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09.06.12 / Besser als sein Ruf / Gneisenaus Vorgänger in Kolberg, Ludwig Moritz von Lucadou

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Besser als sein Ruf
Gneisenaus Vorgänger in Kolberg, Ludwig Moritz von Lucadou

Als im Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 nach der Doppelniederlage Preußens in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt die preußischen Festungen vor den vorrückenden napoleonischen Truppen wie die Dominosteine fielen, gehörte Kolberg zu den wenigen Ausnahmen. Unter dem Kommando des legendären späteren Heereseformers August Neidhardt von Gneisenau leistete die Festung bis zum Kriegsende Widerstand. Mit dieser großartigen Leistung setzte Gneisenau Maßstäbe, denen sein Vorgänger als Festungskommandant, Ludwig Moritz von Lucadou, im historischen Vergleich nicht genügen konnte.

Verdunkelt wurde das Bild Lucadous in der Geschichte zusätzlich durch sein schlechtes Verhältnis zu Gneisenaus kongenialem Partner bei der Verteidigung Kolbergs, dem dynamisch-leidenschaftlichen Kolberger Bürgerrepräsentanten Joachim Nettelbeck. Nach dem Tode Lucadous beschrieb Nettelbeck den Toten in seinen interessanten und lesenswerten, aber auch subjektiven Lebenserinnerungen als Feigling und „als Schlafmütze, die in aller Seelenruhe abends zur rechten Zeit das Bett aufsuchte“ und die Festung kampflos an die Franzosen zu übergeben beabsichtigte. In diesem üblen Sinne stellte auch der Dichter Paul Heyse in seinem Schaupiel „Kolberg 1807“ Lucadou mit großer Breitenwirkung in Deutschland zu Ende des 19. Jahrhunderts dar.

Dabei gehörte Lucadou keineswegs zur Gruppe jener feigen, kopflosen Festungskommandanten, die wichtige preußische Festungen wie Erfurt, Magdeburg, Spandau, Stettin oder Küstrin kampflos den Franzosen auslieferten. Vielmehr beweisen die Berichte von unverdächtigen Augenzeugen wie des späteren preußischen Generals Roth oder des Kolberger Superintendenten Maß, dass der damals 65-jährige Lucadou durchaus bereit war, treu und brav seine Pflichten als Festungskommandant wahrzunehmen. Ein erster französischer Parlamentär, der am 8. November 1806 von ihm die Übergabe verlangte, wurde scharf abgewiesen. Mit Umsicht traf Lucadou alle nötigen Anstalten, um der bevorstehenden französischen Belagerung zu widerstehen. Die ursprüngliche Festungsbesatzung wurde von 1500 auf 5700 Mann aufgestockt, auch wenn Lucadou dabei öfters heftig mit dem ungestüm agierenden Freikorpsführer Ferdinand von Schill „zusammenrasselte“. Lucadou ließ Proviant in die Festung bringen und diese beschleunigt armieren, sprich alle Befestigungen herrichten und Kanonen auf die Wälle schleppen.

Doch weigerte sich der im althergebrachten militärischen Denken erzogene Oberst, über die unmittelbaren Festungswälle hinaus auch deren Vorfeld offensiv zu verteidigen, wie ihm das jüngere Offiziere vorschlugen. Deshalb begann hinter Lucadous Rücken ein reger Briefverkehr von Bürgern und Offizieren ins Königliche Hauptquartier mit der ständigen Bitte um dessen Absetzung.

Am 19. April 1807 traf der am Beginn seiner steilen Karriere stehende Gneisenau in Kolberg ein und leitete ab sofort, tatkräftig unterstützt durch Nettelbeck, die Verteidigung der nunmehr völlig eingeschlossenen Festung bis zum Frieden. Lucadou blieb die ganze Zeit über in der Festung, obwohl er sie problemlos zu Schiff hätte verlassen können. Ein Feigling war er also nicht. Gneisenau verhielt sich nach Kriegsende fair zu seinem Amtsvorgänger und erwirkte beim König dessen Pensionierung unter Beförderung zum General. Der seit 1804 verwitwete Lucadou heiratete anschließend in Kolberg unter Stand die 30-jährige Tochter des Feldschers des Kolberger Garnisonsbataillons, verzog nach Köslin und starb dort am 21. Juni 1812. Jürgen W. Schmidt / M.R.


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