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16.06.12 / MELDUNGEN

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

MELDUNGEN

Rasensport und Geschichtspolitik

Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten“: Sepp Herbergers herrlich lakonisches Diktum trifft selbstverständlich auch auf die am Freitag vergangener Woche in Warschau angepfiffene Fußball-Europameisterschaft zu. Beim Drumherum abseits des Spielfeldes ist diesmal manches anders. Erstmals wird eine Fußball-EM in Mittel- und Osteuropa ausgetragen: mit der Ukraine und besonders Polen in Gebieten, die heute ethnisch weitgehend homogen sind, jedenfalls im Vergleich zu den mittlerweile zu Vielvölkerstaaten mutierten westeuropäischen De-facto-Einwanderungsländern. Das war nicht immer so: die östlichen Landstriche der früheren k.u.k. Monarchie waren für ihr Völkergemisch bekannt – und später berüchtigt für ihre ethnischen Konflikte und nationalistischen Hass.

Auch der Sport mit dem getretenen Leder ist in die allgemeinen Zeitläufte eingebunden: Die Fußballgeschichte jener Länder, die Gebiete des früheren Deutschen Reiches mit einschließen, ist von ethnischer Vielfalt und gravierenden Brüchen geprägt. Im Unterschied zu Westeuropa finden sich in Regionen wie Schlesien oder Galizien nur wenige Klubs, die ohne Namens- oder Ortswechsel durch das 20. Jahrhundert gekommen, kaum Spieler, die ohne von Krieg, Flucht und Vertreibung gebrochene Biografien durch die Zeiten gegangen sind.

In Polen, dem Deutschen Reich und der Ukraine entwickelte sich die Sportbewegung besonders stark als Ausdruck von (Körper-)Kulturentwicklung im Rahmen der nationalen Erweckung. Slawische Sokol-Bewegung, deutsche Turnvereine und jüdische Maccabi-Verbände waren von zentraler Bedeutung für das Streben nach ethnischer Selbstbestimmung: der Völkerfrühling auch im Rasensport und durch ihn.

Eine Berliner „Halbzeitkonferenz“ will zu einer Zeit, wo die EM-Mannschaften in der Gruppenphase stehen, den Blick auf die historische Entwicklung des Fußballsports lenken: Die maßgeblich vom Deutschen Kulturforum östliches Europa (Potsdam) ausgerichtete Konferenz greift einzelne Turniere der Vergangenheit, Spielerbiografien, Städte und Landschaften heraus, um die „durchaus komplizierte Vielfalt der Völker und Grenzverläufe in diesem Teil Europas“ herauszuarbeiten. Einige Themen, die neugierig machen: „Lemberg. Wenn Falken Fußball spielen“ über die „Fußballstadt Lemberg“ vor dem Zweiten Weltkrieg; der schlesische Autonomist Jerzy Gorzelik aus Kattowitz spricht über deutschen, polnischen und „schlesischen“ Fußball; der Umgang mit dem „Ostmarkstadion“ in der Frankfurter Dammvorstadt [Słubice] nach 1945; die „Eastern Allstars“ – große Fußballer zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. PAZ

„Halbzeitkonferenz. Fußball als Spiegel ethnischer und regionaler Identitätssuche in Mittel-Osteuropa“: Mittwoch, 20. Juni, 17.30 bis 22 Uhr, in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung, Hiroshimastraße 12–16, 10785 Berlin-Tiergarten.


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