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16.06.12 / Milliarden versanden im Schlick / Jade-Weser-Port eröffnet wegen Baumängeln später als erwartet – Reeder melden geringen Bedarf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

Milliarden versanden im Schlick
Jade-Weser-Port eröffnet wegen Baumängeln später als erwartet – Reeder melden geringen Bedarf

Deutschland hat als eine der wichtigsten Exportnationen ein herausragendes Interesse an einem leistungsfähigen Seeverkehr. Mehr als 80 Prozent des Welthandels werden über die Meere abgewickelt. Auch ein Großteil der Waren des deutschen Außenhandels wird mit Schiffen transportiert. Damit hat der maritime Sektor eine überragende volkswirtschaftliche Bedeutung für ganz Deutschland, nicht nur für die Küstenregionen. Mit dem Bau des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven wird auf die steigende Baugröße von Containerschiffen reagiert. Als einziger tideunabhängiger Tiefwasserhafen Deutschlands wird er auch die größten Containerschiffe voll beladen abfertigen können. Doch seine ursprünglich für Anfang August vorgesehene Teilinbetriebnahme ist unwahrscheinlich.

Im Gespräch zu sein ist für ein wirtschaftliches Großprojekt wichtig. Im Gerede zu sein, so wie der Jade-Weser-Port, ist dagegen schädlich. Gründe für Gerede liefert das Projekt reichlich. Obgleich die Manager des Großprojektes derzeit durch Europa touren und dafür werben, Großcontainerschiffe künftig an der neuen Kaje mit der großen Wassertiefe abzufertigen, klagte der Betreiber Eurogate vor Gericht gegen die von der Realisierungsgesellschaft festgesetzte Höhe der Hafengebühren. Dort aber unterlag er, denn nach Einschätzung des Landgerichtes Oldenburg hat ein Hafenbetreiber kein Einspruchsrecht gegen die Höhe der Hafenentgelte. Für Professor Klaus Holocher vom Fachbereich Seefahrt an der Jade-Hochschule in Elsfleth ist dieser juristische Streit eher peinlich. Zumal wegen baulicher Pannen der Eröffnungstermin des neuen Hafens noch gar nicht feststeht. Nach seiner Meinung hätten sich die Beteiligten wegen der Außenwirkung lieber intern einigen sollen.

Eurogate dagegen hat ein vitales Interesse an niedrigen Hafengebühren und hofft, mit günstigen Preisen die ständig mit spitzem Bleistift kalkulierenden Reeder zu Routenplanungen in die niedersächsische Hafenstadt zu bewegen. Denn wenn der Hafen eröffnet ist, greifen die vertraglich vereinbarten Mindestumschlagmengen von jeweils 700000 Standardcontainern während der ersten beiden Jahre. Werden die nicht erreicht, dann drohen Strafzahlungen.

Als die Länderchefs von Niedersachsen, Bremen und damals auch noch Hamburg im Jahr 2000 die Idee für einem Tiefwasserhafen an der deutschen Nordseeküste entwickelten, boomten gerade die Containerverkehre, insbesondere zwischen Europa und Ostasien. Ein Ende schien nicht abzusehen. Reedereien gaben immer größere Schiffe in Auftrag, die auch größeren Tiefgang haben. Solche Schiffe würden Hamburg nicht anlaufen können, wenn die Elbe nicht vertieft würde, und auch die unmittelbar in der Wesermündung liegende Stromkaje in Bremerhaven könnte solche Schiffe nicht mehr unabhängig von den jeweiligen Tiden abfertigen. Deshalb war auch das Land Bremen mit im Boot.

Als Standorte waren Cuxhaven und eben Wilhelmshaven im Gespräch, wobei Hamburg den Hafen an der Elbmündung favorisierte. Knapp ein Jahr, nachdem die Entscheidung für den Standort an der Jade gefallen war, zog sich Hamburg aus dem Projekt zurück und wollte die fällig werdenden Summen lieber in die Infrastruktur des eigenen Hafens investieren.

Im Jahr 2009 ebbte die Euphorie wegen der Wirtschaftskrise ohnehin ab. Es folgte eine Schifffahrtskrise mit starkem Rückgang der Ladungsmengen. Als die begannen, sich zu erholen, wurden die ersten Schäden an den Spundwänden des neuen Hafens bekannt und damit Verzögerungen bei seiner Fertigstellung.

Die Schäden an den Spundwänden haben jedoch niemanden wirklich überrascht, der die Hafenbauten an der Nordseeküste über die Jahre verfolgt hatte. Schon vor 40 Jahren, beim Bau der Stromkaje in Bremerhaven, hatte es vergleichbare Probleme gegeben. Und 1929 beim Bau der Columbuskaje hatte der unsichere Grund ebenfalls Probleme bereitet. Das in den 70er Jahren beteiligte Bauunternehmen Rogge, das Erfahrungen hätte einbringen können, hatte sich zwar auch um den Bauauftrag in Wilhelmshaven beworben, war jedoch gegen die Unternehmensgruppe „Bunte“ unterlegen.

Der Streit um die Fehler beim Bau des Tiefwasserhafens hat neben der wirtschaftlichen auch eine politische Dimension. Die SPD in Hannover forderte den Rücktritt von Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) als Aufsichtsrats-chef der Jade-Weser-Port-Realisierungsgesellschaft. Es ist ein Zeichen, wie ungeduldig die Politik bezüglich des Großprojektes mittlerweile ist. Immerhin gibt es in Niedersachsen im kommenden Jahr Landtagswahlen.

Die Wirtschaft sieht es dagegen etwas gelassener. Die größte Containerreederei, die dänische Maersk-Gruppe, ist über ihre Konzerntochter APM Terminals am Jade-Weser-Port beteiligt. Sie betreibt auch Terminals in Bremerhaven und läuft die Eurogate-Anlagen in Hamburg an. Keiner dieser Häfen ist derzeit ausgelastet. Auch Jan Ninnemann, Experte für Logistik und Hafenwirtschaft an der „Hamburg School of Business Administration“, meint, es gäbe derzeit keine Engpässe bei den Hafenkapazitäten in der Region.

Einige Hafenexperten äußern jedoch Zweifel an den wirtschaftlichen Prognosen zur Entwicklung des Superhafens. Sie bemängeln, dass er nicht an das europäische Binnenwasserstraßennetz angebunden ist und dass Wilhelmshaven und seine Umgebung als Industrie- und Handelsstandort nur ein begrenztes Ladungsaufkommen in der Region selbst generieren könnten. Eigel Wiese


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