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09.06.12 / Tagung über den »Lobsänger Masurens« / Die Masurische Gesellschaft lud anlässlich des 125. Geburtstags Ernst Wiecherts nach Sensburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Tagung über den »Lobsänger Masurens«
Die Masurische Gesellschaft lud anlässlich des 125. Geburtstags Ernst Wiecherts nach Sensburg

Aus Anlass des 125. Geburtstags Ernst Wiecherts hat die Masurische Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft e. V. und der Stadtverwaltung Sensburg eine dreitägige Veranstaltung in der Heimat des Dichters organisiert. Stattgefunden haben Vorträge, Lesungen, Diskussionen zum Werk und Leben des Autors unter dem gemeinsamen Motto: „Ernst Wiechert – Lobsänger Masurens, Freund der einfachen Menschen seiner Heimat“. Die Vorbereitung und Leitung übernahm der Vorsitzende der Masurischen Gesellschaft Tadeusz Willan.

Das Seminar wurde am Vortag des Geburtstags in Sensburg von der dortigen Bürgermeisterin, Otolia Siemieniec, eröffnet. Die allen örtlichen Initiativen sehr wohl gesinnte Politikerin knüpfte in ihrer Ansprache an die lange Tradition der deutsch-polnischen Begegnungen im kulturellen Bereich an. In diesem Zusammenhang bezeichnete sie den polnischen Nationaldichter Adam Mickiewicz als einen Vermittler und Brückenbauer, der die beiden Kulturkreise seit eh und je in Masuren vereint habe.

Den Hauptvortrag hielt der Professor für Literatur an der Universität in Allenstein Zbigniew Chojnowski. Der Verfasser einer 2011 erschienenen Monografie, deren Schwerpunkt die Verankerung der beiden polnischen Schriftsteller Gałczynski und Herbert sowie Wiecherts in der ostpreußischen Landschaft ist, setzte sich kritisch mit dem gegenüber Wiechert erhobenen Vorwurf auseinander, seine schriftstellerische Botschaft sei einfältig und seine Darstellungsart nicht zeitgemäß. Chojnowski kritisierte des Weiteren die kommunistisch geprägten Kritiker der 50er Jahre in Polen, die Wiechert schlechthin jegliche künstlerische Begabung alleine deshalb abprachen, weil er sich offen zu seinem Glauben bekannte. Eine flüchtige Erwähnung der evangelischen Weltanschauung Wiecherts bewog den unter den Zuhörern anwesenden Pastor Krzysztof Mutschmann von der evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Sorquitten zu einer stark emotional gefärbten Stellungnahme zur prekären Lage dieser heute weiterhin im Schwund begriffenen Glaubensgemeinschaft Polens.

Die Allensteiner Bibliothekarin Anita Romulewicz stellte in ihrem eindrucksvollen und sachlichen Vortrag das Bild der Masuren im Roman „Die Jeromin-Kinder“ vor. Sie bemüht sich um die Wahrung des Wiechert-Erbes und gehört zu den jungen Menschen, welche die deutschsprachige Literatur Ostpreußens für sich zu entdecken suchen. Zu den unermüdlichen Verbreitern des Wiechertschen Werks zählt der polenweit beliebte und in seiner Wesens- und Humorart dem deutschen Kollegen Steffen Möller ähnliche Entertainer Piotr Bałtroczyk. Der in Allenstein gebürtige Starkabarettist bemüht sich in den Medien um eine Aufnahme der bereits übersetzten Romane Wiecherts in das polnische Kulturgut. Außerdem gelang es ihm 2001 an der erstmaligen Herausgabe des Buches „Das einfache Leben“ in polnischer Sprache mitzuwirken.

Die dreitägigen Geburtstagsfeierlichkeiten umfassten ansonsten die Besichtigungen der Wiechert-Gedenkstube in Peitschendorf und zweier Ausstellungen im Sensburger Rathaus und im Kulturhaus Peitschendorf. Letztere mit dem Titel „Ernst Wiechert – Die Suche nach dem einfachen Leben“ war eine Leihgabe der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM). Der stellvertretende Vorsitzende der Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft Klaus Weigelt begrüßte alle Anwesenden am eigentlichen Geburtstag des Dichters. Tadeusz Willan führte durch die Ausstellungen und moderierte während des weiteren Verlaufs der Konferenz, bei der vorwiegend die Frauen das Regiment führten. Lesungen und Vorträge wurden von zwei Deutschen und einigen Polinnen gehalten. Es sprachen Leonore Krenzlin, Magdlena Zółtowska-Sikora, Sylwia Białecka, Maria Grygo und Brigitte Jäger-Dabek. Jäger-Dabek verlas die Grußworte von Bernhard Gaida, dem Vorsitzenden des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG): „Ernst Wiechert habe ich persönlich sehr viel zu verdanken. Jeder von uns entwickelt sich und muss sich mit vielen unterschiedlichen Gedanken auseinandersetzen. In meinen jungen Jahren im Laufe der Ausbildung wurde mir und uns allen ein einseitiges Bild des Deutschen gezeigt. Aus Protest habe ich mich gegen die eigenen Wurzeln orientiert. Gott sei Dank, dass ich einst in einer Buchhandlung Wiecherts ‚Die Jeromin-Kinder‘ in der polnischen Fassung fand. Als ich die zwei Bände des Buches gelesen habe, war ich als deutscher Schlesier mit der klaren deutschen Identität gerettet. Ein masurischer Dichter half mir, einem Schlesier, das Deutschtum in seinem Reichtum und Vielfalt zu verstehen. So begann meine Faszination für Wiechert und der Roman ‚Die Jeromin-Kinder‘ blieb für mich persönlich eine Verankerung zu der deutschen Kultur.“

Besonders geehrt wurde bei den diesjährigen Feierlichkeiten das Märchengut Wiecherts. Über dieses Genre äußerte sich in dieser Vortragsreihe die Germanistin und ehemalige Dozentin für Deutsch aus Lötzen, Hanna Schoenherr. Die Schüler der Grundschule in Kruttinnen führten das Märchen „Der Moormann“ auf und Schulkinder aus Aweyden das Märchen „Die Schwestern“.

Des Weiteren wurden Blumen auf den Gräbern von Meta, Ernst-Edgar und Paul Wiechert auf den Waldfriedhöfen bei Kleinort und Pfeilswalde sowie auf dem Grab des Vaters in Peitschendorf niedergelegt. Ähnliches geschah auf dem Friedhof in Kruttinnen, wo die Großeltern Wiecherts begraben liegen. Die ganze Veranstaltung wurde durch eine Begegnung der polnischen und deutschen Mitglieder der Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft abgerundet. Abschließend gab es zum Ausklang ein Hörspiel. Als Vorlage dafür diente der Erinnerungsband Wiecherts „Wälder und Menschen“. Grzegorz Supady


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