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23.06.12 / Reale Macht und Kosmetik / Ägypten: Muslimbruder wird Präsident ohne Machtbefugnisse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Reale Macht und Kosmetik
Ägypten: Muslimbruder wird Präsident ohne Machtbefugnisse

Bald nach Schließung der Wahllokale am Sonntag ließ die Muslimbruderschaft verlauten, dass ihr Kandidat Mohammed Mursi die Stichwahl um die ägyptische Präsidentschaft knapp gewonnen habe. Die Anhänger des Gegenkandidaten, des Ex-Generals Ahmed Shafik, streiten das zwar ab, und das offizielle Ergebnis steht noch aus. Aber der Sieg Mursis wurde indirekt bestätigt: Die Militär-Junta, die seit der Absetzung von Präsident Hosni Mubarak vor 16 Monaten der wahre Machthaber ist, erließ ein Dekret, mit dem sie sich weitestgehende Befugnisse sichert – und dem neuen Präsidenten kaum viel mehr als repräsentative Aufgaben zuweist. Er ist auch nicht Oberbefehlshaber des Heeres.

Es war immer klar, dass die Junta ihre Macht nicht leichtfertig aus der Hand geben würde, aber eine „Strategie“ war nicht erkennbar. Nun hat die Junta quasi in letzter Minute die Notbremse gezogen: Erst das „überraschend milde“ Urteil im Mubarak-Prozess – man rechnet offenbar damit, dass sich der Fall „biologisch“ bald selbst erledigt. Dann die höchstgerichtliche Abweisung der Einsprüche gegen die Kandidatur Shafiks sowie die Entscheidung, dass ein Drittel der Abgeordneten unrechtmäßig gewählt worden war, was auf eine Parlamentsauflösung hinausläuft. Und nun das Dekret, mit dem sich die Junta die Gesetzgebungs- und Budgethoheit, die Entscheidungen über eine künftige Verfassung und weitgehende Veto-Rechte sichert.

„Demokratische Empörung“ im Ausland übersieht allerdings, dass die demokratischen Kräfte in Ägypten und jene Scheindemokraten, die in Wahrheit nur eigene ideologische oder gar fremde Interessen vertreten, selbst viel zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Sie waren unfähig, eine gemeinsame Basis zu finden, wie sich primär am Fiasko um die verfassungsgebende Versammlung zeigte.

Die Muslimbruderschaft, die bei den Parlamentswahlen im Januar einen fulminanten Sieg errungen hatte, hat mittlerweile viel an Zuspruch verloren. So kam Mursi in der ersten Runde Ende Mai nur auf knapp ein Viertel der Stimmen, was einem Achtel der Wahlberechtigten entspricht. Die Angst vor islamistischen Exzessen hat umgekehrt den säkularen Kräften Auftrieb gegeben, wie der überraschende dritte Platz des „Nasseristen“ Hamdin Sabahi zeigte. Und Shafik, der nur knapp hinter Mursi lag, wurde diesmal von eben diesen Kräften einschließlich der Christen als das kleinere Übel angesehen.

Die Bruderschaft scheint auch die Gunst der Saudis verloren zu haben, die sonst überall Islamisten finanzieren. Und die geringe Wahlbeteiligung ist auch nicht ein Erfolg jener, die aus Protest gegen die Junta zum Wahlboykott aufgerufen hatten. Vielmehr sind die meisten Ägypter heute einfach politikmüde und nicht an verfassungsrechtlichen Tüfteleien interessiert. Sie wollen nur noch Sicherheit und halbwegs erträgliche Lebensverhältnisse. Trotzdem werden andere auch weiterhin für Unruhe sorgen. R. G. Kerschhofer


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