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09.06.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-12 vom 09. Juni 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Goebbels lacht / Wie man von ganz rechts nach ganz links und zurück kommt, wie unser Gewissen trotzdem rein bleibt, und was Hans Eichel weiß

Da die Erde eine Kugel ist, muss man sich von einem Standpunkt nur lange genug wegbewegen, um irgendwann aus der entgegengesetzten Richtung wieder am Ausgangspunkt zu landen. Theoretisch.

Theorie ist ja so eine Sache. Meist bloß Gerede, aus dem nie etwas Handfestes wird. Das muss aber nicht sein. Manchmal wird die Theorie richtig anschaulich. Das gilt nicht bloß für die Geografie, sondern auch für die Politik, wie wir neulich in einer großen Boulevard-Zeitung miterleben konnten.

Die hat nämlich einen himmelschreienden Skandal aufgedeckt, und zwar: Bei der RTL-Show „Bauer sucht Frau“ hat sich ein 28-jähriger Landwirt eingeschlichen, der bis zu seinem 21. Lebensjahr Mitglied der NPD gewesen ist. Nun wollte „Nazi“-Bauer Fritz trotz seiner schrecklichen Vergangenheit eine Partnerin finden. Ungeheuerlich findet das Blatt das.

Und RTL ebenso: Nachdem der „Nazi-Skandal bei Bauer sucht Frau“ aufgeflogen war, schmiss der Sender den Kerl sofort raus. Zwar will der mit der NPD nach eigenen Worten schon lange nichts mehr zu tun haben, Jugendsünde. Das hilft ihm aber nicht: Er ist sozusagen vergiftet, hat den braunen Ungeist im Blut, ein für allemal. Da kommt heiraten nicht in Frage. und wenn, dann bitte nur ganz heimlich. Denn können wir es zulassen, dass sein verseuchtes Nazi-Blut die Reinheit eines Demokraten-Mädels verdirbt und bräunlich gescheckte Bastarde da herauskommen?

Womit wir wieder bei dem Bild mit der Erdkugel wären: Kennen wir das nicht alles schon irgendwoher? Na? Klingeln bei Ihnen auch „Blutschande“ und ähnliche Wortmonster aus der NS-Zeit durch den Kopf? Das grausige Heiratsverbot zwischen der Gruppe der „Einwandfreien“ und den anderen, den irgendwie Gezeichneten, das damals galt?

Haben wir uns nur dafür von der NS-Brut mit aller Macht so weit wie möglich entfernt, um wieder Leuten die Brautschau zu verbieten, weil sie ein gewisses „Merkmal“ haben, in diesem Falle ein politisches in ihrem Lebenslauf? Aus der Unterwelt dröhnt das schallende Gelächter von Joseph Goebbels zu uns herauf: „Schöne ,Antifaschisten‘ seid ihr mir, ihr Pfeifen. Das nenne ich deutsche Wertarbeit: Mein Gift wirkt immer noch!“

Vor ein paar Jahren erst weigerten sich Lehrer einer Waldorfschule, zwei Kinder weiter zu unterrichten, nachdem sich ihr Vater als NPD-Charge entpuppt hatte. Sippenhaft auf antifaschistisch. Frau finden, Kinder haben und die auch noch in die Schule schicken dürfen, all das muss ihnen also verboten werden. In der DDR rettete man Kinder von Politverbrechern (wie etwa gescheiterten Republik-Flüchtlingen) vor dem minderwertigen Elternmaterial, indem man sie in sozialistische Erziehungsheime steckte. Da wir gelernt haben, dass „nicht alles schlecht war“ am SED-System, könnten wir hier doch ebenfalls anknüpfen. Um weiteren Ka­tastrophen vorzubeugen, sollte der standesamtlichen Trauung eine nachrichtendienstliche Untersuchung der Heiratskandidaten vorgeschaltet werden. Man kann ja nie wissen. Oft sehen Nazis fast so aus wie richtige Menschen, das ist einer ihrer perfidesten Kniffe.

Oder gar wie Linke. Als das Fest zum Tag der Deutschen Einheit das letzte Mal turnusgemäß in Hamburg stattfand, marschierte da ein massiver schwarzer Block auf, um die fröhliche Feier niederzuwalzen. Verdutzte Touristen blickten auf den bedrohlich grölenden Mob und fragten einen Einheimischen: „Sind das die Rechten?“ „Nee, das sind die Linken“ „Ach, und woran erkennt man das?“ Schulterzucken.

Bestialisch war bei den Nazis bekanntlich auch die Sprache; da wurden Menschen zu „Untermenschen“ herabgesetzt oder gar zur „lispelnden, stotternden, zuckenden Menschenkarikatur“. Das heißt, das letzte Zitat ist gar nicht von 33–45, sondern von heute, und stammt von der linken Journalistin Mely Kiyak, und sie meint damit Thilo Sarrazin – Goebbels, du Sack, jetzt hör endlich auf zu lachen!

Wäre leider nicht das erste Mal, dass wir uns vor lauter „guten“ Absichten in unser eigenes Feindbild verwandelt hätten. Etwas moralisch Besseres als den Umweltschutz gibt es ja kaum, schließlich tun wir das alles doch bloß „für unsere Kinder“. Wer den Müll trennt, Bus fährt und seine klimatötenden Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzt, der darf ruhiger schlafen.

Es sei denn, er hat selber Kinder. Der Tiroler Dokumentarfilmer Christoph Mayr erzählt uns die Geschichte vom kleinen Max aus Bayern. Der hat eine Energiesparlampe zerdeppert und den quecksilberhaltigen Dampf eingeatmet. Darauf erlitt er eine schwere Vergiftung, Haare und Wimpern fielen aus, Max zittert und kann kaum noch einen Becher halten.

Die Vorkämpfer der Giftbirne wollen mit ihrer Errungenschaft inzwischen lieber nicht mehr in Zusammenhang gebracht werden, ebenso wenig wie mit dem Biosprit, der die Lebensmittel für die Armen dieser Welt immer teurer gemacht hat. Das Schöne ist aber, dass diese Totalschäden auf Kosten anderer keinerlei Flecken auf dem blütenweißen Gewissen etwa der Grünen hinterlassen haben. So wie auch Mely Kiyak niemals auf die Idee käme, sie könnte etwas „Menschenverachtendes“ geschrieben haben. Der Seelenreiniger unserer Zeit heißt Linkssein. Wer links ist, kann gar nichts Schlechtes tun, deshalb darf er alles machen, was er will.

Wenn doch bloß alles so leicht zu heilen wäre wie ein linkes Gewissen. Der Euro blutet aus allen Gliedern, derweil sich seine Retter aufführen wie mittelalterliche Quacksalber: Da sie die Ursache der Krankheit nicht erkennen können (oder wollen), fuhrwerken sie mit Aderlässen in Form deutscher Transfers, mit Zaubersprüchen, Beschwörungsformeln („Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte!“) und allerhand weiterem Hokuspokus. Helfen tut natürlich nichts davon, doch was tut der unbelehrbare Quacksalber angesichts seines Scheiterns? Er verabreicht einfach noch mehr von dem gleichen Käse, schließlich hat er das immer so gemacht. Wie ihre mittelalterlichen Vorbilder zanken sich die Retter dabei wie die Kesselflicker.

Die einfachen Menschen verfallen wie in jeder Krise in bitteren Galgenhumor. „Groupon-Reisen“ wirbt für Ausflüge nach Hellas mit dem Slogan „Atemberaubendes Griechenland“. Sie finden das sarkastisch, ja sogar makaber? Dann hören Sie erst mal das hier an: Hans Eichel ist wieder da und hat gute Ratschläge mitgebracht. Zur Gedächtnisauffrischung: Sozialdemokrat Eichel war jener Bundesfinanzminister, der gegen den Widerstand von Wissenschaft und schwarz-gelber Opposition den Griechen den Weg in den Euro geebnet hat. Er ist also geübt in Katastrophen. Allerdings mehr darin, wie man sie herbeiführt als darin, wie man sie bewältigt.

Danach ist denn auch sein Rat zur Lösung der Wirtschafts- und Schuldenkrise in Europa: Staatsausgaben zu kürzen schade dem Konsum, rechnet uns Ökonom Eichel vor. Das wiederum bremse das dringend nötige Wachstum. Statt also Ausgaben zu kürzen, sollten wir lieber die Steuern auf Energie anheben, um so mehr Geld für neues Wachstum einzutreiben.

Mit anderen Worten: Wir nehmen den Leuten mehr Geld weg, damit sie mehr konsumieren können. Das, meine Damen und Herren, ist Sarkasmus. Da kommt „Atemberaubendes Griechenland“ niemals mit. Wir hätten nicht gedacht, dass der spröde Eichel über einen so tiefgründigen Humor verfügt.

Tut er auch gar nicht. Er meint das ernst, womit wir der Antwort auf die Frage, „wie es nur so weit kommen konnte“, schon wieder ein Stückchen näher gekommen wären. Leute vom Format Eichels waren es, die uns (parteiübergreifend) in diese interessante Lage gebracht haben. Und die gleichen Experten sind es nun, die uns wieder herausführen wollen aus dem Morast. Atemberaubendes Europa.


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