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09.06.12 / Ein Traum wird wahr / Sein Ideal war ein Mädchen mit Sommersprossen − Nun stand sie vor ihm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Ein Traum wird wahr
Sein Ideal war ein Mädchen mit Sommersprossen − Nun stand sie vor ihm

Auf dem Bahnsteig ist es kalt und zugig. Peter seufzt. Immer das Gleiche: Man steht sich die Beine in den Bauch, bis die Bahn um die Ecke kommt, und dann sind die Plätze bis Köln auch noch besetzt.

Peter ist 18 und hat noch keine Freundin. Und er hätte gern eine. In seinen Tagträumen stellt er sich ein Mädchen mit grünen Augen und Sommersprossen vor, die mit ihm durch die Felder geht. Rote Haare müsste sie haben.

Ein Mädchen setzt sich auf den gegenüber liegenden Sitz und lächelt ihn kurz an. Sie sieht nett aus. Ihre Augen sind hellgrau mit einigen Sprenkeln Grün darin. Und tatsächlich, auf ihrer Stupsnase drängeln sich ein paar braune Punkte – Sommersprossen. Die Farbe ihres glatten Haares ist zwar schwarz wie das Gefieder einer Amsel, aber ein paar gefärbte Strähnen leuchten darin wie rote Bänder. Wie alt mag sie sein?

Das Abteil wird voll. Der Zug gewinnt schnell an Fahrt. Der Junge versucht nicht zu starren. Sein Magen spielt verrückt. Er fühlt, dass sein Gesicht heiß anläuft. Wenn er sie doch nur ansprechen könnte! Aber er weiß ja, es geht nicht. Gleich wird sie aussteigen, und er sieht sie nie wieder! Dabei ist sie genau die Frau, mit der er durch die Felder schlendern möchte. Peter überlegt fieberhaft. Wie kann er sie dazu bringen, ihn wahrzunehmen, ihm sogar zuzuhören? Aber das ist ja nicht möglich!

Der Zug wird langsamer. Hastig klappt er seine Tasche auf, holt Block und Kuli heraus. Der Zug hält. Das Mädchen ist schon an der Tür. Peter schubst, drängelt, windet sich aalglatt durch das Menschenknäuel im Gang. An der Treppe erwischt er sie noch, reicht ihr den beschriebenen Zettel. Sie weicht zurück, doch dann liest sie und ihre abweisende Miene wird weicher. Zwei Sätze in Druckbuchstaben: Möchte mit dir Eis essen gehen, bin aber taubstumm. Du kannst mir antworten, ich lese von den Lippen.“ Darunter sein Name: „Peter“ und ein dickes „Bitte!!!“ Sie sieht unschlüssig aus. Das Herz klopft ihm hart in der Brust. Das wird nichts. Welches hübsche Mädchen will schon mit einem Taubstummen befreundet sein? Als habe sie seine Gedanken gehört, nimmt sie ihm den Kuli aus den Fingern und malt etwas auf seinen Handrücken. Einen Augenblick setzt sein Herz aus. Da steht ihr Name: „Biggy“. Und von ihren Lippen liest er: „Morgen drei Uhr – hier!“

Und schon ist sie weg. Peter starrt auf seine Hand. Sicher hat sie ihn nur veräppelt. Er denkt an ihre grauen Augen mit den grünen Sprenkeln. Seine Füße sind schwer wie Felsgestein, als er die Treppe herunter geht. Und doch – warum sollte er nicht auch einmal Glück haben? Gabriele Lins


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