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16.06.12 / Keltischer David gegen britischen Goliath / Auseinandersetzung um die Zukunft Schottlands spitzt sich zu – Große Mehrheit für mehr Autonomie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

Keltischer David gegen britischen Goliath
Auseinandersetzung um die Zukunft Schottlands spitzt sich zu – Große Mehrheit für mehr Autonomie

Die Feierlichkeiten anlässlich des 60. Regentschaftsjubiläums von Königin Elisabeth II. haben auch den rebellischen Norden der britischen Insel nicht unbeeindruckt gelassen. Alex Salmond, Vorsitzender der Schottischen Nationalpartei (SNP) und Chef der Regionalregierung in Edinburgh, erklärte, die Queen würde im Fall einer Unabhängigkeitserklärung seines Landes die Königin der Schotten bleiben. Dessen ungeachtet sollten seine Landsleute anläßlich des bevorstehenden königlichen Besuchs bei der „Royal Week“ in Schottland im Juli vermehrt das schottische Löwenbanner anstelle des Union Jack hissen.

Wenige Tage zuvor hatte Salmond die Kampagne für die Unabhängigkeit seines Landes von Großbritannien offiziell eröffnet. Er kündigte an, im Vorfeld der für Herbst 2014 geplanten Volksabstimmung eine Million Schotten für die Unterzeichnung einer Unterstützungserklärung („independence for Scotland declaration“) gewinnen zu wollen.

Applaus bekommt Salmond auch von Abgeordneten der schottischen Grünen, von Unternehmern aus der Region, vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen und Schauspielern wie James-Bond-Darsteller Sean Connery, Alan Cumming und Brian Cox oder Musikern wie Pat Kane. Federführend für das „Yes“-Lager ist aber zweifellos seine SNP, während sich die Neinsager aus den Reihen der verschiedenen anderen großen Parteien – also den Konservativen, Sozialisten und Liberaldemokraten – zusammensetzen.

Auch wenn die Pro-Großbritannien-Kampagne erst in Kürze gestartet wird, spitzt sich die Auseinandersetzung um die Zukunft Schottlands unweigerlich zu. Die Forderung nach noch weitergehender Autonomie genießt schon jetzt eine deutliche Zustimmung in der schottischen Bevölkerung. Meinungsumfragen sehen den Anteil der Befürworter unter den fünf Millionen Einwohnern Schottlands bei bis zu 70 Prozent, wobei insbesondere eine Ausweitung der Steuerhoheit Edinburghs beliebt wäre. Hinsichtlich einer eventuellen Unabhängigkeit schwanken die demoskopischen Erhebungen. Einer von der Zeitung „Sunday Telegraph“ in Auftrag gegebenen, Ende Januar veröffentlichten Umfrage zufolge liegt die Zahl der Ja-Stimmen in Schottland bei 40 Prozent gegen-über 43 Prozent Ablehnung. Darüber hinaus bestätigte diese Studie die schon länger feststellbare Mehrheitsmeinung in England, dass die Schotten aus dem Staatsverband entlassen werden sollten (43 Prozent gegenüber 32 Prozent gegen eine Unabhängigkeit Schottlands).

Nicht nur der von den schottischen Nationalisten angestrebte Referendumstermin am 24. Juni 2014, dem 700. Jahrestag des Sieges der schottischen Aufständischen unter Robert the Bruce in der Schlacht von Bannockburn über ein dreimal so großes Heer des englischen Königs Edward II., erscheint aus Londoner Sicht ungünstig, sondern das übernächste Jahr insgesamt. Denn es wird für die Schotten ein Jahr voller Höhepunkte sein, in dem ihr Land gleich mit drei Großereignissen international ins Blickfeld rückt: Sowohl die XX. Commonwealth Games in Glasgow vom 23. Juli bis 3. August als auch der Ryder Cup in Gleneagles Ende September – ein Golf-Turnier der Superlative – und erst recht das zum zweiten Mal stattfindende, von Schotten aus aller Welt besuchte „Year of Homecoming“ als großangelegtes Kultur- und Kunstfestival dürften bereits im Vorfeld nationale Hochstimmung erzeugen.

Doch auch im Falle einer bereits in der zweiten Jahreshälfte 2013 angesetzten Volksabstimmung sind die Karten für die schottischen Nationalisten alles andere als schlecht: zentralistische Strukturen werden europaweit zunehmend problematisiert, und die anhaltende britische Wirtschaftskrise läßt eine alleinige Verfügung über die reichen Ölvorkommen vor der schottischen Küste immer verlockender erscheinen. Obendrein steht die regionale Presse schon aus Lokalpatriotismus fast geschlossen hinter dem politischen Oberhaupt Salmond, und die SNP erfreut sich wegen ihrer gesellschaftspolitisch eher linken Programmatik sowie der – die Londoner Gegnerschaft konterkarierenden – EU-freundlichen Tönen einiger Sympathien bei den kontinentalen Massenmedien. Laut einem SNP-Strategiepapier aus dem Herbst 2011 streben die Nationalisten eine Mitgliedschaft ihres Landes in der krisengeschüttelten Europäischen Union an sowie eine ausgeprägtere wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit mit Skandinavien und Regionen im östlichen Europa. In sozialer Hinsicht erscheinen ihnen die wohlfahrtsstaatlichen Strukturen Schwedens und Dänemarks als Vorbild.

Für eine Beibehaltung des vor gut 400 Jahren durch die Zusammenlegung des englischen und des schottischen Parlaments besiegelten Vereinigten Königreiches spricht demgegenüber vor allem die starke Anglisierung der relativ dicht besiedelten Borderlands mit ihrer in weiten Teilen klar gegen einen Unabhängigkeitskurs eingestellten englischen Mehrheitsbevölkerung. Ohne diese Sondersituation im Süden des Landes wäre die Mehrheit der schottischen Bevölkerung für die volle Eigenständigkeit längst überwältigend. Martin Schmidt


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