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09.06.12 / Historische Historikermeinung / 150 Jahre alte Einschätzungen eines Professors zum Zeitalter von Friedrich II.

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Historische Historikermeinung
150 Jahre alte Einschätzungen eines Professors zum Zeitalter von Friedrich II.

Dieses Werk dürfte unter all den Publikationen zu Friedrichs des Großen rundem Geburtstag eine besondere Stellung einnehmen. Es bringt nämlich, editorisch kommentiert, mit sehr lesenswerten Anmerkungen und mit einem zusätzlichen Essay des Romanciers und Herausgebers Hans Pleschinski über den Preußenkönig versehen, den Vorbereitungstext zu Vorträgen und Vorlesungen, die der große Schweizer Historiker und Geschichtsdenker Professor Jacob Burckhardt (1818–1897) über das Zeitalter Friedrichs gehalten hat. Wir haben also eher einen Beitrag zur Burckhardt-Philologie vor uns als ein originäres Werk zum Thema. Denn der Autor hat keine eigenen Forschungen angestellt, sondern aus schon vorliegenden Historien exzerpiert und ist nur originell durch die Gewichtung, die er den einzelnen Fakten verleiht, und durch gelegentliche Urteile. Die fallen mitunter scharfzüngig und sarkastisch, aber immer nüchtern und punktgenau aus. Seine Darstellung Friedrichs ist nicht in die hagiografische Tradition über diesen intelligentesten aller Hohenzollern einzureihen.

Unter „Zeitalter“ versteht Burck-hardt erst die Zeit nach dem Abschluss des Siebenjährigen Krieges (1763) bis zum Tode des Königs (1786). Das ist sehr schade, denn damit fallen so gut wie alle militärischen Leistungen Fried-richs weg. Friedrich aber war ein brillanter Feldherr, und er bleibt das, auch wenn die Niederlagen im Siebenjährigen Krieg, die von Kolin, Hochkirch, Kunersdorf und Maxen, nicht dem wechselnden „Schlachtenglück“, sondern des Königs Fehlkalkulationen und Unvorsichtigkeiten zuzuschreiben sind. Vor allem hat eine Seite seines insgesamt unglaublich facettenreichen Charakters ihn zum Militär prädestiniert: das Vermögen, auch verzweifelte Situationen gegen überlegene Feinde durchzustehen. Ohne diese Fähigkeit, das sagt auch Burckhardt, hätte Preußen den Siebenjährigen Krieg nicht überstanden.

In diesem Zusammenhang darf etwas Psychologie bemüht werden. Wenn Friedrich in seiner Kronprinzenzeit nicht auf die bekannte, höchst brutale Weise von seinem Vater geschunden worden wäre, dann wäre sein Gemüt nicht so verhärtet geworden, und dann hätte er sich nicht über all den Schmutz und all die Grausamkeiten eines langen Krieges letztlich hinwegsetzen können.

Auch bedeutet die Unterlassung der militärischen Erzählung historisch ein ernsthaftes Defizit, denn Fried-rich hat bekanntlich durch den Erwerb von Schlesien die machtpolitische Parität im Reich mit Österreich hergestellt. Erst dadurch ist Friedrich zum Begründer der preußischen Großmacht geworden. Friedrichs vorzügliche Verwaltung und die Pflege „preußischer Tugenden“ bei seinen Untertanen hingegen, die man ihm zum historisch nachwirkenden Verdienst anrechnen kann, sind nicht eine einmalige Leistung seiner Herrschaft, sondern stehen in einer Tradition, die bereits mit dem „Großen Kurfürsten“ (1640–1688) beginnt und hoffentlich noch in der heutigen deutschen Bürokratie eine gewisse Nachwirkung hat.

Im Übrigen befasst sich der ganz überwiegende Teil von Burck-hardts Texten nicht mit der Person des Königs, sondern mit dem Zeitalter, in dem er den König, ohne dass dieser ihm geradezu seine Prägung auferlegt hätte, nur für die imponierendste Erscheinung hält. Es werden also etwa Kaiser Joseph II., die erste Teilung Polens, Katharina die Große und der Reformkönig Gustav III. von Schweden auf nicht weniger Raum als Friedrich behandelt. Das ist gut lesbar, teilweise bei aller Seriosität sogar unterhaltsam, aber anderswo bekommt man die Zusammenhänge präziser aufbereitet. Und außerdem: Burckhardt hat seine Skripten memoriert und deren Inhalt dann im Hörsaal in freier Rede mitgeteilt, und er war ein begnadeter Rhetoriker. Solche persönlichen Eindrücke kann der Text natürlich nicht transportieren. Bernd Rill

Jacob Burckhardt: „Das Zeitalter Friedrichs des Großen“, C. H. Beck, München 2012, 256 Seiten, 19,95 Euro


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