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16.06.12 / Deutsche als Eroberer / Wenn »Spiegel«-Autoren sich um Ostpreußen kümmern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

Deutsche als Eroberer
Wenn »Spiegel«-Autoren sich um Ostpreußen kümmern

Deutsche prägten jahrhundertelang die Geschichte im Osten Europas. Seit dem Mittelalter besiedelten sie die Provinzen zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer. Als Bauern, Handwerker, Kaufleute und Beamte waren sie gekommen, um das Land zu bewirtschaften. Sie lebten in den baltischen Gebieten an der Ostsee, in Ostpreußen, Schlesien, aber auch am Unterlauf von Donau und Wolga in überwiegend friedlicher Nachbarschaft mit Polen, Tschechen, Balten und Ungarn.

Doch es gab auch immer wieder Kriege. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Verlust der Gebiete im Osten war im geteilten Deutschland eine Beschäftigung mit der verlorenen Heimat weitgehend tabuisiert. Erst die politische Wende Anfang der 90er Jahre hat zu einer Wiederentdeckung des Ostens geführt, nicht selten durch die Enkelgeneration, die sich der Heimat ihrer Großeltern unbelastet und unverkrampft widmen konnte. Erst allmählich erschließt sich ihnen die lange verpönte oder verdrängte Familiengeschichte.

„Die Deutschen und ihr verlorener Osten, das ist eines der heikelsten und, trotz neuer Offenheit, noch immer nicht erledigten Kapitel der deutschen Historiografie und Debatten. Die vielen Filme und Bücher zu Flucht und Vertreibung zeigen, dass da noch kräftig nachzuholen ist“, schreibt Annette Großbongardt, eine der Herausgeberinnen des „Spiegel“-Buchs „Die Deutschen im Osten Europas“ in ihrem Beitrag. Neben den Mitherausgebern Uwe Klußmann und Norbert F. Pötzel sind weitere Journalisten des „Spiegel“ mit Aufsätzen zu unterschiedlichen Aspekten des Themas vertreten. Daneben kommen Historiker wie Andreas Kossert, Mitarbeiter bei der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ und selbst Nachkomme Vertriebener oder auch die freie Autorin Petra Reski, die ein Buch über die Entdeckung des Heimatdorfs ihrer Vorfahren geschrieben hat, zu Wort.

Von Kreuzrittern, Kaufleuten der Hanse, von Dichtern und Deutschen in Diensten des russischen Zaren, aber auch von kriminellen Herrenmenschen, Soldaten sowie von Flüchtlingen und Vertriebenen will das Buch erzählen. In vier Themenkomplexen wird über die deutschen Siedler im Osten, ihre Freundschaften und Feindschaften, Krieg und Vertreibung und die Schatten der Vergangenheit berichtet.

Davon, dass die Zeichen auf Entspannung stehen und Deutsche und ihre östlichen Nachbarn einander näher kommen, zeugt das Interesse an deutscher Geschichte beispielsweise im Königsberger Gebiet. Christian Neef stellt Enthusiasten wie Alexej Oglesnjow vor, der sich für den Wiederaufbau der Schlossanlage in Insterburg einsetzt, die im 14. Jahrhundert vom Deutschen Orden erbaut wurde, und er erzählt von Dmitri Suchin, einem Architekten aus St. Petersburg, der entdeckte, dass in der Stadt eine komplette Straßenzeile mit Häusern des deutschen Ausnahmearchitekten Hans Scharoun noch vollständig erhalten ist. Suchin und weitere Insterburger Aktivisten haben den Denkmalschutz inzwischen weit vorangebracht, was vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Heutige Bewohner werden sogar politisch aktiv, wenn es um den Erhalt des deutschen Kulturerbes geht. Wie der Germanist Wladimir Ryschkow, der sich empört gegen die Übernahme der Kirche von Arnau durch die Russisch-Orthodoxe Kirche wandte. Der Vorschlag, den in Tilsit geborenen Schauspieler Armin Müller-Stahl zum Ehrenbürger zu erklären, brachte Museumsdirektorin Angelika Schpiljowa zunächst viel Ärger ein. Letzten Endes wurde Müller-Stahl nach Drucklegung des Buches aber doch noch Tilsiter Ehrenbürger.

Im Vorwort des Buches heißt es erwartungsgemäß politisch korrekt, dass der von Hitler begonnene Zweite Weltkrieg zu Vertreibung, Mord und Terror geführt habe. Das von Deutschen verursachte millionenfache Leid und Unrecht habe bei Kriegsende 1945 schwer auf diese zurückgeschlagen.

Eine ebenso erstaunliche wie erfreuliche Ausnahme sind die Gedankengänge von Thomas Darnstädt, der in „Aktenzeichen ungelöst“ die Frage stellt, warum es nie ein Tribunal für die Verbrechen der Vertreibung gab. Lediglich Estland hat bereits 1994 ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in sein Strafgesetzbuch aufgenommen und zwei Männer verurteilt, die 1949 an der Deportation von Zivilisten in sowjetische Arbeitslager beteiligt waren. Alle anderen Vertreiberstaaten berufen sich auf das Rückwirkungsverbot, das besagt, zurzeit der Vertreibungen habe es kein gesichertes Recht der Menschlichkeitsverbrechen gegeben.

Wenn auch an anderer Stelle kritisch mit den Vertriebenenorganisationen umgegangen wird, so ist das Buch, da es das Thema „Deutsche im Osten“ von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, lesenswert. Manuela Rosenthal-Kappi

Annette Großbongardt, Uwe Klußmann, Norbert F. Pötzl (Hrsg.): „Die Deutschen im Osten Europas. Eroberer, Siedler, Vertriebene.“ DVA/Spiegel Buchverlag, geb., 303 Seiten, 19,99 Euro.


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