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09.06.12 / Landschaft der Sehnsucht / Nehrungsbilder aus der Sammlung Schimpke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Landschaft der Sehnsucht
Nehrungsbilder aus der Sammlung Schimpke

Wer je die Kurische Nehrung erlebt hat, wie sie sich in alten Zeiten dem Beschauer darbot, wird sich immer nach diesem schmalen Landstrich zwischen See und Haff, der keine Vergleiche verträgt, zurücksehnen. „Landschaft der Sehnsucht“ lautet deshalb auch der Untertitel eines kürzlich erschienenen Buches, das als Haupttitel nur einen Namen trägt: Nidden. Ein Bildband von faszinierender Vielfalt und Schönheit, und nicht nur das: Die einführenden und begleitenden Texte in Deutsch und Litauisch beruhen auf den eigenen Erfahrungen und Eindrücken des Hamburger Kunstverlegers Dr. Bernhard Schimpke, der mit über 70 Bildern aus seiner umfangreichen Sammlung diesen Band gestaltet hat. Was das in seinem eigenen Verlag erschienene Buch so reizvoll macht: Es handelt sich zumeist um Werke weniger oder sogar unbekannter Maler der Niddener Künstlerkolonie, die ihren Aufenthalt mit einem Bild „bezahlten“, wie die Fischertochter Herta Paul geborene Detzkeit zu erzählen weiß. Ihre Erinnerungen geben dem Buch einen besonders authentischen Wert, führen zusammen mit den Werken der malenden Gäste in die Vergangenheit zurück. „Man de Sehnsucht bleew …“ heißt es ja im Hafflied. Mit diesem Buch, das die Sehnsucht im Titel trägt, kann sie mit Bild und Wort wenigstens für die Zeit des Betrachtens gestillt werden.

Im Mittelpunkt der Sammlung Schimpke stehen Arbeiten des Malers Carl Knauf, mit denen für den Kunstfreund einmal alles begann. Knauf hatte sich in Nidden ein Haus auf dem Schwiegermutterberg bauen lassen, es lag neben dem Sommerhaus von Thomas Mann, beide Häuser waren von dem Memeler Architekten Herbert Reissmann gebaut worden. Dr. Schimpke, der auf seinen beruflichen Reisen, die ihn in alle Welt führten, immer etwas aus dem Bereich der Kunst mitbrachte, besuchte bei einem Aufenthalt in der Republik Litauen auch Nidden. Ihn fesselte das düster wirkende „Geisterhaus“ und sein 1944 verstorbener Besitzer so sehr, dass er sofort zugriff, als ihm ein Dünenbild von Carl Knauf zum Kauf angeboten wurde. Damit war der Anfang zu der Sammlung „Malerei der Niddener Künstlerkolonie“ gemacht, aus der Arbeiten von 38 Künstlern in dem Buch enthalten sind. Die Namensliste reicht von Josef Adam und Joan Anacker bis zu Richard Otto Voigt und Gustav Wittschas, weniger bekannte Künstler, von allen gibt es eine Kurzbiografie. Aber es sind auch Werke von Richard Theodor Birnstengel, der ebenfalls in Nidden ein Haus besaß, Eduard Bischoff, Wilhelm Eisenblätter, Karl Eulenstein, Max Pechstein und dem „Elchmaler“ Kallmeyer in dem Buch zu finden, das sich motivmäßig nicht allein auf Nidden beschränkt, sondern auch weitere Nehrungsorte wie Pillkoppen und Rossitten sowie Landstriche aus dem Memelgebiet einbezieht.

In seinen Gedanken zur Sammlung erklärt Dr. Bernd Schimpke, dass sie den Anspruch erfüllen soll, wie die Malerei selbst wahrhaftig zu sein und Kunst mit Seele zu vermitteln. „Die Malerei der Niddener Künstlerkolonie aus der Zeit, wie sie hier dargestellt wird, ist nicht nur die malerische Kunst, sondern auch gleichzeitig etwas bisher Vergessenes, das den Anspruch erheben darf, wahrhaftig zu sein, ohne den Hauch von Materialismus, des Geldverdienens, sondern bescheiden um Anerkennung sucht.“

Das bestätigt auf ihre Weise Herta Paul aus der Sicht der Fischertochter, deren Elternhaus in den Sommermonaten an bescheidene Gäste vermietet wurde. „Knauf, Isenfels und Birnstengel haben Häuser in Nidden gehabt. Die anderen Künstler kamen als Gäste und fuhren wieder ab. Und die ließen immer nur ein Bild da. Elche, Dünen und Kähne, wir wussten gar nicht mehr, wohin damit. Aber für uns war das ja nichts Neues, wir kannten das alle. Einmal war der Baron von Wolff da. Er kam aus Lettland und hat Elche wie lebend gemalt. Von dem hätte ich gerne ein Elchbild behalten. Er hatte kein Geld und hat gesagt, er schickt uns etwas, wenn er die Bilder verkauft hat. Unsere Nachbarn haben gesagt, wie könnt ihr bloß einen ohne Geld bei euch haben. Doch die Oma meinte, ob einer mehr am Tisch sitzt oder nicht, merkt man gar nicht. Irgendwann hat er tatsächlich Geld gemacht und gesagt, er sei schließlich ein Ehrenmann.“ Das Geld kam genau zur Übergangszeit, als „Schack­tarp“ war, das Eis brach und die Fischer nicht zum Fang hinaus konnten. Leider ist in der Sammlung kein Bild von „Wölffchen“ vertreten, der baltische Maler liebte Ostpreußen. Mich fesseln besonders die herrlichen Kurenkahn-Bilder, das Hauptmotiv der Gemälde und Lithografien. Die vermisste die heute 84-jährige Herta Paul doch sehr, als sie vor einigen Jahren ihr Heimatdorf besuchte. „Da habe ich erst mal gedacht, da fehlt doch etwas. Irgendwann bin ich drauf gekommen: Die ganzen Kähne waren weg, sie sind alle verheizt worden. Das sah so anders aus!“ Da dürfte auch „Kursis“ für die Niddener Fischertochter nur ein schwacher Trost sein! („Nidden. Landschaft der Sehnsucht“, 136 Seiten, Schimpke Kunstverlag Hamburg, ISBN: 978-3-98151135-0-9, 28 Euro.) R.G.


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