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16.06.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Motten / Was in der SPD Tradition ist, warum sie den Niebel so furchtbar hassen, und worauf Deutschland in der vierten Klasse wartet

Nun hat das Ding auch noch die Motten. Ein Teppichexperte hat laut „Bild am Sonntag“ einen grauen Schleier auf Dirk Niebels Afghanen-Teppich entdeckt. Das deute darauf hin, dass das gute Stück von dem fiesen Klamottenfresser befallen sei. Außerdem habe der Entwicklungshilfeminister viel zu viel bezahlt für den Bodenbelag. 1100 Euro sei der gar nicht wert.

Was für ein Ärger, vor allem aber: Was für eine Gaudi! Der „Skandal“ versetzt die Opposition in helles Entzücken. Das sei jetzt nicht mehr lustig, sagt Andrea Nahles. Dabei kann sie ihr Grinsen nur schwer unter Kontrolle bringen. Ihr SPD-Parteifreund Thomas Oppermann amüsiert sich gar mit dem Bonmot, Steuerhinterziehung habe in der FDP ja „Tradition“. Damit spielt er auf die Flick-Spenden-Affäre von 1983 an, als FDP-Schatzmeister Otto Graf Lambsdorff dafür verurteilt wurde, dass er ein hübsches Sümmchen am Fiskus vorbei in die blaugelbe Parteikasse geschmuggelt hatte.

Ach ja, die 80er! Eine bewegte Zeit: Wir stritten über die Atomkraft, den Nato-Doppelbeschluss, die Wiedervereinigung oder die Erfassungsstelle Salzgitter. Erfassungsstelle ... was? Fast vergessen: Das war eine Einrichtung der Länder, in der politische Häftlinge der DDR registriert wurden. Das hatte praktische Folgen für die Betroffenen: Sobald die SED erfuhr, dass man über einen bestimmten Häftling in Salzgitter Bescheid wusste, verbesserten sich dessen Haftbedingungen schlagartig, auch konnte daraufhin der „Freikauf“ eingeleitet werden.

Die SPD-Länder aber stiegen eines nach dem anderen aus der Finanzierung der Stelle aus und forderten ihre Schließung, Salzgitter schade der „Entspannung“. Danach wären viele SED-Verbrechen im Dunkeln geblieben. Nach geltendem Recht macht sich jemand, der aktiv mithilft, eine Straftat zu verbergen, selbst zum strafwürdigen Komplizen. Die Inhaftierung Unschuldiger aus politischen Gründen ist doch wohl eine Straftat, oder? Ist seit der Salzgitter-Sache Komplizenschaft mit totalitären Menschenschindern in der SPD „Tradition“, Herr Oppermann? Tja, man sollte seine Zunge im Zaume halten, will man sie sich nicht an den eigenen Entgleisungen verbrennen. Der Genosse Oppermann dürfte für eine Weile lispeln.

Überhaupt: Wie müssen die den Niebel hassen, wenn sie derart auf ihn losgehen wegen dieses mottigen Dingsda. Woher der Hass? Nun, zum einen hat der Minister den wunderbaren Zirkus der Hilfsorganisationen durchgelüftet und damit all die vielen Leute, die an dieser Großindustrie der guten Absichten wunderbar verdienen, in Angst und Schrecken versetzt. Die sinnen auf Rache.

Zum anderen ist er politisch inkorrekt: Deutsche Hilfe, so hat er dekretiert, solle auch als deutsche Hilfe erkennbar sein. Die Empfänger sollten wissen, wer sie umhegt.

Bis dahin hatte gegolten, dass deutsche Unterstützung hinter „internationalen Bemühungen“ versteckt wird. Warum? Weil man auf keinen Fall deutsche Interessenpolitik betreiben wollte, das war tabu. Am Ende sind uns die Empfänger noch dankbar und entwickeln prodeutsche Gefühle! Unerträglich.

Diese Praxis fügte sich in eine Art Grundgesetz, nach dem Deutschland nur als solches zu erkennen sein soll, wenn es um etwas Negatives geht: Hitler war das Deutscheste, was es gab, Humboldt hingegen ein „großer Europäer und Weltbürger“. Andere Völker sind indes ausdrücklich zu schonen. So ergeben sich interessante Sprachregelungen: „Die Deutschen“ haben den „Herero-Aufstand blutig niedergeschlagen“, und eben sonst keiner, den Indianergenozid in Amerika hingegen haben „die Europäer“ auf dem Gewissen, also irgendwie auch wir. Hamburg wurde „im Krieg“ zerstört, Coventry „von den Deutschen“. In dieser Logik ist die deutsche Entwicklungshilfe „international“, während die Kugel aus dem Lauf des afrikanischen Warlords als zweifelsfrei „deutsch“ erkannt wird: „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt!“ „Deutsche Hilfe“ gibt es nicht, basta. Es war Zeit, dass Herr Niebel dafür zur Verantwortung gezogen wird, dieses Gesetz gebrochen zu haben. Und wenn wir nichts Besseres finden als einen lumpigen Teppich: In der Not frisst der Teufel auch Motten.

Das Gesetz gilt natürlich auch für die Euro-Krise. Geht sie glück­lich aus, waren es die „gemeinsamen Bemühungen“, welche uns alle aus den Fängen des Löwen befreit haben. Je weniger man jedoch an ein glimpfliches Ende glauben mag, desto dicker wird die „deutsche Verantwortung“ herausgestrichen.

Dass es zum Fiasko kommt, daran arbeiten die Entscheidungsträger weiter mit Elan. Spanien sagen sie Milliardenhilfen zu, die Bedingungen dafür aber sollen erst später geklärt werden. Was dabei herauskommt? Probieren Sie’s doch einfach mal selbst: Sagen Sie jemandem fest zu, dass Sie ihr Haus ihm – und nur ihm – verkaufen werden, und fangen Sie erst danach an, über den Preis zu verhandeln. Einer von Ihnen beiden wird das Geschäft seines Lebens machen. Sie werden es vermutlich nicht sein.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy konnte vor Stolz kaum gehen, als er den Pressevertretern erklärte, er sei nicht als Bittsteller zu den europäischen Partnern gekrochen, sondern er sei es gewesen, der gedrängt und sich durchgesetzt habe. In Athen schlug diese Rede ein wie eine prall gefüllt Bonbonniere. So geht es also auch. Alexis Tsipras, Chef der linksradikalen Partei, die diesen Sonntag Sieger sein könnte, ist ganz aus dem Häuschen vor Begeisterung. Er will sofort alles neu verhandeln.

Weniger begeistert sind Iren und Portugiesen. Die haben sich eisern an ihre Sparzusagen gehalten und fühlen sich nun ziemlich verschaukelt. Es gebe schließlich kein Europa der zwei Klassen, schimpft der Lissabonner Oppositionschef. Tatsächlich? Unfug, es gibt sogar mindestens vier Klassen: In der ersten sitzt demnächst Spanien und vielleicht bald andere Länder, die ohne schmerzliche Auflagen Geld bekommen. In die zweite schmiegen sich die Hilfe-Empfänger Griechenland, Portugal und Irland, in der dritten schmachten die Zahler, die später immerhin alle Verantwortung fürs Scheitern des Euro von sich weisen können. Ganz hinten in der vierten aber, da wo in der Bahn früher die armen Schlucker mit ihrem Viehzeug hockten, da kauert Deutschland ganz allein und erwartet nach seiner Plünderung auch noch den Schuldspruch der Geschichte.

Bei der Geschichte kommt es darauf an, wer sie erzählt. Daher gucken misstrauische Geister lieber dreimal hin, bevor sie etwas glauben. Was jeden Tag aus Syrien berichtet wird, klingt grausam. Grausam war allerdings auch diese Geschichte: 1991 hörten wir auf allen Kanälen, dass irakische Soldaten nach der Besetzung von Kuwait Babys aus Brutkästen gerissen und getötet hätten. Was für Monster!

Später stellte sich heraus, dass die Geschichte der Phantasie einer amerikanischen PR-Agentur im Auftrag der US-Kriegspropaganda entstiegen war. Seitdem wissen wir nicht mehr, was wir von Berichten wie „Assad lässt gezielt Kinder töten und missbrauchen“ halten sollen.

Manchmal braucht man eine Meldung nur etwas gegen den Strich zu bürsten, und es kommt etwas völlig anderes heraus: UN-Beobachter haben sich beschwert, dass syrische Regierungssoldaten sie an einem Kontrollposten erst nicht durchlassen wollten. Als sie doch passieren konnten, seien sie wenig später beschossen worden, heißt: Erst blockieren die Halunken uns, dann schießen sie auch noch. Aber könnte es nicht auch sein, dass der Posten die UN-Leute aus gutem Grunde nicht durchlassen wollte, weil er wusste, dass es da hinten gefährlich werden könnte? Was es dann ja auch prompt wurde? Ist eigentlich egal, denn die zweite Lesart des Vorfalls wird in den Geschichtsbüchern niemals auftauchen.


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