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09.06.12 / Gefängnis wegen falscher Religion / Kopten in Ägypten klagen immer öfter über Entrechtung – Polizei und Gerichte urteilen ohne Beweise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Gefängnis wegen falscher Religion
Kopten in Ägypten klagen immer öfter über Entrechtung – Polizei und Gerichte urteilen ohne Beweise

Das Staatsicherheitsgericht von Al Minya hat zwölf Kopten des angeblichen Mordes an zwei Muslimen zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl erhebliche Zweifel an deren Schuld bestanden. Presse und Verteidigung wurden massiv behindert und entlastende Indizien vom Ort des Geschehens nicht berück-sichtigt.

Im Ort Abu Qurqas in der Provinz Minya, 260 Kilometer südlich von Kairo, war es im April 2011 zu einer der schlimmsten Szenen interreligiöser Gewalt seit dem Sturz Präsident Hosni Mubaraks gekommen. Laut den Aussagen der Dorfbewohner begann der Streit am 18. April zwischen zwei muslimischen Clans, in dessen Folge jeweils ein Mitglied jedes Clans getötet wurde. Fast gleichzeitig kam es zu einem Streit vor dem Haus des bekannten christlichen Anwaltes Alaa Reda Roushdy zwischen einem Minibusfahrer und den Wachmännern des Hauses. Auslöser war der Bau eines Verkehrsberuhigungshindernisses, über das sich der Busfahrer geärgert hatte. Es kam zu einem Menschenauflauf, in dessen Verlauf die Sicherheitskräfte des Hauses in die Luft schossen, um die Menge auseinanderzutreiben. Ein weiteres Todesopfer, diesmal allerdings ein Kopte, war zu beklagen. In den Tagen danach kam es in der ganzen Gegend zu Dutzenden von Brandschatzungen und zu Plünderungen christlicher Häuser und Geschäfte mit weiteren Mordversuchen an Kopten. Der muslimische Mob hatte angekündigt, den Kopten eine blutige Karwoche zu bescheren. Eine Panik unter den Kopten brach aus und viele verließen die Region. Hilfegesuche zum Schutz der Christen gingen damals bis in die USA. Die Polizeistation, die sich mitten im Geschehen befand, intervenierte nicht. Während der Beerdigung der beiden muslimischen Opfer eskalierte die Situation weiter, ortsfremde Muslime , ihrer Herkunft nach wohl Salafisten, eilten in den Ort und schrien „Rache für die Märtyrer“ und „Allahu Akbar“.

Erst als die Armee in den Ort einrückte und eine Ausgangssperre verhängte, kam es zu einem Ende der Plünderungen und Drohungen. 20 Personen wurden infolge dieser Ereignisse vor Gericht gestellt, zwölf Kopten und acht Muslime. Beweise zum Tatgeschehen wurden nicht gesichert und Zeugen der Ereignisse wurden nicht vernommen. Der koptische Bischof Makarios von Abu Qurqas und Minya, der Zeuge der Auseinandersetzungen war, hat eine unzulässige Vermischung der Ereignisse festgestellt. Die beiden Opfer einer innerislamischen Streitigkeit wurden nun mit dem Streit um das Verkehrsberuhigungshindernis in Verbindung gebracht und so den Kopten in die Schuhe geschoben. Die beiden muslimischen Opfer wurden zu Opfern eines christlichen Mobs, obwohl es viele Zeugen gab, die bezeugten, dass die beiden Muslime im muslimischen Viertel des Ortes ermordet worden waren. Den Kopten wurde dazu noch die Störung der öffentlichen Ordnung sowie Brandschatzung ihrer eigenen Häuser und Geschäfte vorgeworfen. Der Strafgerichtshof Minya, der aus Gründen der Sicherheit die Angelegenheit an den Staatssicherheitsgerichtshof von Beni Suef abgegeben hatte, hatte allein den Mord an den beiden Muslimen verhandelt. Zwei Anwälte der Christen, die ihre Mandanten zu Schadenersatzklagen gegen die ihnen bekannten muslimischen Brandschatzer gedrängt hatten, wurden wegen Störung der öffentlichen Ordnung selbst verhaftet und aus dem Verfahren ausgeschlossen. Fernsehsendern wurde es verboten, aus dem Gericht und auch aus dem Ort Abu Qurqas zu berichten. Jetzt hat das Gericht unter dem Vorsitz von Oberrichter Abdel Fattah Ahmed al-Sughayar zwölf Kopten zu lebenslanger Haft verurteilt und die acht muslimischen Angeklagten freigesprochen. Wie die zwölf verurteilten Kopten die beiden Muslime ermordet haben sollen, sagte der Richter nicht. Die Christen wurden pauschal für schuldig befunden, die öffentliche Ordnung gefährdet zu haben, im Besitz von illegalen Waffen gewesen zu sein und zwei Muslime ermordet zu haben.

Die Entscheidungen des Gerichtshofs für Staatssicherheit können nicht angefochten werden. Der regierende Militärrat ist die einzige Instanz, der eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen kann. Christen, die bis zu etwa zwölf Prozent der schätzungsweise 80 Millionen Ägypter stellen, beschweren sich oft, dass die Gerichte und die Polizei bei interreligiöser Gewalt Scheuklappen aufhaben, und Diskriminierung oder Gewalt gegen sie decken. Viele befürchten, der massive Anstieg der ultrakonservativen Islamisten bei den Wahlen nach dem Sturz Hosni Mubaraks im vergangenen Jahr könnten die Rechte und Chancen der Christen noch mehr beschneiden, erst recht, wenn die Islamisten auch noch den Präsidenten stellen. Allein die Tatsache, dass viele ägyptische Medien, vor allem natürlich die koptischen, über die Vorgänge in Abu Qurqas und das „konfessionelle“ Urteil berichtet haben, gibt Anlass zu einer gewissen Hoffnung. Allerdings trifft das Urteil die Kopten immer noch führerlos, weil nach dem Tod ihres Patriarchen Shenouda III. im März immer noch kein neues Oberhaupt gewählt wurde. Bodo Bost


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