“ im griechischen Privatisierungsprogramm. Betrug der Börsenwert im Februar 2007 noch 6,1 Milliarden Euro, so ist die Firma inzwischen nur noch 35 Millionen Euro wert.

Zusätzliche Einnahmen würden allerdings dringender denn je benötigt. Nach Angaben des „Handelsblatts“, das sich auf vertrauliche Quellen aus dem Athener Finanzministerium beruft, sollen die Steuereinnahmen im Mai um 30 Prozent eingebrochen sein. Gleichzeitig wird vom griechischen Staat erwartet, dass er wieder einmal einspringt, um zu verhindern, dass noch vor den Wahlen die Lichter ausgehen. Dem Erdgas-Versorger DEPA fehlen aktuell 120 Millionen Euro, um offene Rechnungen bei der italienischen Eni und der russischen Gazprom zu bezahlen. In der Folge droht die DEPA nun wiederum, ihre Erdgaslieferungen an Energiefirmen einzustellen, die ein Drittel des griechischen Strombedarfs abdecken.

Möglich ist, dass es noch einmal gelingt, auch dieses Finanzloch kurzfristig zu stopfen. Eine neugewählte Regierung wird aber schon kurze Zeit nach der Wahl vor einem bisher verdrängten Problem stehen, das mit Improvisation nicht mehr zu bewältigen sein wird: die Pleite der griechischen Rentenkassen. Unter dem Druck bisheriger Regierungen hatten diese in griechische Staatsanleihen investiert, was ihnen nun zum Verhängnis geworden ist. Wegen des Schuldenschnitts im Zuge der Umschuldung Griechenlands und zurückgehender Beitragszahlungen sollen den Pensionskassen inzwischen 30 Milliarden Euro fehlen. Bereits diesen oder nächsten Monat wird mit der Einstellung der Rentenzahlungen gerechnet. Denkbar ist in einem solchen Fall, dass die Rentner staatliche Schuldscheine statt Auszahlungen erhalten. Beobachter halten es für möglich, dass diese Scheine zum Vorläufer einer „Neuen Drachme“ werden könnten. Norman Hanert


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