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23.06.12 / Potsdam stellt sich blind und stur / Trotz rapide wachsender Grenzkriminalität will Rot-Rot Polizei und Justiz weiter ausdünnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Potsdam stellt sich blind und stur
Trotz rapide wachsender Grenzkriminalität will Rot-Rot Polizei und Justiz weiter ausdünnen

Brandenburgs Politik spart an Justiz, Polizei und an Lösungen für die von Grenzkriminalität geplagten Regionen. Außer Zusagen über bessere Absprachen und mehr Kompetenzen für ohnehin dem Bund unterstellte Zollbeamte hält das Land kaum Lösungen bereit. Experten warnen vor den Folgen der Einsparungen als „kaum lösbares Problem“, so der Deutsche Richterbund (DRB).

Erst am Montag trafen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und sein Innenminister Dietmar Woidke (SPD) erneut mit Bewohnern der Uckermark zusammen, um dort über akute Grenzkriminalität zu sprechen. Platzeck mühte sich, die angespannte Lage vor Unternehmern, Landwirten und Bürgermeistern mit einer Bilanz der Polizeimaßnahmen des vergangenen Halbjahres zu beruhigen. Einbrüche, Benzin- und Autodiebstahl sowie die Entwendung von sogar schwerem Großgerät aus der Landwirtschaft versetzen die Bewohner der grenznahen Regionen in Unruhe.

Doch die Innenminister der neuen Bundesländer versuchen zu beschwichtigen. Sie präsentierten nun polizeiliche Daten, die einen Rückgang der Grenzkriminalität zeigen sollen – allerdings über einen Zeitraum von zehn Jahren. Ein Blick auf die jüngste Entwicklung zeigt dagegen: Von 2009 auf 2010 stieg der Kfz-Diebstahl in Brandenburg um 22,6 Prozent auf 4068 Fälle und Tageswohnungseinbrüche gar um gut 50 Prozent auf rund 1300 Fälle. Die aktuell von Anwohnern beklagten grenznahen Straftaten schnellten vor allem seit 2007 hoch, als die Grenzkontrollen zu Polen EU-bedingt wegfielen. Platzeck will sich nun enger mit den Sicherheitsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Polen abstimmen, so das Fazit seines Besuchs.

Auch Mitglieder der FDP-Fraktion im Potsdamer Landtag reisen derzeit durch die Uckermark, um sich ein Bild von der Grenzkriminalität zu machen: In Schenkendöbern bekamen sie von den Bauern Klartext in Sachen Schengener Abkommen der EU zu hören. Seit dieser Pakt innereuropäische Grenzkontrollen hier Ende 2007 abgeschafft hätte, habe die Kriminalität ständig zugenommen: „Erst wurden Diesel, dann Batterien und jetzt Großgeräte geklaut“, so ein Betroffener. Die Forderung von Bauern wie Bürgermeistern, wenigstens stichprobenartig Kontrollen einzuführen, stößt jedoch bei allen Landtagsparteien auf ideologischen Widerstand. Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hans-Peter Goetz, erteilte Stichproben eine Absage. Die Bewohner sollten sich einfach wiederholt an die Landesregierung wenden – er forderte: „Wir brauchen mehr Polizisten.“

Die sind in Brandenburg nicht zu erwarten, im Gegenteil. Die Polizeistrukturreform „Polizei Brandenburg 2020“ der Landesregierung sieht Stellenkürzungen vor, sodass von jetzt gut 8900 Beamten künftig noch 7000 übrig bleiben. Brandenburgs im Ländervergleich nicht gerade hohe Aufklärungsquote von gut 50 Prozent (aller Straftaten) sinkt künftig noch weiter, fürchten Polizisten. Ganze Polizeidirektionen werden zusammengelegt. In der Direktion Ost, unter anderem für die Uckermark zuständig, arbeiten nur drei Polizisten für die Spurensicherung. Spezialeinheiten werden ausgelagert. Das Sparen erregt Kritik selbst aus den Reihen von Rot-Rot: „Die Polizeireform muss in Teilen gestoppt werden“, verlangte der Landtagsabgeordnete Jürgen Maresch (Linke), selbst einst Polizist, vor wenigen Tagen. Statt Kürzungen bei den regulären Polizisten sollten seiner Meinung nach lieber die Sportfördergruppe und das Polizeiorchester ein finanzielles Streichkonzert durchleiden.

Doch Finanzminister Helmuth Markov (Linke) erweitert jetzt die Sparpläne sogar. Er will bis 2018 auch die Zahl der Justizmitarbeiter um 15 Prozent verringern und somit von 5215 auf 4300 Stellen kommen. Verbände der Rechtspflege fürchten in einer gemeinsamen Erklärung: „Die Justiz wird ihre gesetzlichen Aufgaben mit der vorgesehenen Streichung von 15 Prozent aller Stellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften nicht mehr erfüllen können.“ „Weitere Kürzungen der Stellenzahl kann die Justiz nicht mehr verkraften“, mahnen die Landesverbände des DRB, des Amtsanwaltsvereins, der Vereinigung der Verwaltungsrichter, des Bundes der Rechtspfleger und der Deutsche Sozialgerichtstag in der Erklärung.

Ein rot-rotes Umdenken ist indes nicht abzusehen: Als Sofortmaßnahme erteilte der Landtag durch Umgestaltung des Polizeigesetzes nun Zollbeamten sogenannte „allgemeinpolizeiliche Eilkompetenzen“. Obwohl von Innenminister Woidke als „Baustein, um die Grenzkriminalität zu bekämpfen“ angeregt, verstärke der Beschluss die polizeilichen Ermittlungen mitnichten, kritisiert die Opposition. Der Zoll ist zudem dem Bund unterstellt.

Dass dieser die Folgen der Landespolitik wird tragen müssen, fürchtet daher Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags. Er kritisierte die gegenseitige Zuweisung der Verantwortung bei den Politikern: Es gebe Innenminister, die die Polizeipräsenz ausdünnten und den Leuten dann sagten, der Bund sei schuld, weil man jetzt offene Grenzen habe, so Bosbach. Den Grenzanwohnern hilft auch diese Erkenntnis im politischen Verantwortungs-Ping-Pong kaum. Ihre Versicherungsprämien stiegen bereits um 20 Prozent. Und sie waren es auch, die überhaupt erst jüngste Daten zur Grenzkriminalität sammelten und als Petition an den Landtag sandten – die Aufklärungsquote der Fälle liegt bei null, klagen sie. Sverre Gutschmidt


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