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09.06.12 / Die Rechnung zahlen die anderen / Spanien entwickelt Erfindungsreichtum darin, seine Bankenrettung ohne EU-Hilfe anderen aufzubürden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Die Rechnung zahlen die anderen
Spanien entwickelt Erfindungsreichtum darin, seine Bankenrettung ohne EU-Hilfe anderen aufzubürden

Fast zeitgleich mit dem Geständnis des spanischen Finanzministers Cristóbal Montoro, sein Land sei vom Kapitalmarkt abgeschnitten, hat der renommierte Wirtschaftsanalyst Matthew Lynn mit einem Interview für Aufsehen gesorgt. Seine These: Spanien sei unrettbar, da einfach zu groß. Die Mehrheit der Spanier habe es satt, sich weiteren Sparprogrammen zu beugen. Lynns gewagte Prognose lautet, dass Spanien noch vor Griechenland das Euro-Projekt verlasse.

Es sind nicht nur die düsteren Vorahnungen von Matthew Lynn, die dazu geführt haben, dass sich bei einigen Beobachtern mittlerweile ein Dejavue-Gefühl eingestellt hat, wenn es um Spanien geht. Die spanische Regierung hat selbst mit ihrer Informationspolitik zum Haushaltsdefizit 2011 dafür gesorgt, dass Erinnerungen an griechische Statistiken wach geworden sind. Per Salami-Taktik wurde im Januar statt geplanter sechs Prozent zunächst ein Vorjahresdefizit von acht Prozent gemeldet. Einige Wochen später wurden 8,5 Prozent nachgereicht – aktuell ist man bei 8,9 Prozent angelangt. Eine weitere Nachkorrektur ist nicht ausgeschlossen.

Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat inzwischen angekündigt, eigene Experten nach Madrid zu schicken, um die Haushaltszahlen selbst zu prüfen. Noch mehr Vertrauen hat Spanien durch die Verharmlosungen der Bankenkrise verspielt. War bei dem viertgrößten Kreditinstitut Spaniens „Bankia“ vor kurzem noch von 41 Millionen Euro Gewinn die Rede, so werden jetzt 3,3 Milliarden Verluste für 2011 bilanziert. War am 9. Mai noch die Rede davon, die Bank sei solvent, so wird mittlerweile der Finanzbedarf zur Rettung der inzwischen teilverstaatlichten „Bankia“ vor dem Zusammenbruch mit 23 Milliarden Euro angegeben. Allen Ernstes hat Wirtschaftsminister Luis de Guindos vor kurzem allerdings noch behauptet, für die Rettung des gesamten spanischen Bankensektors seien insgesamt nur 15 Milliarden Euro nötig. Die sollten sogar ohne fremde Hilfe gestemmt werden – tatsächlich sind im nationalen Ban-kenrettungsfond aber nur 5,3 Milliarden Euro vorhanden.

Als nahezu ausgeschlossen gilt, dass Spanien den Finanzmarkt zur Bankenrettung anzapfen kann. Allein im laufenden Jahr müssen 117,5 Milliarden Euro Altkredite umgeschuldet werden, 52 Milliarden Euro sollen neu aufgenommen werden. Schon dieser Kreditbedarf bei gestiegenen Zinsen ist Anlass genug, dass Madrid unverhohlen fordert, die EZB solle eine „aktivere Rolle“ spielen. Im Klartext: Die direkte Staatsfinanzierung durch die EZB.

Wie lange Spaniens Regierung mit ihrer Taktik des Kaschierens, Forderns und Aufschiebens noch durchkommt, ist fraglich. Zur Bedrohung der Banken und des Staatshaushalts Spaniens entwickelt sich immer mehr der Immobiliensektor. An Projekt-Entwickler sind 323 Milliarden Euro an Krediten vergeben worden. Mehr als die Hälfte davon, 175 Milliarden Euro, gelten nach Angaben des Wirtschaftsministeriums inzwischen als „Problemkredite“. Selbst das dürfte aber nur ein Teil der Wahrheit sein. Viele Banken ziehen es vor, ihre Verluste durch die geplatzte Immobilienblase weiter zu kaschieren. Investitionsruinen werden weiter finanziert, statt sie in der Bilanz als Verlust zu verbuchen. Die Folge: Eigentlich konkursreife Banken und Immobilienunternehmen werden künstlich am Leben gehalten. Gleichzeitig wachsen die aufgeschobenen Probleme aber immer mehr an. Nach Berechnungen des Brüsseler „Centre for European Policy Studies“ muss Spanien insgesamt eine Vorsorge über 270 Milliarden Euro für Kreditausfälle treffen.

Woher das Geld dafür kommen soll, ist die entscheidende Frage. Bisher scheint Spaniens Strategie zu sein, keine offizielle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sondern eine Rettung durch die „Hintertür“ auf Kosten anderer zu erhalten. In diese Richtung geht etwa der Vorschlag, dass die Banken Anleihen auflegen sollen, die eine staatliche „Garantie“ erhalten. Da diese Bürgschaft Madrids im Ernstfall kaum einen Wert haben dürfte, sollen die fragwürdigen Papiere statt durch den freien Markt von der EZB abgenommen werden. Vorhersehbare Endstation dieses Kettenbriefes: der Euro-Rettungsfonds ESM und damit die europäischen Steuerzahler, bei dem die EZB diese Ramsch-Anleihen letztendlich entsorgen würde. Zumindest aus Sicht der spanischen Regierung hat der Plan noch einen weiteren Vorteil. Auflagen zu Reformen und zur Sanierung der Staatsfinanzen, die mit direkten Hilfen aus den Euro-Rettungsfonds EFSF/ESM verbunden sind, lassen sich umgehen.

Teilweise gelungen ist diese Taktik bereits mit den LTRO-Krediten der EZB. Um das Tabu eines direkten Aufkaufs von Staatsanleihen zu umgehen, wurde Banken zu einem Zinssatz von rund einem Prozent Geld geliehen. Ziel war es, dass die Banken stellvertretend für die EZB Anleihen kriselnder Euro-Staaten kaufen, wie der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy unverblümt zugegeben hatte. Unbeabsichtigter Nebeneffekt des „Sarkoy-Trades“: Der Anteil spanischer Staatsanleihen die im Besitz spanischer Banken sind, ist von 37 Prozent auf 50 Prozent gestiegen. Ausländische Halter spanischer Papiere haben sich dagegen zurückgezogen. Gesunken ist damit im Ausland aber auch der Anreiz, zur Rettung Spaniens Geld locker zu machen. Letztendlich könnte die EZB so mit ihren LTRO-Krediten ein Eigentor geschossen haben.

Die Beruhigung der Anleihenmärkte hat nur kurz vorgehalten, langfristig wurde aber die Renationalisierung der Anleihenmärkte in den Euro-Peripheriestaaten eingeleitet und damit die Wahrscheinlichkeit eines Ausstiegs dieser Länder. Norman Hanert


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