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09.06.12 / Nächste Attacke gegen BER / Anwohner wollen Volksentscheid für strengeres Nachtflugverbot – Aussichten jedoch gering

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Nächste Attacke gegen BER
Anwohner wollen Volksentscheid für strengeres Nachtflugverbot – Aussichten jedoch gering

Ein neues Volksbegehren in Berlin und Brandenburg hat die erste Hürde genommen. In beiden Bundesländern will es die Einschränkung des Flugbetriebes auf dem neuen Flughafen Berlin-Brandenburg (BER Willy Brandt) erreichen.

Die Anwohner des Flughafens waren vor den Gerichten mit ihren Anliegen gescheitert. Sie hatten versucht, dort ein Flugverbot zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr zu erreichen. Bislang sind planmäßige Flüge jedoch nur zwischen Mitternacht und 5.00 Uhr untersagt.

Seit dem 6. Juni 2012 werden nun in Berlin und schon seit dem 4. Juni in Brandenburg Unterschriften gesammelt. Die Aktion endet in Berlin am 28. September 2012, in Brandenburg am 3. Dezember. Dass die Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens bis März 2013 verschoben werden musste, verschafft den Initiatoren nicht nur eine Atempause, sondern auch einen Motivationsschub.

Bis zum Erfolg eines Volksbegehrens ist es ein langer Weg. Von 27 Volksbegehren schafften es in Berlin nur sechs, in die zweite Stufe zu gelangen. Und nur drei mündeten schließlich in den Volksentscheid. Davon wiederum war nur der zum „Berliner Wassertisch“ erfolgreich. Die Initiativen zum Erhalt des Flughafens Tempelhof und „Pro Reli“ scheiterten jeweils knapp. In Brandenburg wurden 38 Verfahren gestartet. Acht Initiativen erreichten die zweite Stufe, doch dort scheiterten bislang alle, so dass es in Brandenburg noch keinen Volksentscheid gab.

In Berlin wurden 27850 gültige Unterschriften gesammelt, 20000 wären zum Überspringen der ersten Hürde notwendig gewesen. Bereits zuvor waren in Brandenburg durch die Volksinitiative Brandenburg für ein strenges Nachtflugverbot ebenfalls deutlich mehr als die erforderlichen Unterschriften gesammelt worden. Die Initiative wird von zahlreichen lokalen Bürgerinitiativen sowie vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Union Européenne Contre les Nuisances des Avions (UECNA), der Bundesvereinigung gegen Flug­lärm (BVF) und anderen überregionalen Gruppen unterstützt.

In Brandenburg dürfte das Zusammenbringen der geforderten 80000 Unterschriften für die zweite Stufe indes schwerer werden, weil diese auf den Rathäusern unter Vorlage des Personalausweises geleistet werden müssen und nicht an Infoständen in Fußgängerzonen oder an Haustüren zusammengesammelt werden dürfen. In einem Flächenland, wo das Rathaus für viele nicht eben um die Ecke liegt, eine Herausforderung. Hier könnte der Grund dafür liegen, dass es in Brandenburg bislang keine einzige Initiative bis zur Volksabstimmung gebracht hat.

Eine Erleichterung gibt es mittlerweile allerdings. Neben der Eintragung in eine amtliche Liste ist auch die briefliche Eintragung – wie bei der Briefwahl – möglich. Dazu muss ein Eintragungsschein bei der zuständigen Abstimmungsbehörde beantragt werden.

Für den Verein „Mehr Demokratie“ aber ist das bei weitem nicht genug: „Wir fordern seit langem, dass auch in Brandenburg die freie Unterschriftensammlung auf der Straße und im Bekanntenkreis zugelassen wird.“ Michael Efler von „Mehr Demokratie“: „Brandenburg liegt im bundesweiten Vergleich weit vorne, was die Häufigkeit von Volksbegehren angeht, Berlin eher im Mittelfeld … Dennoch gehen die Chancen, in Brandenburg einen Volksentscheid zu erleben, gegen null, während viele Berlinerinnen und Berliner schon mehrmals abstimmen durften.“

Aber auch die in Berlin notwendigen rund 173000 Unterschriften sind schwer zusammenzukriegen. Hier sind wie in Brandenburg öffentliche Einrichtungen geöffnet, auf denen die Leistung einer Unterschrift möglich ist, aber zusätzlich darf hier auch auf der Straße gesammelt werden. Verschiedene brandenburgische Initiativen haben daher beschlossen, auch in Berlin Unterschriften zu sammeln, weil dies dort „frei“ möglich sei. So wollen sie mithelfen, dass auch in Berlin die relativ hohe Anzahl von Unterschriften zusammenkommt.

In beiden Bundesländern dürfte es für die Initiatoren jedoch schwer werden, nicht direkt betroffene Bürger davon zu überzeugen, ihr Anliegen zu unterstützen. Dass sich ein Cottbusser für sinkende Grundstückspreise im Berliner Speckgürtel interessiert, ist zweifelhaft. Ebenso wenig dürften sich der Ferienflieger Berlin-Spandau oder -Lichtenberg die Sorgen der fluglärmgeplagten Bewohner von Berlin-Fried richshagen zu Eigen machen. Anders war das bei der „Wassertisch“-Abstimmung: Die exorbitant hohen Berliner Wasserpreise betrafen seiner Zeit die gesamte Stadt. So war die Initiative „Wassertisch“ in Berlin bislang das einzige Anliegen von gesamtberliner Interesse.

In Brandenburg könnte in gewissen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit aber Flughafennähe das Interesse den Zielen der Fluglärm-Initiative sogar zuwiderlaufen: Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass erfolgreiche Flughäfen Jobmaschinen sind. Um zum internationalen Drehkreuz aufzusteigen, darf der neue Flughafen jedoch nicht von allzu vielen Vorschriften eingeschnürt sein.

Als eine Art Akt stadtteilübergreifender Solidarität engagieren sich nun immerhin ehemalige Gegner des Flughafens Tegel auch gegen den neuen Flughafen. Tegel wird mit Betriebsaufnahme des neuen Hauptstadtflughafens geschlossen, und die Flughafengegner dort fürchten offenbar die Langweile nach jahrzehntelanger Protestpraxis. Theo Maass


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