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23.06.12 / Im Anlauf steckengeblieben / Indien enttäuscht die in das Land gesetzten Hoffnungen – Zu viele Begehrlichkeiten sind zu stillen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Im Anlauf steckengeblieben
Indien enttäuscht die in das Land gesetzten Hoffnungen – Zu viele Begehrlichkeiten sind zu stillen

Noch vor wenigen Jahren schien der Aufstieg von Brasilien, Russland, Indien und China, der sogenannten BRIC-Staaten, ein Selbstläufer zu sein. Die Drohung der Ratingagentur Standard & Poors, die Bonität Indiens auf Ramschstatus zu senken, zeigt aber an, dass Indien mittlerweile im politischen Stillstand versinkt. Langfristig könnte das Land daran sogar zerbrechen.

Eine Regierungskoalition aus zehn verschiedenen Parteien dürfte in der Welt wohl nicht oft vorkommen. Bereits seit Jahren ist ein solches Phänomen in Indien allerdings Realität. Um überhaupt regierungsfähig zu werden, wurde im Jahr 2009 eine fragile Koalition unter Führung der Kongress­partei zusammengezimmert. Die Resultate der Regierungsarbeit sind dementsprechend. Aus Rücksicht auf die verschiedenen Koalitionspartner herrscht ein weitgehender politischer Stillstand. Angekündigt waren liberale Reformen und Marktöffnungen für verschiedene Branchen, die volle Konvertierbarkeit der indischen Rupie und selbst ein Bürokratieabbau. In der Realität wurde nichts von dem umgesetzt, stattdessen hat die Paralyse der Zentralregierung sogar nochmals zugenommen. Bei Regionalwahlen im April dieses Jahres hat die Kongresspartei verheerende Verluste bei Regionalwahlen einstecken müssen. Die Angst, bei den kommenden Parlamentswahlen im Jahr 2014 eine weitere Niederlage einzufahren, hat den letzten Reformeifer einschlafen lassen. Was stattdessen auf den Weg gebracht wird, nimmt sich für ausländische Investoren wie eine Drohung aus. Angekündigt ist etwa, Kapitalgewinne aus Firmenübernahmen steuerpflichtig zu machen – rückwirkend für die letzten 50 Jahre. Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen kommen schon seit einiger Zeit nicht mehr voran. Die geplante Öffnung des Einzelhandelsmarktes, ein Vorhaben, das eigentlich Ausdruck der Handlungsfähigkeit der Regierung zeigen sollte, wurde auf Druck verschiedener Bevölkerungsgruppen wieder einkassiert.

Tatsächlich wächst aber der Reformbedarf immer weiter. Indien wird nicht nur durch eine überbordende Bürokratie gelähmt, sondern auch durch Korruption. Im Jahr 2010 förderte ein Bericht des indischen Rechnungshofs zutage, dass bei der Vergabe von Mobilfunklizenzen 34 Milliarden Dollar veruntreut worden waren. Fast Kleingeld angesichts eines anderen Skandals, der im vergangenen Jahr aufgedeckt wurde: Zwischen 2004 und 2009 sollen Bergbaurechte ohne öffentliche Ausschreibungen weit unter Wert vergeben worden sein. Der hochgerechnete Schaden liegt bei 207 Milliarden Dollar.

Die ungelösten Probleme Indiens sind mittlerweile auch an den Wirtschaftsdaten ablesbar. Vorbei sind die Zeiten von zehn Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr – aktuell wird nur noch mit 5,3 Prozent gerechnet. Zuwenig um langfristig den sozialen Frieden zu sichern. Ein Viertel der 1,2 Milliarden Inder lebt unterhalb der ohnehin sehr niedrig angesetzten offiziellen Armutsgrenze. Jedes Jahr sterben 1,7 Millionen Kinder an Unterernährung. Bereits seit Monaten ist der Wechselkurs der indischen Rupie im Sinkflug, während das Außenhandelsdefizit und die Inflationsraten steigen.

Inzwischen wird befürchtet, dass der Zustand der politischen Lähmung des Landes sogar noch nach den kommenden Parlamentswahlen im Jahr 2014 anhalten könnte. Möglich wäre dies, wenn weder die Kongresspartei noch die große Oppositionspartei, die hindu-nationalistische BJP, trotz des Mehrheitswahlrechts wieder keine absolute Mehrheit erringen und erneut Koalitionen mit kleineren Parteien nötig sind. Zurückgreifen müsste man auf Parteien, die vor allem in den Bundesstaaten immer mehr an Macht gewinnen und nur einzelne indische Kasten oder regionale Interessen vertreten. Stärker werden ebenso die maoistische Guerilliabewegung wie ethnische Rebellengruppen, die für mehr Autonomie kämpfen.

Von außen droht Indien durch die Rüstungsanstrengungen seiner beiden Rivalen Pakistan und China zerrieben zu werden. Der Streit um die Provinz Kaschmir ist nach wie vor ungelöst. Seit 1947 wurden mit Pakistan bereits drei Kriege um die Provinz geführt. Der Streit mit dem Nachbarn eskaliert regelmäßig bis hin zu Grenzgefechten.

Immer mehr wird in Indien allerdings nicht im Erzfeind Pakistan die größte Gefahr gesehen, sondern in China. Zwar startete Indien unlängst seine erste atomwaffenfähige Interkontinentalrakete, deren Reichweite erstmals ausreicht, um das gesamte Gebiet Chinas abzudecken, kräftemäßig zieht China aber immer mehr an Indien vorbei. Auch, dass Indien inzwischen zum größten Waffenimporteur der Welt aufgestiegen ist, wird nichts daran ändern, dass Indien militärisch im Vergleich zu China immer weniger mithalten kann: Während Indien nun eine Erhöhung seiner Verteidigungsausgaben auf 40 Milliarden Dollar angekündigt hat, wird China mit 106,4 Milliarden US-Dollar erstmals die 100-Milliarden-Dollar-Marke bei seinen Rüstungsausgaben durchbrechen. Norman Hanert


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